Sehr geehrter Herr Müller,
„damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“ Mit diesen Worten hat Papst Johannes Paul II. ein für allemal und verbindlich die Frauenordination ausgeschlossen (Apostolisches Schreiben Ordinatio sacerdotalis, 1994, n. 4).
Weder diese Festlegung noch die vorangehenden Absätzen enthalten eine inhaltliche Begründung für diese Regelung. Frauen sind nicht etwa von der Weihe ausgeschlossen, weil sie weniger kompetent, wert oder würdig wären als Männer, sondern einzig und allein deshalb, weil weder die Praxis Jesu noch die kirchliche Tradition der Kirche dazu ermächtigen, Frauen zu weihen. Christus scherte sich nicht um die ungeschriebenen Gesetze und Tabus seiner Zeit, wenn diese dem Willen des Vaters widersprachen; teilweise wies er sie sogar schroff als „Menschensatzungen“ zurück (vgl. Markusevangelium 7,7-8). Warum er dennoch keine von den Frauen, die ihm nachfolgten und dienten, zu „Apostelinnen“ machte, ist uns schlichtweg nicht geoffenbart. Nachträgliche Interpretationen – etwa die der Erklärung Inter insigniores zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt von 1976 – liefern zwar teilweise sehr fundierte Hypothesen, aber keine authentischen, verbindlichen Begründungen. Die von Ihnen genannte These ist somit ebenso wie der Versuch ihrer Widerlegung zwar nicht uninteressant, aber letztlich von nachrangiger Bedeutung für das eigentliche Problem der Frauenordination.
Nun zu dem Gegenargument: Natürlich sprechen wir von der Menschwerdung Christi – nicht von seiner Mannwerdung. Zugleich aber gibt es den Menschen nun einmal in der Regel nur in seiner fundamentalen Prägung als Mann oder als Frau. Vor allem jedoch vernachlässigt der Widerlegungsversuch die Brautsymbolik und –mystik, die sich durch die gesamte Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte zieht und deren Wurzeln sich bis zu den alttestamentlichen Propheten erstrecken, die das Verhältnis von Gott und Israel in das Bild der Ehe kleiden. Christus selbst bezeichnet sich in übertragener Rede gerne als Bräutigam (Markusevangelium 2,19; Matthäusevangelium 22,1-14; Johannesevangelium 3,29). Der heilige Paulus vergleicht die Gemeinde in Korinth mit einer jungfräulichen Braut, die Christus als ihrem Bräutigam verlobt ist (2. Korintherbrief 11,2). In der Schule des Apostels lernen wir dann ganz deutlich, dass die christliche Ehe „ein tiefes Geheimnis“ ist; „ich beziehe es auf Christus und die Kirche“ (Eph 5,32). Schließlich ist auch in der Darstellung der Geheimen Offenbarung des Johannes die Kirche die Braut, die gemeinsam mit dem Heiligen Geist ihrem Bräutigam Jesus zuruft: „Komm!“ (22,17).
Für die Symbolik von Braut und Bräutigam ist das Mannsein Jesu tatsächlich von konstitutiver Bedeutung. Das aber kann wiederum nicht ohne Folgen bleiben, wenn wir mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sagen, dass der Priester – insbesondere bei der Eucharistiefeier - in der Person Christi, des Hauptes, handelt, und dabei nicht nur Teil der Gemeinde ist, sondern ihr auch gewissermaßen gegenübersteht – eben wie Christus, der Bräutigam, den der Priester vergegenwärtigt, seiner Braut, der Kirche, gegenübersteht. Dieses Verhältnis ist wesensmäßig verschieden von der Vergegenwärtigung Christi, wie sie durch jeden Getauften geschieht.
„Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue“: Dieses Wort Gottes aus dem Mund des Propheten Hosea (2,21-22) soll der Priester durch sein Wirken und Lehren, ja durch sein ganzes Leben verkörpern, zu dem seine Existenz als Mann untrennbar hinzugehört.
Mit freundlichen Grüßen