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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Etwin S. am 06. November 2013
8827 Leser · 6 Kommentare

Innenpolitik

Gefährliche Symbiose zwischen Politik und Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Merkel!

Der Wirtschaft geht es bei der Übernahme von Politikern als Lobbyisten nicht um fachliche Kompetenz, das wäre ein seltener Glückstreffer.

Es geht den Wirtschaftsführern um deren Kontakte zu den Schaltzentralen der Macht. Wichtig sind ihre politischen
Freunde und die guten Beziehungen zu den Gesetzgebern.

Wie können wir sicher sein, dass höchste und verbindliche Entscheidungen, die unsere gewählten Volksvertreter treffen, nicht durch Lobbyisten beeinflusst werden? Der Verdacht liegt Nahe, dass nach der Politik hoch dotierte Posten in der freien Wirtschaft angeboten werden. Wie stehen Sie zur Korruption in der Politik?
Deutschland weigert sich, das UN-Abkommen von 2003 gegen Korruption zu ratifizieren. In 160 Ländern ist das ausgehandelte Abkommen in Kraft getreten. Deutschland und Syrien überlegen seit 10 Jahren.

Gerhard Schröder-SPD, der Alt-Kanzler sitzt im Aufsichtsrat der Nord Stream AG, einer Betreiberfirma der Ostsee-Pipeline.

Otto Schilly-SPD, Ex-Innenminister, ein vehementer Verfechter von biometrischen Merkmalen in Ausweispapieren, wurde Aufsichtsratsmitglied bei Byometric Systems AG und bei Safe ID solutions AG. Beide sind Unternehmen für biometrische Anwendungen.

Joschka Fischer-Grüne, Außenminister unter Gerhard Schröder, wurde 2009 Berater beim Münchner Autokonzern BMW.

Matthias Wissmann-CDU, einst Bundesminister für Verkehr ist seit 2007 Präsident des Verbandes der Automobilindustrie.

Kurt Beck-SPD, ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ist jetziger Berater des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim.

Roland Koch-CDU, einst Ministerpräsident in Hessen und jetzt beschäftigt als Sanierer bei dem Baukonzern Bilfinger.

Eckart von Klaeden-CDU, Staatsminister in der Regierung der CDU/FDP ging am 01.11.2013 zu Daimler und ist dort Leiter im Bereich Politik und Außenbeziehungen.

Mit freundlichen Grüßen

Etwin Stange

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 22. November 2013
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Stange,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Es gibt in Deutschland klare Regelungen für das Mitwirken von Interessen- gruppen bei der politischen Willensbildung von Parlament, Regierung und Verwaltung. Bei der Vorbereitung von Gesetzen und Verordnungen besteht die Verpflichtung, nicht nur die Länder und kommunalen Spitzenverbände zu beteiligen, sondern auch Verbände und Fachkreise. Dies sieht die Gemein- same Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vor.

Die Bundesregierung legt großen Wert darauf, dass ihre Unabhängigkeit gewahrt bleibt und alle Interessengruppen gleich behandelt werden. Auch der Deutsche Bundestag stützt sich bei der Gesetzgebung auf externen Sachverstand, etwa durch Anhörungen in den Ausschüssen oder durch die Einsetzung von Enquete-Kommissionen.

Mehr Informationen:

http://www.bundestag.de/dokumente/lobbyliste/ http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Veroeffent... http://www.bpb.de/apuz/32254/lobbyismus-in-deutschland?p=all

Korruption zu verhindern und bekämpfen, ist eine wichtige Aufgabe. Dies gilt nicht nur für die Bundesregierung, sondern für die ganze Gesellschaft. Korruption steht in Deutschland unter Strafe. So sieht das Gesetz zum Beispiel für einen Beamten, der sich bestechen lässt, eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor.

Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit eine Reihe von Gesetzen und Richtlinien gegen Bestechung und Bestechlichkeit erlassen. Außerdem gelten in Deutschland internationale Abkommen gegen Korruption, wie zum Beispiel das EU-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung und das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung.

Deutschland hat 2003 das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption unterzeichnet. Die rechtlichen Regelungen zur Korruption in Deutschland entsprechen bereits weitgehend den Vorgaben dieses Übereinkommens.

Allerdings ist das Abkommen in Deutschland nicht ratifiziert und in deutsches Recht umgesetzt. Zentrale Voraussetzung hierfür ist, den bereits bestehenden Straftatbestand "Abgeordnetenbestechung" zu erweitern. Eine solche Regelung muss von den Bundestagsabgeordneten selbst kommen. Es ist gängige Praxis, dass die Abgeordneten das Parlamentsrecht selbst gestalten.

