Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Tobias Helbig am 20. Oktober 2009
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Vorhaben, Vorschläge und Ideen

Eintragungsbedingungen für Volksbegehren

Sehr geehrter Herr Platzek,

ich habe folgende Frage zu den Eintragungsbedingungen für Volksbegehren in Brandenburg:

In Brandenburg fanden bisher sieben Volksbegehren statt. Trotz eines niedrigen Unterschriftenquorums von vier Prozent und einer moderaten Eintragungsfrist von vier Monaten gelang es in Brandenburg noch nie ein Volksentscheid zu initiieren.

Ist der Grund vielleicht der, dass es in Brandenburg nicht die Möglichkeit der freien Unterschriftensammlung gibt?

Brandenburg ist das einzige ostdeutsche Bundesland mit Amtseintragung. Die Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs können sich ausschließlich in ihren Meldeämtern für ein Volksbegehren eintragen. Im bundesweiten Vergleich erkennt man, dass die Amtseintragung die Erfolgschancen für ein Volksbegehren drastisch reduziert.
In Bundesländern mit freier Sammlung kommt ein Volksentscheid leichter und auch häufiger zustande.
In Brandenburg wirkt sich die Amtseintragung aufgrund der Struktur als dünn besiedeltes Flächenland mit vielen Berufspendlern außerdem noch besonders negativ aus.

Wäre es da nicht eine logische Schlussfolgerung, dass man in Brandenburg die freie Unterschriftensammlung einführt?
Ohne diese Möglichkeit ist das direktdemokratische Instrument Volksbegehren in Brandenburg de facto kaum anwendbar.

Über eine baldige Antwort würde ich mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Tobias Helbig

+119

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Antwort
von Matthias Platzeck am 19. Januar 2010
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Helbig,

zunächst: Ich habe mich sehr über Ihre Meinungsäußerung zum Thema direkte Demokratie gefreut. Unser Gemeinwesen lebt vom Mitdenken und Mittun seiner Bürgerinnen und Bürger. Auch Politik kann nur erfolgreich sein, wenn sich möglichst viele Menschen einbringen und Entscheidungsprozesse begleiten. Deshalb betrachte ich die Möglichkeiten der so genannten direkten Demokratie als eine wichtige Form der politischen Meinungsbildung in unserem Land. Sie thematisieren Fragen, die die Menschen umtreiben, befördern den öffentlichen Diskurs und sind deshalb wertvoll für unsere Demokratie.

Doch nun, sehr geehrter Herr Helbig, zu Ihrem konkreten Anliegen. Sie haben recht, Brandenburg ist mittlerweile das einzige ostdeutsche Bundesland, im dem bei Volksbegehren die Menschen ausschließlich ihre Stimme in Ämtern abgeben können und eine freie Sammlung der Unterstützungsunterschriften nicht vorgesehen ist. Nun wurde in der Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und der Partei DIE LINKE vereinbart, die Regelungen zur Volksabstimmung in unserem Bundesland zu überprüfen. Ich bitte jedoch um Verständnis dafür, dass ich den Ergebnissen dieser Überprüfung wie auch einer künftigen Ausgestaltung der Brandenburger Regelungen nicht vorgreifen kann.

Lassen Sie uns an dieser Stelle aber einmal über unsere Landesgrenzen hinaus blicken. Ein Vergleich weist aus, dass Brandenburg derzeit mit 3,76 % der Wahlberechtigten das geringste Quorum für Volksbegehren aufweist. Die Unterstützungsunterschriften müssen binnen vier Monaten in amtlichen Räumen der Gemeinden und Ämter geleistet werden. Vergleichsweise niedrige aber auch schon deutlich höhere Quoren gelten in Bremen und Hamburg mit jeweils fünf Prozent bei 3 Monaten Eintragungsfrist und freier Unterschriftensammlung, in Schleswig-Holstein, wo ebenfalls fünf Prozent allerdings binnen sechs Monaten in Ämtern zustimmen müssen, und in Berlin mit sieben Prozent, die in vier Monaten in freier Unterschriftensammlung zusammen kommen müssen.

Die deutschlandweit höchsten Quoren gelten dagegen in Baden-Württemberg mit mehr als 16 Prozent der Wahlberechtigten bei nur 14 Tagen Eintragungsfrist auf den Ämtern. In Bayern müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten binnen 14 Tagen per Amtseintragung zusammenkommen. In Hessen und im Saarland sind sogar jeweils 20 Prozent bei jeweils 14 Tagen Eintragungsfrist in den Ämtern gefordert.

Sie sehen, sehr geehrter Herr Helbig, die Regelungen in den einzelnen Bundesländern sind sehr unterschiedlich und Brandenburg steht ganz gut da. Gerade deshalb ist es wichtig, bei der anstehenden Überprüfung des Gesetzes unsere eigenen bisherigen langjährigen Erfahrungen und auch die anderer Länder gründlich zu analysieren und mit einzubeziehen.

Mit freundlichem Gruß