Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Manja Steffens am 01. November 2008
11631 Leser · 415 Stimmen (-19 / +396) · 0 Kommentare

Familienpolitik

Kinder

Sehr geehrter Herr Platzeck,

ich habe einen 4-jährigen Sohn. Leider habe ich in diesem Land einige Probleme. Nun meine Frage:

Warum ist Brandenburg bzw. Deutschland so kinderunfreundlich?
Warum dürfen bei uns Kinder erst ab 3 Jahre die Kita besuchen, obwohl es in anderen Bundesländern anders ist?

Über ein baldige Antwort von Ihnen würde ich mich freuen.

Viele liebe Grüße

Manja Steffens

+377

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Matthias Platzeck am 07. Februar 2009
Matthias Platzeck

Sehr geehrte Frau Steffen,

vielen Dank für ihren Eintrag auf diesem Portal. Leider kann ich Ihren Zeilen nicht entnehmen, welche konkreten Erfahrungen Sie als Mutter eines vierjährigen Sohnes zu dem Schluss kommen lassen, Brandenburg bzw. Deutschland seien kinderunfreundlich. Dennoch nehme ich Ihre Wahrnehmung ernst, denn es ist ein ernstes Thema.

Kinder, die glücklich heranwachsen und gefördert werden, heranwachsende junge Menschen, die gut ausgebildet sind und einen Beruf erlernen oder studieren, wünscht sich jede Familie. Diesem Anliegen sind alle, die bei uns in Brandenburg am Kabinettstisch sitzen, verpflichtet. Ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung alles Machbare tut, um Kinder und Familien im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten zu fördern.

Was heißt das im Einzelnen? 2004 sind wir mit einem Regierungsprogramm angetreten, in dem die Forderung „Kein Kind zurücklassen – gute Bildung für alle und von Anfang an“ einen besonderen Schwerpunkt bildet. Brandenburg zeichnet sich heute durch ein hohes Kindertagesbetreuungsangebot aus. Kinder ab dem dritten Lebensjahr haben seit jeher einen Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung und seit dieser Legislaturperiode haben auch die unter Dreijahren einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz oder auf Tagespflege, wenn die Eltern berufstätig oder arbeitsuchend sind. Das gilt natürlich auch für Sie!

Bereits in der Altersgruppe der 0 bis 3-Jährigen hat Brandenburg inzwischen eine Betreuungsquote von rund 42 Prozent, bei den 3 bis 6-jährigen sind es 97 Prozent. Das sind Spitzenwerte in Deutschland! Und insofern kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Sie in anderen Bundesländern noch sehr viel umfangreichere Kita-Angebote vorfinden. Das Land stellt erhebliche finanzielle Mittel für die Kindertagesbetreuung bereit. Jährlich werden die Träger von Kindertagesstätten mit 132 Millionen Euro unterstützt, ab 2009 werden die Ausgaben trotz der wirtschaftlich schlechten Lage auf 148 Millionen Euro aufgestockt. Das sind öffentliche Mittel, die im knapp bemessen Haushalt des Landes jedoch gut eingesetzt sind, dazu stehe ich.

Seit 2005 hat die Landesregierung mit dem familienpolitischen Programm „Familien und Kinder haben Vorrang“ eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, für die zusätzlich 3,5 Millionen Euro bereit gestellt wurden. Die Gesundheitsvorsorge erreicht durch die verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen, die Netzwerke gesunde Kinder, durch Programme für Bewegung und gesunde Ernährung einen größeren Stellenwert als bisher. Wir wissen, dass der Grundstein für die Persönlichkeitsentwicklung in den frühen Jahren der Kindheit gelegt wird. Deshalb wurde in Brandenburg viel getan, um eine familienfreundliche Infrastruktur und ein zeitgemäßes Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsangebot zu schaffen. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Kitas ist gesetzlich verankert, die Sprachstandserhebung und -förderung im Jahr vor dem Schuleingang wurde verbindlich geregelt und insgesamt 4 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Eltern-Kind-Zentren und lokale Bündnisse für Familien geben Unterstützungsangebote, ein umfangreiches Qualifizierungsprogramm für Erzieherinnen und Erzieher wurde in Gang gebracht.

Durch Kindergelderhöhung, Elterngeld und Elternzeitregelungen trägt auch der Bund zur Entlastung von Familien bei. Mit einem Investitionsprogramm und dem Kinderförderungsgesetz hat er die Länder in den vergangenen Jahren mit erheblichen Mitteln unterstützt. Und um wirtschaftliche und soziale Verwerfungen durch die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise aufzufangen bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen, hat er zwei Konjunkturpakete beschlossen, die, wenn sie die parlamentarischen Gremien passiert haben, weitere Investitionsmittel für den Ausbau von Kindertagsstätten, Schulen und öffentlichen sozialen Einrichtungen auch in Brandenburg möglich machen.

Sehr geehrte Frau Steffen, trotz der von Ihnen beschriebenen öffentlichen Wahrnehmung gab und gibt es in den letzten Jahren einen radikalen Wertewandel: Kinder und Familien erfahren deutlich mehr Aufmerksamkeit. Und das nicht nur in der Politik. Wenn wir Deutschland dennoch als kinderunfreundlich erleben, ist das in erster Linie ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht allein von der Politik gelöst werden kann. Jeder Bürger, jede Bürgerin hat es durch sein Tun täglich in der Hand, Kinderfreundlichkeit zu leben. Wir alle müssen unseren Anteil dazu beitragen, Kinder als das Wertvollste zu begreifen, was uns das Leben schenkt.

Mit freundlichen Grüßen