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Beantwortet
Autor Ralf Diessner am 28. November 2008
19841 Leser · 0 Kommentare

Bildung

Verkürzung der Schulzeit am Gymnasium auf 8 Jahre

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
unsere Tochter (Klasse 8) ist im ersten Schuljahrgang, der in den zweifelhaften Genuss kommt, das Gymnasium in nur 8 anstelle der bis dahin üblichen 9 Schuljahre zu durchlaufen.
Die Begründungen für diese Maßnahme sind hinreichend bekannt (deutsche Schüler sind die ältesten im europäischen Vergleich usw). Nachdem wir die bisherige Schullaufbahn unserer Tochter nun einige Jahre verfolgen konnten, muss ich doch sagen, dass G8 bildungspolitisch eine Katastrophe ist. Hier wurden ohne wesentliche Änderungen an den Lehrplänen einfach Lerninhalte und Unterrichtsstundenzahlen auf weniger Zeit aufgeteilt ohne erkennbares pädagogisches Konzept. Die erste Fremdsprache wird in Klasse 5 eingeführt und bereits in Klasse 6 die zweite. Die Folge davon: Bereits Unterstufenschüler haben einen Arbeitstag, der dem eines Erwachsenen vergleichbar ist. Unsere Tochter geht an drei Tagen der Woche um 7:00 Uhr aus dem Haus und kommt ca. um 16:00 Uhr nach Hause - und setzt sich dann noch an die Hausaufgaben! Die Schulen sind nicht als Ganztagesschulen ausgestattet. Es gibt keine Möglichkeit an der Schule, wo Schüler Hausaufgaben machen können, wo sie sich bei schlechtem Wetter aufhalten können, erst nach zwei Jahren hat die Schule endlich eine Möglichkeit geschaffen, die ein Mittagessen ermöglicht. Leider sind die Lehrer nicht auf die neue Situation eingestellt und geben Hausaufgaben in der gewohnten Menge mit dem Ergebnis, dass die Lust am Lernen vergeht und wir eine reine "Paukpenne" bekommen haben, die nach dem Prinzip "Nürnberger Trichter" Wissensstoff in die Köpfe unserer Kinder stopft. Freizeitaktivitäten und Aktivitäten in Verein und Jugendarbeit mussten wir für unsere Tochter streichen oder sie werden immer weiter in den Abend und in die zunehmend vollgestopften Wochenenden verlagert. Die Verkürzung hat eine deutliche Belastung der Familien zur Folge, weil Eltern kaum mehr Einfluss nehmen können auf den Tagesablauf ihrer Kinder, der ausschließlich von schulischen Belangen diktiert wird. Die Vermutung liegt nahe, dass eben nicht pädagogische, sondern ausschließlich finanzpolitische Gründe für diese Verkürzung sprechen.
Meine Fragen nun:
Was tut die Bundesregierung konkret, um diese missratene pädagogische Reform nachzubessern? Mir ist bewusst, dass Bildung Ländersache ist; allerdings ist die Verkürzung der Schulzeit erklärtes bildungspolitisches Ziel der Bundesregierung gewesen.
Wo liegt nachweislich der pädagogische Nutzen dieser Verkürzung?
Und warum eine Verkürzung, die auf dem Rücken der "Kleinsten" ausgetragen wird? Eine Verkürzung z.B, in Klasse 11 hätte bei älteren und stabileren Schülern weniger gravierende Folgen, als in der Unterstufe Klasse 5-7.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Diessner

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 23. Januar 2009
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Diessner,

vielen Dank für Ihre E-Mail, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Deutschland gehört dank seines leistungsfähigen Bildungssystems zu einer der stärksten Wirtschaftsnationen und stabilsten Demokratien der Welt. Die Bildungsbeteiligung und das allgemeine Bildungsniveau haben sich bei einer wachsenden Nachfrage nach höherwertigen Bildungsabschlüssen in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht und sind im internationalen Vergleich hoch.

Die Verantwortung für die schulische Bildung, die Ausgestaltung des Schulsystems in Deutschland und damit auch die Entscheidung für das Abitur nach 12 Jahren (G 8) liegt entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgaben in der Zuständigkeit der Länder.

Es steht außer Zweifel, dass die Umsetzung der achtjährigen Gymnasialzeit in einigen Ländern zu erheblichen Schwierigkeiten geführt hat, die Sie exemplarisch in Ihrer Anfrage beschreiben.

Die Kultusministerkonferenz hat sich den Problemen gestellt und am 6. März 2008 einen Beschluss zu einer höheren Flexibilisierung beim verkürzten gymnasialen Bildungsgang gefasst. Es wurde vereinbart, dass die Länder ihre Erfahrungen untereinander austauschen, die Lehrpläne anpassen und dort, wo es erforderlich ist, den Schulen Hilfen zur Umsetzung geben – in den Bereichen Hausaufgaben, Klassenarbeiten, Gestaltung des Schultags, Verteilung der Stunden über die Jahrgänge sowie durch den Ausbau zu bzw. von Ganztagsschulen.

Weitere Informationen finden Sie unter:

http://www.kmk.org/presse-und-aktuelles/meldung/ergebniss....

Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten leistet der Bund seinen Beitrag zur Verbesserung des Bildungssystems:

So wird die Bundesregierung im Rahmen des Konjunkturpakets den Ländern Finanzhilfen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, die insbesondere der Schulinfrastruktur zugute kommen werden.

Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung mit dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) die Länder beim bedarfsgerechten Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen. Es ist mit 4 Milliarden Euro ausgestattet und läuft noch bis Ende 2009. Bislang konnten damit rund 7.000 Schulen in Deutschland gefördert werden.

Dieses massive finanzielle Engagement des Bundes zeigt, dass die Bundesregierung die konkrete Lebens- und Lernsituation von Schülerinnen und Schülern sehr ernst nimmt und dem Thema Bildung höchste Priorität beimisst.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung