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Beantwortet
Autor Volker Hein am 27. Oktober 2010
38562 Leser · 0 Kommentare

Soziales

Familienversicherung in eheähnlichen Gemeinschaften

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

ich hätte da gern mal eine Aussage zu oben gennaten Thema von Ihnen.
Es ist mir voll bewußt, das in unseren Grundgesetz Familien in regulären Ehen einen besondern Schutz unterliegen und dies sehe ich auch, da wir ja in der Mehrzahl der Bevölkerung in der christlichen Kultur zu hause sind.

Aber finden Sie nicht auch, dass gerade die Regelung bei der GKV Zwecks Familienversicherung gegenüber eheähnlichen Lebensgemeinschaften in Bezug auf nicht Leistungsbezieher über SGB II sehr unzosial sind ?

Wenn man da die Gesetzgebung mal bis zum Schluss durchsimuliert, kommt da der Gestzgeber in den Extremfällen ja schon entweder als "Heiratsvermittler" oder als Verhinderer wilder Ehen daher. Also das ist zumindest mein Eindruck.

Ich will das mal kurz so erläutern:
Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft, ein Teil ist erwerbstätig und hat ein Einkommen von ca. 150 € über den Regelsatz von der Bedarfgemeinschaft. Damit gibt es kein H4 für den arbeitslosen Partner. Das bedeutet keine Leistungen von der ARGE und Zahlung der freiwilligen GKV für den arbeitslosen Partner.
Damit wird doch diese Gemeinschaft, die in dem Fall auch für sich gesetzlich Einstehen muss, gegenüber einer Ehe doch sehr benachteiligt.
Obwohl es keinerlei Unterhaltsverpflichtung gibt, kommt diese dann doch über die SGB II Gesetzgebung nach.
Dann bleibt den Paar doch nur noch 3 Möglichkeiten.
1. heiraten (sicher gewollt, aber dann für den Gesetzgeber später auch nicht unbedingt billiger!?)
2. das Paar trennt sich und lebt "heimlich" in getrennten Haushalten weiter (sehr viel teurer für den Gesetzgeber, da Regelsatz und Zusatzleistungen voll bezahlt werden muss!)
3. der erwerbstätige zahlt der GKV des anderen Partners (es kommt durch akuten Geldmangel zu Streit und letzendlich auch wieder zur Trennung)

Finden Sie nicht, dass dies eine massive indirekte Einmischung des Gesetzgebers in die Lebensweise von solchen Menschen darstellt ?
Meinen Sie nicht, dass wenn mindestens die Familienversicherung in der GKV in solchen Fällen einspringt, dann die Kosten durch Verringerung von allein lebenden Hartz4 Beziehern gesenkt werden können ?
Es fallen anteilig Mietzahlungen, Kosten für Maßnahmen und Vermittlung und andere Sachen weg. Immerhin ist ja selbst der Regelsatz in Bedarfsgemeinschaften niedriger als bei Alleinbeziehern.

Ich bin realtiv sicher, dass in solchen Fällen oft die eheähnliche Lebensgemeinschaften bestehen bleiben würden und so erheblich Geld eingespart werden könnte.
Oder gibt es in der Hinsicht vom Bundessozialamt schon Statistiken, welche meiner Überlegung widersprechen ?

Es ist auch weiterhin sehr schade, dass Arbeitslosen, welche keine Regelleistungen mehr zustehen, komplett aus der Vermittlung der ARGE fallen.
Ich denke hierbei wird auch ein Potential, an doch angeblich fehlenden Facharbeitern im Lande, vorbei verwaltet.
Für jeden alleinstehenden schlecht Qualifizierten ehemaligen Sozialhilfeempfänger wird alles getan um ihn wieder in Lohn und Brot zu kommen, aber die von mir beschriebene Gruppe wird einfach in die tote Ecke geschoben.
Ich finde das sehr schade und wie schon mal oben erwähnt eine Vergeudung an menschlichen Ressourcen.

Warum wird in diesem Punkt so hartherzlich entschieden ?
Warum sollen Paare nun unbedingt in eine Ehe "gezwungen" werden ? Es gibt doch auch etliche Ehen die bei weiten schlechter funktionieren als "wilde" Ehen, obwohl sie vor "Gott" und Staat geschlossen wurden.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Danke für Ihre Zeit.

Volker Hein

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 11. Januar 2011
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Hein,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, die wir im Namen der Bundeskanzlerin beantworten.

Sie fragen nach einer möglichen Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung für unverheiratete Paare. Diese werden als Partner einer Bedarfsgemeinschaft angesehen, erhalten aber kein Arbeitslosengeld II, da durch die Berücksichtigung des Partners keine Hilfebedürftigkeit vorliegt.

Einbezogen in die gesetzliche Familienversicherung des gesetzlich krankenversicherten Partners sind nach geltender Rechtslage nur Eheleute und Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dies leitet sich aus Artikel 6 des Grundgesetzes ab, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Dabei wird berücksichtigt, dass Ehegatten einander kraft Gesetz zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet sind. Zum Unterhalt gehört auch ein angemessener Krankenversicherungsschutz, den der erwerbstätige Ehegatte sicherzustellen hat. Deshalb sind Familienangehörige begünstigt und in die GKV-Familienversicherung mit einbezogen.

Bei Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft fehlt es an einer dauerhaften Unterhaltsverpflichtung. Bitte berücksichtigen Sie auch, dass eine eheähnliche Gemeinschaft - anders als eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft - jederzeit begründet aber auch beendet werden kann. Beginn und Ende einer eheähnlichen Gemeinschaft sind damit nicht in gleicher Weise rechtssicher feststellbar wie Beginn und Ende einer Ehe. Die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft durch eine Gesetzesänderung in die Familienversicherung einzubeziehen ist daher nicht beabsichtigt. Dass eine eheähnliche Gemeinschaft zu berücksichtigen ist, wenn es gilt, die Hilfebedürftigkeit eines Partners bei der Gewährung von Arbeitslosengeld II zu beurteilen, steht dazu nicht im Widerspruch.

Die Arbeitsagentur unterstützt auch Arbeitslose, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, bei der Beschäftigungssuche. Sie erhalten folgende Dienstleistungen kostenlos: persönliche Beratung zu Fragen der Integration in den Arbeitsmarkt, individuelle Arbeitsvermittlung und die Möglichkeit zur Stellensuche über die JOBBÖRSE www.arbeitsagentur.de . Darüber hinaus können sie auch Leistungen der aktiven Arbeitsförderung erhalten, wie zum Beispiel Trainingsmaßnahmen, die Erstattung von Bewerbungskosten oder Reisekosten, die durch ein Vorstellungsgespräch entstehen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung