Liebe Nutzer, auf dieser Plattform können keine Beiträge mehr eingestellt und darüber abgestimmt werden und es werden keine Antworten mehr erfolgen. Die Amtszeit von Harald Wolf als Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen hat am 24. November 2011 geendet, er steht folglich nicht mehr zur Beantwortung Ihrer Beiträge zur Verfügung. Bereits veröffentlichte bzw. beantwortete Beiträge stehen jedoch auch weiterhin zu Ihrer Information zur Verfügung.

Beantwortet
Autor L. Fernández Vidaud am 21. Mai 2009
8767 Leser · 0 Kommentare

Aktuelles

Erweiterung des Art. 3(3) Satz 1 GG -- Benachteiligungsverbote

Sehr geehrter Herr Wolf,

ich stelle Ihnen diese Frage in Ihrer Eigenschaft sowohl als Bürgermeister als auch als Mitglied des Bundesrates.

Gestern besuchte ich den Rechtsausschuß – das erste Mal, das ich eine Ausschußsitzung besucht habe – und konnte beobachten, wie die Abgeordneten sind und welche Themen sie erörtern. Und die Neigung dort ist, daß sie nicht als „echte Gesetzgeber“ handeln – das überlassen sie dem Senat –, sondern daß sie bemüht sind, den Senat aufzufordern, welches Verhalten er im Bundesrat einnehmen soll.

Diesmal ging es um die Erweiterung des Art. 3(3) Satz 1 GG um die sexuelle Identität – vgl. Drs. 16/0509. Es fiel mir schwer, die Bestrebung nachzuvollziehen, weswegen das Abgeordnetenhaus konservative und christlich fundamentalistisch geprägte Länder wie Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern unbedingt zwingen will, daß sie aufhören, homosexuelle Frauen und Männer zu benachteiligen. Darin sah ich eine hegemoniale Bestrebung, denn mit Berlin alleine haben die Abgeordneten allerhand zu tun. Darauf sollen sie demzufolge ihren Schwerpunkt setzen.

Inzwischen ist eine Föderalismusreform eingetreten. Das, was die Kommentare als „Homogenitätsklausel“ bezeichnet haben, gilt heutzutage als „Heterogenitätsklausel“. Die Losung heißt nunmehr „Vielfalt tut gut“, Gleichschaltung schadet der Nation, der Republik und der Bürgerschaft.

Was sagen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen

Luis Fernández Vidaud

Antwort
von Harald Wolf am 27. Juli 2009
Harald Wolf

Sehr geehrter Herr Fernández Vidaud,

vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit und Ihre kritischen Anmerkungen zum bundesweiten Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität.

In der Sache ist es so: Artikel 10 der Verfassung von Berlin schützt bereits seit 1995 vor Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität. Mit Ihrem Einwand, dass „Vielfalt gut tut“ haben Sie zwar grundsätzlich recht; allerdings darf es beim Schutz von Menschenrechten - auch nach bindenden europa- und völkerrechtlichen Vorgaben - keine Vielfalt in Form von Diskriminierung geben. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das bundesweit vor Diskriminierung auch wegen der sexuellen Identität schützt, zeigt dies deutlich.

Eine Verankerung des Verbots, wegen der sexuellen Identität diskriminiert zu werden, im Grundgesetz ist überfällig. Wenn Sie sich weiter zu dem Thema Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität informieren möchten, empfehle ich Ihnen die Internet-Seiten der Antidiskriminierungsstelle des Landes Berlin, die Sie über die zuständige Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales finden (www.berlin.de/lb/ads/ ).

Was den von Ihnen angesprochenen Vorgang angeht: Gesetzgebungsinitiativen können auf Bundesebene auch vom Bundesrat ausgehen. Eine solche Initiative des Bundesrates – angestoßen durch das Land Berlin – war bereits Ziel des von Ihnen erwähnten Antrages aus dem Jahr 2007 und wurde aktuell auf einen Antrag der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen (Drs. 16/2518) vom Abgeordnetenhaus Berlin am 25. Juni 2009 beschlossen. Nach dem Willen des Parlamentes ist der Senat des Landes Berlin nun aufgefordert, eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Erweiterung des Art. 3 Abs. 3 GG um das Merkmal „sexuelle Identität“ einzureichen.

Eine - wie Sie meinen - „hegemoniale Strebung“ läge darin nicht, wenn die übrigen Bundesländer die Gelegenheit erhalten, eine solche politische Initiative zu unterstützen. Letztlich können – da es um eine Änderung der Verfassung auf Bundesebene geht – nur der Bundestag und der Bundesrat mit entsprechenden Mehrheiten eine solche Erweiterung der Verfassung beschließen. Eine entsprechende Initiative im Bundesrat ist ein wichtiger politischer Anstoß für das Vorhaben, die Lücke im Diskriminierungsschutz auf Bundesebene zu schließen.

Mit freundlichen Grüßen

Harald Wolf