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Beantwortet
Autor Tobias Maurer am 29. Juni 2009
11011 Leser · 0 Kommentare

Umwelt und Tierschutz

PKW-Umweltzonenregelung schränkt Reisefreiheit ein und steigert Erderwärmung

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

bei jeder Reise in eine andere Gegend muss sich jeder, der keine grüne PKW-Umweltplakette besitzt, in Zukunft vorher informieren, ob er mit seinem Fahrzeug überhaupt in das gewünschte Gebiet reisen darf. Andernfalls bekommt man als Begrüßungsgeschenk leicht ein 40 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg. Allein in Hannover wurden in den letzten 4 Monaten trotz der in diesem Jahr noch weniger strengen Vorschriften insgesamt 7.829 Umweltzonensünder bestraft.

Natürlich kann man manchmal auch das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Auch Car-Sharing kann durchaus eine Alternative sein.
Aber genauso wenig wie innerdeutsche Flüge (mit steuerfreiem Kerosin!) oder Oberklasse-PKW verboten werden (die ja sogar auch von der Abwrackprämie gefördert werden), sollten doch erst recht nicht für weit überdurchschnittlich ressourcen- und umweltschonende Fahrzeuge ganze Städte zu Fahrverbotszonen erklärt werden.

Komplizierte und teure Ausnahmeregelungen, die ja jeweils nur in einer Stadt gelten und allein in Hannover 100 Euro pro Fahrzeug und Jahr kosten, sind selbst für die Fahrer, die eine derartige Genehmigung bekommen können, keine wirklich gute Lösung.

Ein Oberklasse-PKW mit Benzinmotor und 15 Litern Verbrauch auf 100 Kilometer darf hingegen weiterhin problemlos alle Umweltzonen in Deutschland befahren. Wenn ich mir also ein derartiges Auto kaufen würde, würde ich der Umwelt zwar insgesamt eindeutig mehr Schaden zufügen. Der Gesetzgeber hätte aber nichts dagegen. Und auch 25 Jahre alte Oldtimer dürfen problemlos alle Umweltzonen befahren…

Die Politiker, die in einem S-Klasse-Mercedes durchs Land fahren und das Flugzeug lieber als die Bahn nutzen, haben mit diesem Gesetz der Umwelt also keinen wirklich großen Gefallen getan.

Das gleiche gilt für die EU-Parlamentarier, die ständig zwischen Straßburg und Brüssel pendeln, nur weil sie sich nicht auf einen Ort einigen können.

Hinzu kommt:
Rußfilter müssen lt. Norm gerade einmal 30% der Partikel aus dem Abgas herausfiltern. Aber bei vielen PKW, die in Deutschland nachgerüstet wurden, wird selbst dieser Wert nicht erreicht.

Außerdem steigt durch den Einsatz eines Partikelfilters der Dieselverbrauch um ca. 3 Prozent. Neben dem Mehrverbrauch, der zu mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre führt, gibt es noch andere negative Effekte. In dem realen Fahrzyklus sowie bei Fahrten mit konstanter Geschwindigkeit nahm der Kohlenmonoxid-Ausstoß bei Untersuchungen durch die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt bis zu 160 Prozent zu. Und die Stickoxide, die beim Dieselfahrzeug sowieso schon hoch sind, stiegen mit dem Nachrüstfilter nochmals um ein bis elf Prozent an. Lediglich die Kohlenwasserstoffe nahmen ab.

Mit dem Partikelfilter erkauft man sich also geringfügig weniger Smog mit langfristig mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre und einer höheren Erderwärmung.

Zusätzlich gibt es mit Partikelfiltern folgendes Problem. Dieselfahrzeuge mit Rußfiltern taugen nicht für den stetigen Kurzstreckenbetrieb. Ich müsste laut Stiftung Warentest alle 10 Motorlaufstunden eine sogenannte Regenerationsfahrt machen. Und das hieße, ich müsste z.B. grundlos 25 Minuten durch die Stadt fahren – nur um Verstopfungen des Partikelfilters zu vermeiden.
Dieses Problem haben alle Diesel-PKW.
Also selbst wenn ich mir ein nagelneues Fahrzeug kaufen würde, käme ich als Kurzstreckenfahrer mit einem Diesel-PKW nicht um Regenerationsfahrten herum.
Auch nicht gerade ressourcen- und umweltschonend.

All dies lässt mich doch stark an dem schlüssigen ökologischen Gesamtkonzept in der Politik zweifeln.

Insgesamt empfinde ich die Umweltplakette deshalb als völlig unverhältnismäßigen Eingriff in meine Grundrechte.

Ich fahre einen VW Polo IV SDI von 11/2004 (Verbrauch 4,8 l Diesel auf 100 km, Euro 3). Für dieses Fahrzeug gibt es auf dem Markt derzeit noch keinen Partikelfilter. Derzeit hat es eine gelbe Umweltplakette. Ab 1.1.2010 sollen in Hannover und Berlin nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette fahren dürfen. Diese kann ich aber derzeit nicht bekommen, da dies nur mit Partikelfilter möglich wäre.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Maurer

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 23. Oktober 2009
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Maurer,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Rußpartikel aus Dieselmotoren bedrohen massiv unsere Gesundheit. Mehrere Tausend Tote durch Lungenkrebs und zahlreiche Atemwegserkrankungen sind jedes Jahr die Folge von ungefilterten Dieselabgasen, die wir täglich auf der Straße einatmen. Ein Rußpartikelfilter stellt derzeit die technisch beste Lösung dar, um die Partikel in den Emissionen von Dieselmotoren zu senken.

Die Leistung des Filters liegt bei mindestens 30 Prozent. Ursache dafür ist, dass er technisch für einen langen Einsatz bei hohem Materialstress ausgerichtet sein muss. Partikelfilter werden auch zur Nachrüstung insbesondere alter Fahrzeuge mit hohen Emissionen eingesetzt. Auf diese Weise verringert sich der Partikelausstoß insgesamt auch bei einer 30-prozentigen Filterwirkung bedeutend. Ein geringer Kraftstoffmehrverbrauch lässt sich dabei tolerieren.

Bei der Nachrüstung mit Partikelfiltern werden sogenannte offene Systeme verwendet, bei denen keine Regenerationsfahrten notwendig sind. Diese Systeme bauen bereits im durchschnittlichen Fahrbetrieb kontinuierlich Feinstaub ab und können aufgrund ihres Aufbaus auch nicht verstopfen. Bei den heute serienmäßig eingesetzten geschlossenen Partikelfiltern, die eine noch höhere Abgasreinigung erreichen, kann es in der Tat unter extremen Fahrbedingungen (z.B. nur Kurzstreckenbetrieb) dazu kommen, dass eine Regenerationsfahrt notwendig wird. Diese sind jedoch sehr selten, und es sind auch hier noch Weiterentwicklungen zu erwarten.

Erhält man trotz des Einbaus eines Partikelfilters lediglich eine gelbe Umweltplakette, so berechtigt sie zur Einfahrt in die Umweltzone beispielsweise in Hannover nur noch bis zum 31.12.2009. Für Halter entsprechender Dieselfahrzeuge kommt die Regelung, ab 1.1.2010 eine Umweltzone nur noch mit grüner Umweltplakette befahren zu dürfen, jedoch nicht überraschend.

Im Übrigen ist die Vorschrift zur Nachrüstung mit Rußfiltern nur ein Teil der integrierten Umwelt- und Klimapolitik der Bundesregierung. So wurden unter maßgeblicher Mitarbeit Deutschlands die europäischen Abgasgrenzwerte für Pkw und Lkw deutlich verschärft (Euro 5/6 bzw. Euro VI). Die europäische Regelung zur Verringerung der CO2-Emissionen bei Pkw und die Umstellung der KfZ-Steuer von Hubraum auf CO2-Bezug werden zudem klare Fortschritte auch im Bereich des CO2- Ausstoßes mit sich bringen.

Weitere interessante Hinweise zu den Themen Umweltzone und Partikelfilter finden Sie unter: http://www.bmu.de/luftreinhaltung/parl_vorgaenge/doc/4361...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung