Sehr geehrter Herr Weingartshofer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Das Thema der Erdverkabelung wird momentan vielerorts rege diskutiert.
Grundsätzlich müssen wir beim Thema Erdverkabelung nach Leitungs- und Spannungsebenen unterscheiden. Während Kabel in der Niederspannung und Mittelspannung verbreitet Einzug gehalten haben, werden in der 110-kV-Ebene und höher noch vorwiegend Freileitungen gebaut. Der Grund hierfür sind zum einen die hohen Kosten der Verkabelungen in den höheren Spannungsebenen, zum anderen die geringere Verfügbarkeit der Kabelanlagen.
Bei der Frage der Kosten kommt es darauf an, von welchen Erdkabelprojekten wir sprechen. Ein wesentlicher Faktor sind die Tiefbauarbeiten. In den niedrigeren Spannungsebenen (beispielsweise städtische Verteilnetze), in denen die Erdverkabelung bereits „Routine“ ist, verfügen die Betreiber und Bauunternehmen über eine entsprechend große Expertise und die Verfahren beim Bau und Betrieb sind schon sehr ausgereift. Im Bereich der Höchstspannung (380 kV) im Wechselstrom gibt es bei den Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland bislang nur wenig Erfahrungen in der Umsetzung solcher Projekte. Die Baumaßnahmen sind zudem deutlich umfänglicher.
Derzeit befindet sich das Pilotprojekt Erdkabel Raesfeld von Amprion als Teilverkabelung auf der Strecke zwischen Wesel (NRW) und Meppen (Niedersachsen) kurz vor dem Abschluss. Die Kosten dieses 3,4 Kilometer langen Abschnitts, der hauptsächlich über landwirtschaftliche Flächen verläuft, liegen im Vergleich zu einer Freileitung beim Faktor von rund sechs zu eins. Dies stellt einen deutlich höheren Kostenfaktor dar.
Die Dimensionen einer Erdkabelbaustelle im Höchstspannungsbereich sind zudem erheblich: In Raesfeld lag die Baustellenbreite bei über 40 Meter, der Kabelschutzstreifen ist 25 Meter breit. Eine Leitung in die Erde zu legen, kann zwar punktuell für eine bessere Akzeptanz des Netzausbaus sorgen. Angesichts des baulichen Eingriffs sehen aber vor allem die betroffenen Landwirte eine solche Maßnahme mit Skepsis.
Erdkabel haben heute einen wesentlichen Nachteil gegenüber Freileitungen. Es dauert deutlich länger, eventuelle Störungsstellen zu lokalisieren, zu beheben und das Kabel wieder in Betrieb zu nehmen. Auch ist eine automatische Wiedereinschaltung nach einpoligen Kurzschlüssen, wie sie derzeit bei Freileitungen im Einsatz ist, nicht sinnvoll. Somit ist auch die Gesamtverfügbarkeit der Kabelanlagen gegenüber einer Freileitung deutlich geringer.
Die vom Bundesgesetzgeber geplante Ausweitung der Pilot-Projekte in der Erdverkabelung begrüßen wir ausdrücklich, da sie uns wichtige Erkenntnisse über die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Kabeltechnologie auf der Höchstspannungsebene liefern – ohne die Systemsicherheit unseres Netzes zu gefährden.
Eines ist uns wichtig: Erdkabel im Höchstspannungsnetz sind noch nicht Stand der Technik. Ihr Einsatz und Betrieb birgt eine Reihe von Herausforderungen. Bevor wir diese Technologie also weiträumig einsetzen, müssen wir sicher sein, dass sie zuverlässig funktioniert.
Wir hoffen, dass wir Ihnen Ihre Fragen beantworten konnten.
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Wiede