Wie Sie hier nachlesen können, setzt sich die Bundesregierung für die Ratifizierung des UN-Abkommens ein:

http://217.79.215.188/dip21/btd/17/139/1713968.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (6)Schließen

  1. Autor Erhard Jakob
    am 06. November 2013
    1.

    Etwin,
    .
    alles was Sie hier darlegen basiert
    aus meiner Sicht auf der Wahrheit.
    .
    Allerdings ist das nur
    die halbe Wahrheit.
    .
    Die ganze Wahrheit ist, dass die Unter-
    nehmen für viel Geld Kandidaten in
    den Bundestag wählen zu lassen
    um direkt Einfluss zu nehmen.
    .
    Nicht nur indirekt über Freunde
    und Bekannte im Bundestag.

  2. Autor Wolf B.
    am 08. November 2013
    2.

    Gerade Parlamentarier sollten besonders strengen Regeln unterworfen sein? Ihre hohe Verantwortung verträgt sich nicht mit Kungelei und wertvollen Freundschaftsdiensten. Das ist eine Frage des moralischen Anstandes konsequent gegen Korruption aufzutreten. Warum sollten nicht auch für die Parlamentarier die Korruptionsregeln Anwendung finden, die für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst gelten? Hier wird bei Bestechlichkeit, das beginnt bei Geschenken über 10 Euro, mit Verlust des Arbeitsplatzes oder der Streichung der Pensionsansprüche gedroht.
    --
    Warum wollen die Parlamentarier andere Regeln? Eine eindeutige Bestechung ist auch jetzt strafbar, aber es muss erwiesen sein, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Gabe und politischer Aktion besteht. Das ist juristisch kaum nachweisbar und so können die Abgeordneten weiterhin die Hände aufhalten. Wenn das nicht so wäre, werte Volksvertreter, könntet ihr doch den Korruptionsvertrag ratifizieren. Nein, unsere Parlamentarier bestehen auf weitreichende Freiheiten und Sondervergünstigungen. Sie missbrauchen ihre politische Macht und machen denn Bundestag zum Selbstbedienungsladen. Dass das Ansehen Deutschlands geschädigt wird, spielt da eine ungeordnete Rolle. Wir Deutschen spielen zu gern den Moralapostel, schauen missbilligend auf andere Länder und haben genug vor der eigenen Haustür zu kehren.
    --
    Am 8. August 2012 schreibt die Welt:
    Deutschlands Gesetze gegen Bestechung von Politikern seien lasch, klagen Konzernmanager, ein härteres Vorgehen gegen Korruption dringend notwendig. Sie sehen ihre Glaubwürdigkeit im Ausland durch die mangelhafte Gesetzeslage in Deutschland gefährdet. Auch Politiker pflichten den Wirtschaftsleuten bei: "Die internationale Wirtschaft spürt täglich, wie lächerlich die deutsche Politik die Unternehmen im Ausland aussehen lässt", fasst etwa der Grünen-Rechtspolitiker Jerzy Montag das Problem zusammen.

  3. Autor H. Förnzler
    am 15. November 2013
    3.

    Wir hatten unlängst am Stammtisch genau dieses Thema zur Diskussion.

    Sollten Politiker wie Manager bezahlt werden, um sie besser vor dem Bestechlichkeitsrisiko zu schützen?

    Ich empfinde diese Ansicht als undurchdacht.
    Manager dienen mitnichten der Allgemeinheit, weil sie in erster Linie auf die Dividende der Hauptaktionäre hin agieren, und weniger auf die Gesundheit und Bestandsfestigkeit des Unternehmens, mithin die Zufriedenheit aller derer, die darin arbeiten.

    Ich vertrete viel eher die Ansicht:
    Die Vertreter des Volkes sollten die wahrhaft Besten sein.
    Ein philosophischer Ansatz;
    die Besten sind von vorneherein nur diejenigen, die Geld nicht als das Wichtigste in ihrem Leben sehen, sondern Verantwortung für ihr Tun. Verantwortung für ein gedeihliches Zusammenleben innerhalb des gemeinsamen Lebensraumes.

    Jedenfalls waren wir alle am Stammtisch der gleichen Ansicht, welches das Buhmädchen und der Bubbube wären, dürften wir mit Platons Scherbengericht die schlimmsten Gemeinschaftsschädlinge auf 10 Jahre des Landes verweisen.

  4. Autor Helmut Krüger
    am 16. November 2013
    4.

    "Wie können wir sicher sein, dass höchste und verbindliche Entscheidungen, die unsere gewählten Volksvertreter treffen, nicht durch Lobbyisten beeinflusst werden?"

    (Zitat von Etwin Stange)

    Ich denke, allererste Voraussetzung dazu wäre, Parlamentarier nicht in einen schlechteren Stand zu versetzen als die Regierung, dies was den Inanspruchnahme des wissenschaftlichen Dienstes angeht (was einigermaßen gut klappt), was die zeitliche Organisation anbetrifft (was überhaupt nicht gut klappt) und was den Zubilligung des hohen Stellenwertes angeht ...

    ... was offenbar am Wenigsten klappt.

    Wo selbst die Regierung mit ihrem zur Verfügung stehenden Apparat hoffnungslos überfordert ist angesichts der üppigen Ausformulierung von Gesetzen, da haben Lobbyisten, die schon mit fix und fertigen Gesetzesvorlagen ankommen, leichtes Spiel.

    Damit schließe ich mich nicht dem Freifahrtsschein der Gesetzlosigkeit an, die ja nur das Recht des Stärkeren bedeuten würde, damit meine ich, dass unterschieden werden sollte zwischen Gesetzen, die

    a) tatsächlich das regeln, was sie regeln sollen und der Staat im Gleichklang damit auch eine Regelungsmöglichkeit hat, anstatt immer wieder "Neese" zu machen,

    b) wo dies nicht besteht, Gesetze sein zu lassen und sich

    c) auf dasjenige zu konzentrieren, was existenziell wichtig ist an Gesetzen.

    Mein Eindruck: Das Nichtige wird in allerkleinsten Formulierungen über alle Maßen geregelt, das Große, was wirklich wichtig ist für Menschen, bleibt umso mehr liegen. Wenn 90 % an Gesetzen NICHT formuliert würden, so gut wie niemand würde das merken. Da kämen wir zu den 10 % wirklich wichtigen Gesetzen.

  5. Autor Helmut Krüger
    am 16. November 2013
    5.

    II. Eine weitere Bemerkung:
    FAST schlimmer noch als die tatsächliche Bestechung, ist das willfährige, freiwillige Hineinfügen in Denkfiguren, es ginge ja nicht anders, wo Politik die Aufgabe hätte, tatsächlich zu gestalten.

    Gestalten heißt nicht zwingen, aber es heißt doch, einen Rahmen zu setzen der mehr ist als der bloße Nachvollzug dessen, was ohnehin passiert.

    Wo der Fokus auf die Wiederaufstellung innerhalb der Partei und die Wiederwahl in 4 oder 5 Jahren liegt, kann es um die PERSÖNLICHE Überzeugung, die ggf. etwas quer zur Mehrheitsmeinung steht, gut bestellt sein? Einige wenige Beispiele gibt es dennoch, die sagen, dass Beides mitunter zusammenpasst und solche Menschen sind m. W. ja auch von Bestechungsskandalen verschont geblieben:

    Henning Scherf und Richard von Weizsäcker, Burkhard Hirsch und Gregor Gysi, Gerhard Baum und ja, auch wenn sie mit schreierischem Naturell daherkommt, Claudia Roth.

  6. Autor Erhard Jakob
    am 17. November 2013
    6.

    Wolf,
    wir brauchen keine neuen Gesetze.
    .
    Ganz im Gegenteil! Wir haben zirka
    Hundert Tausend Gesetze zuviel!
    .
    Wolf,
    haben Sie schon mal einen Beamten oder einen Angestellten
    gesehen, der wegen einem angenommenen Geschenk von
    11 Euro schon mal entlassen wurde oder auf seine
    Pensionansprüche verzichten musste? Ich nicht!
    .
    Wir brauchen Menschen, die couragiert
    gegen Korruption und Amtsmissbruch
    eintreten! Wir brauchen mehr
    Leute - wie du ich ich!
    .
    Die Meisten sagen: *Was geht mich
    fremdes Elend an? Ich habe mit
    meinem eigenen schon
    genug zu tun!*
    .
    Ich orientiere mich an Charles Montesquieu:
    Der sagt: *Die einem Einzelnen zugefügte
    Ungerechtigkeit, ist eine Bedrohung
    für alle.*

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