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Abstimmungszeit beendet
Autor L. Fernández Vidaud am 24. August 2009
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Aktuelles

Ist das Berliner Wahlrecht -- sowie das Bundeswahlrecht -- auch verfassungswidrig?

Sehr geehrter Herr Wolf,

aufgrund mehrerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist das geltende Wahlrecht nicht nur verfassungswidrig, sondern auch willkürlich. Das liegt daran, weil dieses Wahlrecht das negative Stimmgewicht enthält, welches einerseits die Stimmgleichheit, andererseits die Unmittelbarkeit sowie die Freiheit der Wahlen verletzt.

Inzwischen ist keiner richtig auf Bundesebene „tätig“, um das geltende Wahlrecht durch ein verfassungsfreundliches Wahlrecht zu ersetzen. Sieben Monate nach Verkündung des Urteils vom 03.07.09 brachten die Grünen einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein. Nachdem das Gesetz in den Bundestag eingebracht wurde, dauerte es weitere 5 Monate, bis die Sache, die nicht gerade unwichtig ist, im Plenum abgehandelt wurde. Der Gesetzentwurf wurde aus Trägheitsgründen abgelehnt. Verdächtig ist dabei, daß nur die Grünen einen Gesetzentwurf eingebracht haben. Warum nicht die anderen Parteien?

Auf der Ebene der Länder wurde von den Politikern nichts veranlaßt, obwohl es sich dabei um den gleichen Wahlfehler handelte, der in den 16 Wahlgesetzen der Länder auftritt.

Unter diesen Umständen frage ich mich, wie viele Politiker sich an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden fühlen und dabei Art. 20(3) GG sowie Art. 2(1) GG beachten. Es sieht so aus, daß nur eine kleine Minderheit unter den Abgeordneten und den Regierungsmitgliedern das Gebot einhalten, sich an die verfassungsmäßige Ordnung binden zu lassen.

Denn u.U. ist auch die Wahl zum 16. Abgeordnetenhaus von Berlin fehlerhaft, was zur Folge haben könnte, daß der falsche Senat an der Regierung sitzt. Denn der Senat regiert aufgrund einer hauchdünnen Mehrheit im Parlament.

Zum Thema Bundeswahlrecht hat sich Frau Dr. Dagmar Enkelmann im Bundestag wie folgt geäußert (vgl. S. 26157 A und B, Plenarprotokoll vom 03.07.09 unter BT-Drs. 16/231):

„Das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bis 2011 Zeit gelassen. Aber bei gutem politischen Willen wäre es möglich gewesen, zu einer Neuregelung noch in dieser Wahlperiode zu kommen. Diesen guten politischen Willen spreche ich einer Mehrheit in diesem Hohen Hause ab. …

Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich gemacht, daß das negative Stimmgewicht, das dort entsteht, den Wählerwillen tatsächlich deutlich verfälschen kann. Ich finde, das ist ein eindeutiges Warnsignal an die Politik. Aber die Koalition hat keinen Bedarf für eine Änderung gesehen. Die internen Gespräche, die Sie [d.h. die Koalitionsparteien] angeblich geführt haben, helfen auch nicht darüber hinweg. Der Bedarf ist nicht erkannt worden. Hier ist nicht gehandelt worden.“

Ich meine, der Gesetzgeber und die Regierung müssen selbst auf die Idee kommen, daß eine Bereinigung des Wahlrechts Not tut, ohne daß sie vom Gericht gezwungen werden, diese zu veranlassen. Auch das Parlament ist ein Staats- und Verfassungsorgan, das souverän handeln darf. Das Gericht muß dem Parlament das nahelegen, was ohnehin selbstverständlich ist.

Darum frage ich Sie: Wann ist mit einer Bereinigung des Berliner Landeswahlgesetzes zu rechnen?

Mit freundlichen Grüßen

Luis Fernández Vidaud