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Beantwortet
Autor Yvonne Schmitz am 16. August 2007
13787 Leser · 263 Stimmen (-74 / +189)

Sonstiges

Familiensplitting ->doppelte Kinderarmut bekämpfen

Sehr geehrter Herr Lammert,

Deutschland geht der Nachwuchs aus. was ist der Grund ?
Wie denken sie darüber und warum wird nichts dagegen unternommen ??

Das Familienministerium behauptet, dass dort, wo die Vereinbarkeitsbedingungen für berufstätige Mütter gewährleistet sind, die Leute auch Kinder bekämen. Das ist reine Augenwischerei, denn die Statistiken belegen genau das Gegenteil.
1.In der Realität ist es so dass die doppelte Kinderarmut (zu wenig Kinder und immer ärmere Familien) trotz steigender Müttererwerbstätigkeit über Jahrzehnte zugenommen hat.
2.Sind die niedrigsten Geburtenraten in Deutschland, wo die höchste Krippendichte besteht (Brandenburg, Sachsen-Anhalt).
Die höchsten Geburtenraten haben wir jedoch dort, wo traditionelle Familienmuster gelebt werden (westl.Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern).
In Deutschland lässt sich also der Einfluss einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf steigende Geburtenraten jedenfalls nicht nachweisen, eher widerlegen.
Sicherlich ist es von Vorteil, am Ausbau der Kinderbetreuung zu arbeiten, jedoch nicht im geplanten Umfang. Da kämen wieder mal enorme Steuerverschwendungen auf Deutschland zu, denn was nutzt die beste Vereinbarkeit, wenn entweder die Arbeit fehlt oder das Netto-Zusatzeinkommen nur die steuerliche Belastung und Abgaben der Familien explodieren lässt und die Familien dennoch nicht genügend Geld zum Leben haben? Der Grund dafür ist eine Steuerbelastung die für Familien ungerechterweise viel zu hoch ist? Dafür gibt eine liebende Mutter nicht ihr Kind den ganzen tag in fremde Hände.

z.B.
Zusatzeinkommen (Zweiteinkommen) werden in Deutschland bestraft.
Die Sozialabgaben steigen, die Besteuerung ist höher und dann erhöhen sich auch noch die Kosten für Kinderkrippe, Kindergarten, Ganztagsschule etc,die nach Einkommen gestaffelt sind. Das sind triftige Gründe, um sein Kind zu Hause zu erziehen, statt es in Tagesstätten erziehen zu lassen.
Zusätzlich werden Familien auch durch die indirekten Steuern wie die Ökosteuer überproportional belastet. Zum Beispiel weil Mietraum in den Städten zu teuer ist und sie weite Arbeitswege in Kauf nehmen müssen.
Rechnet man also die indirekten Steuern mit ein, dann kommt man zum Ergebnis, dass Familien im Schnitt steuerlich so hart belastet sind wie nie zuvor.
Eigendlich kaum zu glauben, weil:
Kinder sind eine Investition in unsere Gesellschaft und Investitionen sind im Steuerrecht üblicherweise steuerfrei gestellt. Aber in Deutschland werden Kinder als reines Privatvergnügen und nicht als Investition angesehen, obwohl ihr Wirtschaftsertrag später über Steuern und Sozialbeiträge zu größten Teilen sozialisiert wird. Daher muß das Ehegattensplitting schnellstens zum Familiensplitting erweitert werden (dazu komme ich später).

Wenn sie jetzt der Meinung sind, daß auch kinderlose Singles nicht weniger belastet sind, dann stimme ich ihnen nicht zu, denn gemessen an dem, was Familien abverlangt wird, ist es eine Kleinigkeit. Wenn man vergleicht, was bei einem Bruttoeinkommen von 30.000 Euro am Ende übrigbleibt, sieht die Rechnung nämlich ganz anders aus.
z.B. Netto bleiben dem Ledigen 18.049 Euro. Zieht man davon dann das Existenzminimum für Erwachsene ab (derzeit 7664 Euro), dann bleiben 10.385 Euro frei verfügbar.
Bei einer vierköpfigen Familie bleiben vom gleichen Bruttoeinkommen einschließlich des Kindergeldes netto zunächst 25.672 Euro. Doch nach Abzug der Existenzminima für die Erwachsenen und die Kinder und nach Abzug des Ausbildungs- und Betreuungsfreibetrages bleibt der vierköpfigen Familie ein frei verfügbares Einkommen von minus 1272 Euro. Die Familie ist um ein vielfaches höher belastet als der Single. Auch bei einem höheren Einkommen sieht es nicht besser aus.
Bei mehreren Kindern ist die Belastung sogar noch höher. Die freiverfügbaren Single-Einkommen liegen ein Vielfaches über dem der Familien. Die gefühlte höhere Belastung der Singles ist demnach nur eine simple Ausrede, um am sozialen und steuerlichen System nichts ändern zu müssen.

Wenn ich mir dann von der Bundesregierung anhören muß, dass das Kindergeld in Deutschland innerhalb der EU nur noch in Luxemburg höher ist und Familien mit Kindern nach der letzten Steuerreform angeblich entlastet seien, dann frage ich mich, ob die denn alle hinterm Mond leben. Es entsteht tatsächlich der Eindruck, dass Familien in Deutschland nichts zu befürchten hätten. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Das spüren die Familien sehr deutlich und können auch nur die Familien beurteilen.

Das Kindergeld in Deutschland ist größtenteils nur eine vorweggenommene Steuerrückzahlung und kein Zuschuss.
Tatsächlich werden Familien hierzulande über die Sozialbeiträge und Verbrauchssteuern so hart belastet wie nirgendwo sonst.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch gleich mal erwähnen, dass bisher nach jeder Kindergelderhöhung parallel die Tarife für Kindergärten etc.heraufgesetzt wurden. Die direkten Steuern werden zwar mit den Kindergelderhöhungen ermäßigt, auf der anderen Seite werden jedoch die indirekten Steuern und Beiträge erhöht und die Familien somit wieder stärker belastet. Es ist ein mieser Taschenspielertrick, der nur dazu dient, nach Außen einen guten Eindruck zu machen die Familien jedoch unbemerkt abzuzocken. Ein Gauner auf der Straße würde sich mit solchen Tricks strafbar machen.
Desweiteren weicht die Politik zunehmend auf die bequemeren indirekten Steuern aus, gegen die man sich vor den Finanzgerichten nicht wehren kann. Vor allem Verbrauchsabhängige Steuern führen zu extremen und stetig zunehmenden Belastungen der Familien.

Bei der Pflegeversicherung ist es ebenso.
Es fand zwar ein Umdenken stattg, aber leider nur beim Bundesverfassungsgericht. Die Politiker verschließen vor diesem Problem einfach Augen und Ohren.
Das zentrale Problem bei der Pflegeversicherung ist eine benachteiligende Struktur der Abgabensysteme, die dazu führt, dass im Endeffekt auch wieder die Familien überproportional und unter völliger Vernachlässigung des Grundsatzes der Bemessung an Leistungsfähigkeit belastet werden,worauf das Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil zur Pflegeversicherung aufmerksam gemacht hat. Demnach müssten die Unterhaltsbeträge, die die Kinder familienrechtlich zu beanspruchen haben, von der Beitragsbemessung abgezogen werden. Dies geschieht jedoch nicht. Die Antwort auf den Beschluß ist nämlich eine Frechheit der Bundesregierung. Sie hat in jeder Hinsicht ein rechtskräftiges Gerichturteil missachtet, sogar verhöhnt.

Kindererziehung sollte wie Geldbeiträge behandelt und Eltern entsprechend ihrer Kinderzahl entlastet werden. Eine viertelprozentige Beitragserhöhung für Kinderlose ist dagegen ein Hohn.

