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Beantwortet
Autor Dennis Weth am 09. Februar 2012
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Gesellschaftliche Fragen

Selbstmord durch Bibel gerechtfertigt?

Sehr geehrter Kardinal Meisner,

letztens kam ich über folgende Bibelstellen;

Mt 18,6 Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.

Mk 9,42 Und wer einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde.

Lk 17,2 Es wäre besser für ihn, dass man einen Mühlstein an seinen Hals hängte und würfe ihn ins Meer, als dass er einen dieser Kleinen zum Abfall verführt.

Heißt dies, wenn jemand andere Menschen aktiv in Gefahr bringen würde, wo er Leib, Seele oder seine Rettung im Himmel zerstört.

Darf dann dieser (ggf. siehe oben) aus christlicher Sicht sich selbst Umbringen?
Da Jesus dies ja selbst gesagt hat.

Denn ich kenn nur die These dass die Kirche Selbstmord generell verbietet, aber Notwehr erlaubt.

In so einen Fall kann man vielleicht auch von Notwehr sprechen, wenn man Angst hat Herr über sich selbst zu sein und andere aktiv und massiv schaden würde in einer großen und schweren Sache.

Wobei derjenige nach seinen Kräften auch Hilfe suchen müsste, da Selbstmord der letzte Ausweg ist.

Gruß

Weth

+51

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Antwort
von Joachim Kardinal Meisner am 02. März 2012
Joachim Kardinal Meisner

Sehr geehrter Herr Weth,

es sind solche Worte Jesu wie das von Ihnen angeführte, in denen man seinen lodernden Eifer für den himmlischen Vater wie auch für das Heil der Menschen über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg spürt. Je größer und tiefer die Frohbotschaft, desto eindringlicher die Warnung, dass man das geschenkte Heil auch wieder verlieren kann! Dies erklärt auch die drastische Formulierung: Wer einen „Kleinen“ - damit ist an dieser Stelle nicht das Kind gemeint, sondern der Jünger Jesu, der Gläubige – in seinem Glauben erschüttert und so dessen ewiges Heil gefährdet, dem drohen schreckliche Konsequenzen. Dieser Schrecken ist so groß, dass es für den Betreffenden sogar noch besser wäre, mit einem Mühlstein (gemäß dem griechischen Urtext mit einem besonders großen und schweren) um den Hals ins Meer versenkt zu werden – obwohl er auf diese Weise nicht einmal mehr ordnungsgemäß bestattet werden kann. Jesus spricht solche Warnungen nicht leichtfertig aus; wir tun gut daran, sie sehr ernst zu nehmen.

Allerdings: Jesus nennt (geschweige denn empfiehlt) die Ertränkung nicht als vorbeugende, das Ärgernis vermeidende Maßnahme, sondern illustriert mit ihr den Ernst der Folgen. Ähnlich gibt Christus ja auch keinen Freibrief für Selbstverstümmelungen, wenn er (bei den Evangelisten Markus und Matthäus) gleich darauf rät, Hand oder Fuß abzuhauen und das Auge auszureißen, falls man durch diese zum Bösen verführt wird (Matthäusevangelium 18,8-9). Die Kirche lehnt vielmehr „direkt gewollte Amputationen, Verstümmelungen oder Sterilisationen“ als Verstoß gegen das sittliche Gesetz ab (Katechismus der Katholischen Kirche 2297). Auch hier dienen die drastischen Worte als stilistisches Mittel, die schlimme Gefahr der Verführung zu Glaubensabfall und Sünde zu verdeutlichen.

Selbstmord ist für uns Christen unter keinen Umständen ein angemessener und richtiger Weg, denn „keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Römerbrief 14,7-8). „Gott ist und bleibt der höchste Herr des Lebens. … Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen“ (Katechismus der Katholischen Kirche 2280). Niemand hat ein stärkeres Zeugnis gegen den Verzweiflungsakt des Suizides abgelegt als Christus selbst, der das unbedingte Vertrauen auf Gott den Vater, die vollständige Geborgenheit in seinem Willen lehrte und lebte. Wer tatsächlich fürchtet, zum Anstoß für seine Mitchristen zu werden, findet in der Kirche vielfältige Hilfen, etwa in Gestalt erfahrener und einfühlsamer geistlicher Begleiter und Beichtväter.

Mit freundlichen Grüßen