Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Werner Guth am 20. Januar 2009
11048 Leser · 136 Stimmen (-0 / +136) · 0 Kommentare

Soziales

Anrechnung von Zinsen im Bereich SGB II

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Sie und ihre Partei sind Verfechter und Initiator der 2005 in Kraft getretenen Arbeitsmarktreform. Gestatten sie in diesem Zusammenhang einige Fragen. Meine Frau Langzeitarbeitslose und ich Rentner wegen Erwerbsunfähigkeit sind eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft nach SGB II. Nun haben wir vernünftigerweise ein Sparkonnto aus besseren Zeiten, das jedes Jahr Zinsen abwirft( Zweck des Sparens). Diese Zinsen werden uns jedes Jahr auf unseren Regelsatz angerechnet, mit der Begründung es sei Einkommen. Welcher vernünftige Mensch holt jedes Jahr die Zinsen von seinem Konto? Nun Frage ich sie, da sie, wie auch meine Familie von Steuermitteln leben, ob nicht bei allen steuerfinanzierten Einkommen so verfahren werden könnte? Besser wäre der Gesetzgeber würde entscheiden das Zinsen aus Schonkonten kein Einkommen sind.

Vielleicht könnten sie sich dafür verwenden.

Hochachtungsvoll

Werner Guth

+136

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Matthias Platzeck am 31. März 2009
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Guth,

Sie können sicher sein, die Schilderung von Einzelschicksalen von Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit oder Erwerbsminderung lässt mich nicht kalt. Ihre Zeilen haben mich nachdenklich und betroffen gemacht. Lassen Sie mich deshalb auch etwas ausführlicher ausholen. Ja, Sie haben recht, ich war und bin der Meinung, dass es richtig war, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzuführen. Dahinter stand der für mich noch heute richtige Ansatz, dass auf dieser Basis mehr Menschen in die Arbeitsvermittlung einbezogen und gefordert werden, um schließlich wieder in Lohn und Brot zu kommen. Denn darum, sehr geehrter Herr Guth, geht es letztlich. Ich hoffe und wünsche von Herzen, dass auch Ihre Frau früher oder später eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt erhält, die es Ihnen gemeinsam ermöglicht, finanziell sorgenfreier in die Zukunft zu blicken.

Doch nun zu Ihrem konkreten Anliegen: Sie fragen, warum Ihnen Zinsen aus Ihrem Sparguthaben auf den so genannten Hartz-IV-Regelsatz angerechnet werden und schlagen vor, Zinsen aus geschütztem Vermögen wie etwa vom Sparbuch bei der Berechnung der Leistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Dazu ist es nötig, etwas zur Philosophie der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu sagen. Ich tue dies, um bei Ihnen etwas Verständnis für das Handeln des Gesetzgebers zu wecken. Bei dieser Grundsicherung handelt es sich um ein steuerfinanziertes Sozialleistungssystem. Es umfasst – wie der Name vermuten lässt - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Dieses Sicherungsnetz setzt grundsätzlich erst dann ein, wenn Menschen ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht mehr aus eigenen Mitteln bestreiten können, also hilfebedürftig sind.

Dies, sehr geehrter Herr Guth, ist der Grund, warum bei der Auszahlung einer solchen Leistung auch Vermögensgegenstände berücksichtigt werden. Auch dafür gibt es gute Gründe. Der Gesetzgeber hat zugunsten der Allgemeinheit, die ja mit ihren Steuerzahlungen das Geld für die Grundsicherung Bedürftiger aufbringt, abgewogen.

Der Gesetzgeber hat in diesem Sinne festgelegt, dass Zinsgutschriften aus einem Sparguthaben als Einkommen des Hilfebedürftigen bei Hartz-IV-Leistungen berücksichtigt werden. Allerdings: Bis zu einem Betrag von 50 Euro jährlich werden auch solche Gutschriften nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet. Und es gibt weitere Festlegungen, die den Betroffenen im – zugegeben – geringem Umfang die vorhandene Lebensgrundlage und die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit erhalten sollen. So steht beispielweise Hilfebedürftigen, die vor dem 01. Januar 1958 geboren sind, ein allgemeiner Vermögensfreibetrag von 9.750 Euro zu. Geschützt ist außerdem Vermögen, das der Altersvorsorge dient und erst beim Eintritt in den Ruhestand verwertet werden kann. Bei Vermögen, das der Altersvorsorge dient, sind auch die Zinserträge aus diesem Vermögen geschützt, da auch sie dem Zweck der Altersvorsorge dienen.

Sehr geehrter Herr Guth, mir ist bewusst, dass meine Argumente Sie womöglich nicht restlos überzeugen können. Ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass sich der Gesetzgeber hier in einem schwierigen Abwägungsprozess befand und befindet.

Mit allen guten Wünschen für Ihre Frau und für Sie

Mit freundlichem Gruß