Sehr geehrte Frau Dr. Willkomm,
ich danke Ihnen sehr für Ihr mit Engagement vorgetragenes Anliegen und Ihren Einsatz für die Mädchenschule. Es ehrt Sie, dass Sie als – wie Sie schreiben – „ehemalige Ursuline“, also als ehemalige Schülerin des Kölner Ursulinen-Gymnasiums, sich noch so intensiv für die Belange Ihrer ehemaligen Schule interessieren und einsetzen.
Und Sie haben Recht, wenn Sie sagen die Kölner Ursulinenschule sei „ein sehr gut funktionierendes System“. Dies ist mir aus eigener Anschauung und aus dem intensiven Dialog mit den Schulleitungen und dem Schulseelsorger dieser Schule bekannt und bewusst.
Dass das Erzbistum Köln dennoch seit dem laufenden Schuljahr in den Realschulzweig der Kölner Ursulinenschule auch Jungen aufnimmt, ist eine Entscheidung, die ich als Erzbischof und damit als derjenige, der letztverantwortlich alle Entscheidungen in unserem Erzbistum trifft, bewusst getroffen habe.
Der Vorwurf, die katholische Kirche würde hier „wieder die Frauen bzw. die Mädchen benachteiligen“, geht am Kern der Sache vorbei. Der besondere Wert der Mädchenerziehung liegt darin, dass hier Mädchen in besonderer Weise gestärkt werden. Dieser Aspekt soll in der Ursulinen-Realschule voll und ganz erhalten bleiben, da dort nach wie vor Mädchen und Jungen in getrennten Klassen und nach pädagogischen Konzepten unterrichtet werden, die ihnen entsprechen. Kein einziges Mädchen muss abgelehnt werden, da die bisherige Zweizügigkeit der Ursulinen-Realschule durch einen dritten Zug für Jungen ergänzt wird, die Zahl der Plätze für Mädchen also völlig gleich bleibt.
Drei Gründe haben mich zur Einführung der sogenannten „Bi-Edukation“, also der getrennten Beschulung von Mädchen und Jungen an einer Schule, bewogen.
Erstens hat das Erzbistum Köln dieses Modell vor vier Jahren am Erzbischöflichen Clara-Fey-Gymnasium in Bonn-Bad Godesberg eingeführt. Der große Erfolg dieses Konzepts, das auch wissenschaftlich begleitet und evaluiert wird, hat uns überzeugt.
Zweitens konnten wir als katholische Kirche auf dem Gebiet der Stadt Köln bisher kein einziges Angebot für Jungen machen, die eine Schule in unserer Trägerschaft besuchen möchten, ihren Weg aber nicht am Gymnasium sehen. Auch Jungen bedürfen, das zeigt die aktuelle pädagogische Diskussion, der Stärkung.
Der dritte Grund hängt mit dem zweiten zusammen: Hier geht es um die Zusammenarbeit der Kölner Schulen mit der Dommusik. Während die gymnasial geeigneten Mitglieder des Kölner Domchores nach ihrer Grundschulzeit an der Kölner Domsingschule eine Heimat an der Liebfrauenschule finden konnten, mussten die anderen an öffentliche Schulen verwiesen werden.
Seit dem laufenden Schuljahr machen wir Erfahrungen mit dem neuen Konzept. Am Anfang des Schuljahres habe ich das ausgesprochen gelungene und ansprechende neue Gebäude der Ursulinen-Realschule eingeweiht, in das dann die erste Jungenklasse zusammen mit zwei Mädchenklassen eingezogen ist. Sicher wird sich der Schulalltag der Ursulinenschule dadurch verändern, aber genauso zuversichtlich bin ich, dass wir im Sinne der Hl. Angela Merici, der Gründerin des Ursulinenordens, gehandelt haben. Von ihr ist der Satz überliefert: Handeln, wie der Geist es eingibt. Weitergeben, was Jesus lehrt. Auf bewährten Wegen Neues wagen. Nichts anderes haben wir mit diesem neuen Weg versucht und hoffen, dass es mit der Hilfe des Hl. Geistes gelingt!
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Kardinal Meisner