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Beantwortet
Autor Carina Grabow am 18. April 2008
9927 Leser · 376 Stimmen (-3 / +373)

Aktuelles

Veraltertes Staatsangehörigkeitsrecht

Sehr geehrter Herr Dr. Lammert,

der Fall Michael Samir al Ayash hat mich schwer erschüttert. Der 1974 geborene Sohn einer Deutschen und eines Irakers soll in den Irak abgeschoben werden. Bundesinnenministerium, Deutscher Bundestag und das Bundesverfassungsgericht haben diese Menschen- und Frauenrechtsverachtende Entscheidung unterstützt und dies ist ein Skandal!

Michael Samir wird nicht als deutscher Staatsbürger anerkannt, weil am Tag seiner Geburt der §4 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes aus dem Jahr 1913 (!!!!!) galt, wonach eine verheiratete deutsche Mutter ihre Staatsangehörigkeit nicht an ihre Kinder vererben konnte.

Dieser vierte Paragraph des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes ist nach heute gültigem Recht grob verfassungswidrig - trotzdem wird er angewendet. Frauen werden keine vollen StaatsbürgerInnenrechte zuerkannt und es findet eine offensichtliche Ungleichbehandlung und Diskriminierung statt. Ohne Rücksicht auf den Menschen Michael Samir und seine Zukunft werden hier beinahe 100 Jahre alte Gesetze angewendet und niemand in den Kreisen der Regierung sieht hierin ein Problem. Das ist unfassbar!

Ganz konkret möchte Ihnen die Frage stellen, aus welchen Gründen die längst ausstehende Korrektur dieses Gesetztes bislang nicht erfolgt ist. (Die mit Fristen und Regularien verknüpften Änderungen des Jahres 1975 scheinen nicht im Sinne der Betroffenen entworfen und realisiert worden zu sein und stellen aus diesem Grund keine Lösung dieses Problems dar).

Mich ärgert es maßlos ein weiteres Kapitel der bürokratisierten Abschiebetaktiken der Bundesregierung erkennen zu müssen. Eine tolerante Gesellschaft braucht Vorbilder und deutliche Signale Ihrer Regierung.

C. Grabow

+370

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Antwort
aus dem Bundestag am 13. Juni 2008
Bundestagspräsident

Sehr geehrte Frau Grabow,

die Situation von Michael Samir al-Ayash war inzwischen auch Thema im Deutschen Bundestag. Am 28. Mai 2008 erklärte die Bundesregierung in der Fragestunde, dass auch Herr Samir al-Ayash die Möglichkeit der Einbürgerung unter den privilegierten Voraussetzungen hat, die für Abkömmlinge deutscher Staatsangehörige gelten. Inzwischen ist Herr Samir al-Ayash als Flüchtling anerkannt und hat damit einen Aufenthaltstitel erhalten, der ihn zur Einbürgerung berechtigt.

Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 wurde bereits zum 1. Januar 1975 korrigiert, nachdem das Bundesverfassungsgericht 1974 festgestellt hatte, dass diese Regelung mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht vereinbar ist. Seitdem erwirbt das eheliche Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil Deutscher ist, unabhängig davon, ob es sich um Vater oder Mutter handelt. (Mit dem heute geltenden § 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes wurde diese Regelung auch auf nichteheliche Kinder ausgeweitet.)

Für die in der Zwischenzeit geborenen Kinder hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ebenfalls eine Vorgabe gemacht. Es verpflichtete den Gesetzgeber, allen seit dem 1. April 1953 geborenen ehelichen Kindern deutscher Mütter, die bisher vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt ausgeschlossen waren, einen Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu eröffnen. Dementsprechend hat der damalige Gesetzgeber den vor dem 1. Januar 1975 geborenen ehelichen Kindern deutscher Mütter und ausländischer Väter das Recht eingeräumt, durch eine entsprechende Erklärung, die grundsätzlich binnen dreier Jahre abzugeben war, deutsche Staatsangehörige zu werden. Dieses Recht haben weit über 100.000 Menschen auch wahrgenommen.

Mit freundlichen Grüßen

Abteilung Presse und Kommunikation