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Autor Dieter Müller am 03. Juni 2013
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Glauben und Leben

Zwölferkreis - Apostelkreis - Bischofskollegium

Sehr geehrter Herr Kardinal Meisner,

wenn wir von den "zwölf Aposteln" sprechen, meinen wir gemeinhin die zwölf Männer, die Jesus in seine Nachfolge gerufen hat und mit denen er auch das letzte Abendmahl gefeiert hat. In den Paulusbriefen begegnen wir aber einem etwas anderen Verständnis von Apostel. In 1 Kor 15,3-7, wo Paulus über Erscheinungen des auferstandenen Herrn berichtet, unterscheidet er zwischen den "Zwölf" mit Kephas (=Petrus) und den Aposteln, zu denen er auch den Herrenbruder Jakobus rechnet.
Auch in Gal 1,19 wird Jakobus als Apostel bezeichnet:
"Von den anderen Aposteln habe ich keinen gesehen, nur Jakobus, den Bruder des Herrn."
In einer Fußnote dazu heißt es in der Einheitsübersetzung, dass Jakobus neben Petrus in der Urgemeinde eine wichtige Rolle gespielt habe.
Weder Paulus noch Jakobus gehörten dem Zwölferkreis an, trotzdem hatten sie in der Urkirche Leitungsfunktionen inne.
Somit meine Fage: Wie begründet sich das Amt des Bischofs? Sind die Bischöfe Nachfolger der Mitglieder des Zwölferkreises oder bezieht sich die Nachfolge auf den erweiterten nachösterlichen Apostelkreis?
Diese Frage ist auch deshalb interessant, weil Paulus am Ende des Römerbriefes zwei Personen als Apostel bezeichnet, von denen die eine wahrscheinlich eine Frau ist.
Petra Gerster hat in der ZDF-Sendung über das Urchristentum, die an Pfingsten ausgestrahlt wurde, darauf hingewiesen. Bisher ist in der Einheitsübersetzung noch von zwei Männern die Rede: Andronikus und Junias.
Laut Prof. Michael Theobald (Tübingen) sind die Herausgeber des griechischen Basistextes schon seit geraumer Zeit auf die weibliche Form umgeschwenkt, und die Einheitsübersetzung würde nachziehen.
Künftige Version: "Grüßt Andronikus und Junia, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie ragen heraus unter den Aposteln und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt." Röm 16,7.
Vielleicht könnten Sie dazu auch noch etwas sagen.

Im Voraus vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Müller.

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Antwort
von Joachim Kardinal Meisner am 29. August 2013
Joachim Kardinal Meisner

Sehr geehrter Herr Müller!

Als die junge Christenheit ihren Platz in der Welt und ihre institutionelle Gestalt suchte, konnte sie sich bis zu einem gewissen Grad an Vorbildern aus ihrer heidnischen Umwelt sowie nicht zuletzt aus den jüdischen Synagogen- gemeinden orientieren. Gleichzeitig aber musste das Neue, das mit Jesus Christus und seiner Kirche ins Dasein getreten war, zum Ausdruck kommen. Dazu griff man mehrfach auf bereits bestehende Bezeichnungen zurück, nutzte diese aber als „sprachliche Hohlformen“, die mit neuen Inhalten gefüllt wurden.

So erging es auch dem Begriff „Apostel“. Er leitet sich von griechisch „apostello“, „aus-/absenden“ her und hatte ursprünglich eine völlig neutrale Bedeutung: So bezeichnete er Briefe, Boten, vor allem auch Schiffs- expeditionen und Flottenkommandos oder deren Leiter. Vom alttestamentlich-jüdischen Hintergrund bezog der Name „Apostel“ dann die Bedeutung eines Gesandten, der in der persönlichen Vollmacht und Autorität des Sendenden handelt und spricht.

