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Beantwortet
Autor U. Breidenbach am 13. Februar 2012
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Glauben und Leben

Sind laut Bibel nur Männer vom Aussatz bedroht?

Sehr geehrter Herr Kardinal Meisner

Ich möchte Ihnen, als Präsident der Kommission ECCLESIA CELEBRANS, eine Frage stellen.
Ist diese Kommission auch für die Übersetzung der Lesungen zuständig?

Bei der Vorbereitung meines heutigen Lektoren Dienstes kam mir beim Durchlesen der Ersten Lesung (Lev 13,1-2.43ac.44ab.45-46) folgendes in den Sinn:


Der Aussätzige, der von diesem Übel betroffen ist, soll … den Schnurrbart verhüllen und rufen: Unrein! Unrein!
– Logische Schlussfolgerung: Da Frauen keinen Schnurrbart haben den sie verhüllen könnten, werden sie vom Aussatz nicht heimgesucht! Oder? (-;

Mit freundlichen Grüßen
U. Breidenbach

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Antwort
von Joachim Kardinal Meisner am 23. April 2012
Joachim Kardinal Meisner

Sehr geehrte Frau Breidenbach,

Ihre Frage lässt drei Aspekte erkennen, auf die ich gerne eingehe.

Am einfachsten ist die Ausgangsfrage zu beantworten: Nein, die von der römischen Gottesdienstkongregation eingesetzte Bischöfliche Kommission Ecclesia Celebrans ist allein für die Übersetzung des Messbuchs zuständig. Die Revision der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift wird koordiniert von der Arbeitsgruppe „Bücher der Kirche“, die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzt wurde.

Die Verknüpfung Ihrer Ausgangsfrage mit der alttestamentlichen Lesung des 6. Sonntags im Jahreskreis legt als zweiten Aspekt Ihres Schreibens nahe, dass Sie die besondere Problematik dieser Lesung mit deren Übersetzung in Verbindung bringen. Auf der Ebene des Textes aber ist die Lesung völlig eindeutig, egal ob Sie den hebräischen Urtext, seine lateinische oder seine deutsche Übersetzung wählen. So spricht der ausgewählte Lesungsabschnitt (die sog. Perikope) unstrittig nur von Männern.

Der sich daraus ergebende dritte Aspekt, nämlich die Frage: „Was ist mit den Frauen“, führt zu einem Blick in das gesamte 13. Kapitel des Buches Levitikus, aus dem für die Sonntagslesung nur einige Verse ausgewählt wurden. Die Absicht dieser Auswahl liegt auf der Hand: Als Vorbereitung zum zugehörigen Sonntagsevangelium (Mk 1,40-45), in dem es um die Heilung eines aussätzigen Mannes geht, sind tatsächlich nur Verse gewählt worden, die männlichen Glieder des Volkes Israels betreffen. Hinzu kommt, dass unmittelbar an den von Ihnen besonders zitierten Vers 35 („er soll den Schnurrbart verhüllen“) die sehr deutlich formulierte Quarantäne-Regel anschließt: „Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten“ (Lev 13,36). Auf ihrem Hintergrund wird erst verständlich, unter welchem Leidensdruck der Aussätzige stand, von dem im Evangelium die Rede ist, und welchen Tabubruch er beging, indem er auf Jesus zuging, auf den er alle Hoffnung setzte.
Lev 13 selbst ist ein Kapitel, in dem deutlich wird, dass Israel Glaube und Theologie nicht voneinander trennte. Heilssorge ist auch Leibsorge. Da medizinische Mittel gegen den Aussatz nicht zu Gebote standen und Heilung ja noch bis in das vorletzte Jahrhundert nicht exisitierte (ich verweise auf den Lepratod des Sel. Damian de Veuster als Apostel der Leprakranken auf der Insel Molokai im Jahr 1889), galt es wenigstens, die Lebensgemeinschaft der nicht Erkrankten vor einer Seuche zu schützen. Hier hilft nicht einfach Beten und Opfern, sondern den Erkrankten wird der Zugang auch zum Heiligtum untersagt – zum Schutz des Volkes Israel. Dass der Aussatz Männer wie Frauen gleichermaßen befallen konnte und befiel, wusste man auch schon zur Zeit Israels, weshalb die Verse 29 und 38 desselben 13. Kapitels ausdrücklich Männer und Frauen als Kranke nennen. Gerade das Buch Levitikus nimmt die Erfassung aller denkbaren Fälle, die zur Unreinheit führen könnten, sehr genau und differenziert nach den Geschlechtern (vgl. Kap. 15, 1-18: Männer, Kap 15,19-33: Frauen) oder nennt eben beide ausdrücklich, wie in den o. g. Fällen. Dass diese beiden Verse nun ausgerechnet nicht in der Lesung vorkommen, hat mit der konkreten Auswahl zu tun. Der Gesamtduktus des Kapitels macht aber damit übrigens klar, dass die Quarantäneregel (V 46), obwohl nach einem speziell die Männer betreffenden Fall stehend, Männer wie Frauen gleichermaßen galt und auch so angewendet wurde.

In diesem Zusammenhang würde ich Ihnen gerne einen Rat geben, der zugleich allen Lektorinnen und Lektoren hilfreich sein kann: Wenn eine Lesung unverständlich oder missverständlich zu sein scheint, kann es manchmal schon eine ganz einfache Hilfe sein, einmal das ganze Kapitel zu lesen, aus der sie genommen ist. Das ist zugleich eine gute innere geistliche Vorbereitung auf den wertvollen Lektorendienst in der Heiligen Messe.

Mit freundlichen Grüßen
+ Joachim Kardinal Meisner