Ebenfalls sollten die Konsequenzen dieser Gleichwertigkeit für die Renten- und Krankenversicherung und das deutsche Sozialversicherungssystem korrigiert werden. Denn auch hier gibt es das Problem, daß Familien entweder zu hohe Beiträge zahlen oder aber die Leistungen für Eltern zu niedrig angesetzt werden. Um die Beitragsbelastung gleichmäßiger zu gestalten, sollten die kindbedingten Aufwendungen von der Beitragsbemessung abgesetzt werden. Was wir beispielsweise in der Krankenversicherung unter dem Stichwort ‚beitragsfreie’ Mitversicherung von Kindern haben, ist ja so auch nicht richtig. Denn die Unterhaltsbeträge, die die Kinder familienrechtlich zu beanspruchen haben, werden eben nicht von der Beitragsbemessung abgezogen. Dies müsste aber, wie sich aus dem Pflegeurteil ablesen lässt, mindestens geschehen.

Kindererziehung ist für unser Sozialversicherungssystem, das mit den Beiträgen der Jungen die Alten unterstützt, die entscheidende und ökonomisch den monetären Beiträgen absolut gleichwertige Leistung. Und weil das so ist, muss die Kindererziehung auf der Beitragsseite in einer mindestens dem materiellen Umfang der
Kindererziehungsleistung entsprechenden Weise berücksichtigt werden.
Die Kindererziehung ist gleichermaßen der Beitrag zur Sozial-,Renten-und Pflegeversicherung, da die finanziellen Aufwendungen die Eltern für ihre Kinder aufbringen, unser soziales System aufrecht erhalten. Denn in Zukunft sind es diese Kinder, die Sozial-,Renten-und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen und somit auch für die kinderlosen mit aufkommen.

Bedenken wir folgendes:
1.Die Beitragsäquivalenz der Kindererziehung heißt, wenn ich Kinder erziehe, leiste ich meinen Beitrag mittels Arbeitskraft.
2.Die Leistungsfähigkeit der Familien ist durch die finanziellen Aufwendungen der Kindererziehung stark gemindert.

Das Steuerrecht muss die Leistungsfähigkeit zur Richtschnur für die Steuerbelastung machen. Es müsste also in der Sozialversicherung eine Umverteilung von den Kinderlosen zu den Familien stattfinden. Tatsächlich aber ist es genau umgekehrt - auch bei der Krankenversicherung, denn die Gesundheitskosten der kinderlosen Rentner, die ja vollständig von den Kindern anderer Leute aufgebracht werden müssen, sind heute schon ungefähr dreimal so hoch wie das Volumen der sogenannten Familienhilfen. Dabei steigen die Alterskosten rasant an, während die Kosten für den Nachwuchs stetig sinken und zudem immer mehr Mütter erwerbstätig sind. Unsere demographischen Probleme resultieren zu zwei Dritteln aus der Kinderlosigkeit. Deshalb muss die Verantwortung auch hier eingefordert werden ... in Form höherer Beiträge für die, die keine Unterhaltslasten zu tragen haben.

Auch das ist noch ein Grund für das Familiensplitting.
Familiensplitting bedeutet, dass das Familieneinkommen nach einem bestimmten Schlüssel durch die Zahl der vorhandenen Familienmitglieder geteilt wird.
Beim Ehegattensplitting wird das Einkommen nur auf zwei Köpfe verteilt, unabhängig von der Zahl der Kinder.
Ein gutes Beispiel ist Frankreich.Dort bleiben den Müttern die Früchte ihrer Erwerbstätigkeit erhalten, denn dort gibt es das Familiensplitting.Bei einer Familie mit drei Kindern gehen beim Familiensplitting die Eltern mit je einem Punkt, die ersten beiden Kinder mit 0,5 Punkten und das dritte Kind wiederum mit einem Punkt in die Rechnung ein. Der Splittingfaktor beträgt demnach vier. Das heißt, das Einkommen wird durch vier geteilt und dann nach dem Pro-Kopf-Einkommen versteuert. Familien mit kleineren und mittleren Einkommen werden auf diese Weise erheblich entlastet,sie zahlen fast keine Steuern mehr. Die finanzielle Entlastung ist dort also ein wichtiger Punkt. Junge Familien mit Kindern in Frankreich müssen also nicht einen so gewaltigen Einschnitt befürchten, wie das bei uns der Fall ist.
In Deutschland bedeuten Kinder nicht nur empfindliche Einkommenseinbußen durch das fehlende Einkommen des Ehepartners, sondern gleichzeitig auch einen rasanten Zuwachs an Kosten.