Im Neuen Testament ist uns die Gleichsetzung der Apostel mit dem Kreis der Zwölf am geläufigsten, die Jesus persönlich beruft; insbesondere der Evangelist Lukas identifiziert beide Bezeichnungen miteinander. Für die „zwölf Apostel“ ist die Berufung durch Jesus das Entscheidende, ihre Bereitschaft, sich von Christus persönlich in Dienst nehmen zu lassen, aber auch, dass sie „Zeuge seiner Auferstehung“ sind (Apg 1,22). Der Herrenbruder Jakobus besitzt eine persönliche Autorität, die auf seiner besonderen Nähe zu Jesus beruht; für ihn gibt es auch keine „Amtsnachfolger“. Wieder anders verhält es sich mit den „Aposteln“, die der heilige Paulus erwähnt: Sie sind Wandermissionare, also Christen, die sich (wie die Zwölf, aber ohne deren spezielle Autorität) vom Heiligen Geist in die Welt „gesandt“ wissen, um den Menschen die Frohe Botschaft zu verkündigen. Eine Führungsaufgabe haben sie nicht inne: Der 1. Korintherbrief nennt sie neben anderen, ganz unterschiedlichen Gemeindediensten. Paulus selbst schließlich steht gewissermaßen zwischen diesen Apostelbegriffen: Er gehört zwar nicht dem Zwölferkreis an und ist auch nicht Zeuge der Auferstehung, versteht sich im Hinblick auf seine besondere Berufung vor Damaskus aber gleichwohl als „zum Apostel berufen, nicht von Menschen oder durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und durch Gott, den Vater“ (Galaterbrief 1,1).

Die genaue Bedeutung des Begriffs „Apostel“ variiert also im Neuen Testament noch, wie das in solchen Anfangszeiten ja auch kaum anders zu erwarten ist. Sprachlich steht die Aussendung im Vordergrund, inhaltlich die Vollmacht, die sich letztlich von Gott herleitet. Diese Autorität geht nach dem Tod der Apostel – insbesondere der Zwölf – auf die Bischöfe über, denen die Priester und die Diakone in ihrem Dienst zur Seite stehen. Kirchenhistoriker merken an, dass sich diese Entwicklung erstaunlich schnell und konsequent vollzogen hat.

Die Kirche hat von Anfang an daran festgehalten, dass nur Männer in die Nachfolge der zwölf Apostel berufen werden konnten. Das ist umso erstaunlicher, als es – was vielen nicht bewusst zu sein scheint – es in der Umwelt der jungen Kirche ja durchaus Priesterinnen, Prophetinnen und Philosophinnen gab. Aber obwohl Frauen auch in der Kirche wichtige Dienste und Funktionen wahrnahmen, waren diese doch nie identisch mit den apostolisch begründeten Weiheämtern.

Das erregt geradezu naturgemäß in der heutigen Gesellschaft Anstoß. Interessierte Kreise verweisen deshalb mittlerweile verstärkt, ja geradezu selbstverständlich auf zwei Gestalten, die der heilige Paulus am Ende seines Briefs an die Römer erwähnt: Dort grüßt er „Andronikon kai Iounian“, Andronikus und Junia(n) (16,7). Ob der zweite Name „Junia“ (weiblich) oder „Junias“ (männlich, als zusammengezogene Kurzform von „Junianus“) bedeutet, ließe sich nur anhand eines bestimmten grammatischen Akzents entscheiden, des sogenannten „Zirkumflex“. Dieser wurde zwar früh entwickelt, aber erst nach der ersten Jahrtausendwende allgemein benutzt, als man nicht mehr die Majuskelschrift (Großbuchstaben) verwendete, sondern Minuskeln (Kleinbuchstaben).

Wen Paulus in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus meinte, lässt sich also heute nicht mehr sicher ergründen: Es könnte zwar um ein apostolisch wirkendes Ehepaar handeln, aber eben auch um zwei gemeinsam tätige männliche Missionare nach dem Vorbild jener 72 Jünger, die Jesus „zu zweit“ (Lk 10,1) zur Verkündigung aussandte. Hätte es sich aber tatsächlich um eine Junia gehandelt, dann wäre zum einen in diesem Zusammenhang ja zweifelsfrei eine „Apostelin“ nicht aus dem Zwölferkreis, sondern im Sinne einer Wandermissionarin gemeint gewesen. Zum anderen böte die Existenz einer einzigen neutestamentlichen „Apostelin“ auch ein zu schmales Fundament für die Einführung des Weiheamtes von Frauen.

Vor allem aber sollte man diese Frage wie ein redlicher Sokrates angehen, der „weiß, dass er nichts weiß“ – und nicht wie eine Xanthippe.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Kardinal Meisner