Tatsächlich ist es auch so, dass Frankreich mit seiner deutlich höheren Geburtenrate eine geringere Erwerbsbeteiligung bei Müttern hat als Deutschland. In Deutschland liegt die Erwerbsbeteiligung bei 59 Prozent, in Frankreich bei 55 Prozent. Allerdings überwiegen in Frankreich die vollzeiterwerbstätigen Mütter.
Das gilt übrigens auch für das häufig als beispielhaft dargestellte Schweden: Das Land hatte Ende der achtziger Jahre familienpolitische Reformen in die Wege geleitet und die Elternrechte deutlich ausgeweitet. Das hatte zur Folge, dass etwa auch Väter Babyzeiten nehmen konnten. Die Geburtenrate stieg daraufhin kurzzeitig auf über zwei an, aber sank mit der allgemeinwirtschaftlichen Eintrübung und dem Anstieg der Arbeitslosigkeit wieder auf die früheren Werte. Die Schweden stehen heute nicht besser da als vor den Reformen. Der Erfolg war also nicht von langer Dauer.

Ganz nebenbei: eine andere Möglichkeit wäre das Grundeinkommen/Bürgergeld.Der einzige Unterschied dabei wäre eine einheitliche Lohnsteuer und dafür der familienbedingte Ausgleich über die Zahlung des Grundeinkommens pro Familienmitglied.

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Antwort
aus dem Bundestag am 09. November 2007
Bundestagspräsident

Sehr geehrte Frau Schmitz,

Sie sprechen in ihrem Schreiben eine Fülle von Themen an, die die Familienpolitik in all ihren Facetten betreffen. Sie werden verstehen, dass wir in diesem Rahmen nur auf einige grundsätzliche Aspekte eingehen können:

Zu Recht weisen Sie darauf hin, dass in Deutschland zu wenige Kinder geboren werden. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Ziel der Politik ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die jungen Paaren die Entscheidung für Kinder erleichtert. Dazu gehört insbesondere, ihnen eine echte Wahlfreiheit bei der Entscheidung zu geben, ob ein Elternteil sich zuhause um die Kinder kümmert oder ob beide Eltern arbeiten. Dafür wurden bereits verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, z.B. das neu eingeführte Elterngeld sowie verschiedene Regelungen im Steuerrecht, die die Eltern steuerlich entlasten sollen (u.a. steuerliche Freibeträge für Kinder zur Sicherung des Existenzminimums, verbesserte Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten). Auch der vom Bundestag beschlossene Ausbau der Kinderbetreuung kommt den Familien zugute, weil die große Mehrheit der Menschen wünscht, Familie und Beruf miteinander zu verbinden.

Schon heute gibt der Staat viel Geld aus, um Kinder und Familien zu unterstützen: Insgesamt gibt es in Deutschland 145 familien- und ehebezogene Leistungen und Maßnahmen mit einem finanziellen Umfang von rund 184 Milliarden Euro. Allein steuerliche Maßnahmen machen rund 42 Milliarden Euro aus. Über 25 Milliarden Euro fließen Familien durch direkte Geldleistungen (z.B. Elterngeld) zu. Weitere 25 Milliarden Euro zahlt der Bund für Leistungen aus dem Bereich der Sozialversicherung z.B. für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der Rente oder die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Jugendlichen in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Im ersten Quartal 2007 ist die Geburtenrate in Deutschland übrigens erstmals seit 30 Jahren nicht weiter gesunken, sondern leicht gestiegen. Ob dies der Beginn einer Trendwende ist, bleibt abzuwarten. Um Familien aber noch zielgerichteter unterstützen zu können, erarbeitet ein „Kompetenzzentrum für familienpolitische Leistungen“ im Auftrag des Bundesfamilienministeriums bis Anfang 2008 weitere konkrete Handlungsempfehlungen.

Mit freundlichen Grüßen