Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Ulf M. am 28. April 2014
10128 Leser · 5 Kommentare

Innenpolitik

Diskriminierung von Sinti und Roma

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

meine Familie und ich sind treue Stammwähler von Ihnen. Ursprünglich stammen wir aus Chemnitz, leben jedoch seit ca. sechszehn Jahren in München. Wir zahlen für unsere bescheiden Verhältnisse sehr viel Steuern und verfügen nicht wirklich über Besitz, jedoch finanzieren wir zwei studierende Töchter. Nun zum Thema:
Aktuell ist München voller bettelnder Zigeuner, das Wort Sinti und Roma vermeide ich bewusst, wir wurden gestern sogar in einem innerstädtischen Supermarkt um Geld angebettelt und nicht nur wir, praktisch alle Leute. Anschließend versuchte ein Zigeuner die Ware vom Kassierer ohne Bezahlung zu erhalten.
Meine Töchter sind schon direkt im Universitätsgebäude angebettelt worden und in der U-Bahn sowieso.

Als wir heute zum Marienplatz gegangen sind, sah es unter einigen Unterführungen aus wie im Mittelalter, alle zwei Meter ein Bettler.

Zu Hause habe ich dann im Videotext Ihren Beitag zu den Sinti und Roma gelesen. Das ist alles schön und gut, wir haben Sie jedoch gewählt, damit Sie in unserem Land wir vernünftige Verhältnisse sorgen. Wir arbeiten sehr hart für unseren bescheiden Wohlstand und sind völlig humorlos bezüglich solcher Verhältnisse. Gehören Leute, welche sich ihren Unterhalt mit Betteln verdienen wollen tatsächlich nach Deutschland?

Mit freundliche Grüßen

Ulf Müller

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 12. Mai 2014
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Unsere Gesellschaft war noch nie so vielfältig wie heute. In Deutschland leben rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, das sind knapp 19 Prozent der Bevölkerung. Während die Gesamtbevölkerung abnimmt, wächst der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund weiter. Auch deshalb ist Integration eine Frage von nationaler Bedeutung.

Leitlinie der Integrationspolitik bleibt das Prinzip Fördern und Fordern. Die Angebote zur Integration werden von vielen angenommen. Integration ist jedoch ein Prozess, der allen etwas abverlangt. Sie ist eine gesamt- gesellschaftliche Aufgabe. Sich der Gemeinschaft unserer Gesellschaft zugehörig zu fühlen, verlangt auf der einen Seite Aufnahmebereitschaft der Mehrheitsgesellschaft. Auf der anderen Seite ist die Bereitschaft der Zugewanderten, sich an die Regeln und Gesetze des Aufnahmelandes zu halten und sich selbst um die Integration zu bemühen, unabdingbar.

Tatsache ist: Die große Mehrheit der Ausländer, die bei uns leben, integriert sich gut und mit Erfolg, beachtet die Normen in der Bundesrepublik, und wir alle profitieren letztlich davon. Das gilt auch für die Freizügigkeit in Europa.

Deutschland profitiert von der Mobilität der Arbeitnehmer und von der Zuwanderung von Fachkräften. Sie zahlen in unsere Sozialsysteme ein und tragen zum Wohlstand in unserem Land bei. Studien belegen durchweg die Vorteile der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Wirtschaft der Gastländer. Es steht aber außer Frage, dass der Missbrauch der Freizügigkeit zu bekämpfen ist.

Denn es gibt zweifellos Problemfälle, die insbesondere in Ballungsräumen durch einen verstärkten Zuzug aus anderen EU-Mitgliedsländern entstehen. Dabei kann es zu Problemen bei Wohnraum, Bildung und sozialen Dienst- leistungen kommen. Zur Bekämpfung des Missbrauchs der Arbeitnehmer- freizügigkeit hat die Bundesregierung deshalb Anfang des Jahres einen Staatssekretärsausschuss Zuwanderung eingesetzt. Der Ausschuss hat im März einen Zwischenbericht vorgelegt.

Der Bericht enthält erste Vorschläge, wie sich ein Missbrauch von Sozial- leistungen bekämpfen lässt. Dazu gehören befristete Wiedereinreisesperren und eine Befristung des Aufenthalts zur Arbeitssuche, die Einschränkung von Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit durch eine Verpflichtung der Gewerbeämter, Gewerbeanzeigen auf Anhaltspunkte für Scheinselbständigkeit zu prüfen. Außerdem sollen Kindergeldzahlungen an die Angabe einer Steueridentifikationsnummer von Kindergeldberechtigten gekoppelt werden.

Der Staatssekretärsausschuss wird sich weiter intensiv mit den Problemen und möglichen Lösungen befassen.

Wichtig ist es auch, dass die Lage der Roma in ihren Herkunftsstaaten verbessert wird. Das ist an erster Stelle die Aufgabe der Regierungen der jeweiligen Mitgliedstaaten, die durch die EU politisch und finanziell unterstützt wird. Im Europäischen Sozialfonds stehen dafür Mittel zur Verfügung.

Für Fälle von Verstößen gegen Regeln und Gesetze in Deutschland gibt es gesetzliche Vorschriften im Aufenthalts-, Ausweisungs- und Abschiebungs- recht. So kann zum Beispiel ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Die Ausweisungs- und Abschiebungsgründe sind in den vergangenen Jahren insbesondere durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz und das Zuwanderungsgesetz erweitert worden.

Die Bundesregierung plant im Übrigen, das Ausweisungsrecht weiter- zuentwickeln. Vorgesehen ist, nicht schutzbedürftige Menschen konsequent in ihre Heimat zurückzuführen.

Die Bundesregierung hat zudem kürzlich einen Gesetzentwurf beschlossen, wonach Asylbewerber und Ausländer, die eine Duldung besitzen, künftig nach drei Monaten arbeiten dürfen. Hierdurch erhalten sie früher die Möglichkeit, durch eine Beschäftigung ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Weitere Informationen: Staatssekretärsausschuss Armutsmigration http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2014/0...

Migration und Integration http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Migration-Integration/In...

Aufenthaltsrecht http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/04/...

http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2014/0...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (5)Schließen

  1. Autor Erhard Jakob
    am 29. April 2014
    1.

    Betteln (Bettler) gehören weder nach Deutschland
    noch in ein anderes Land. Jeder Mensch sollte
    die Pflicht und das Recht auf Arbeit haben!
    .
    Betteln gehört leider in ein System, welche den
    Menschen nicht die Pflicht zuarbeiten auferlegt
    und nicht das Recht auf Arbeit garantiert.
    .
    Was sollen die Menschen ohne
    Arbeit (Lohn) machen?
    .
    Bitte lesen sie heute (29.4.) die *Südd.Z*
    Anzeigenteil - Verschiedenes* und
    geben sie eine Rückmeldung.

  2. Autor Helmut Krüger
    am 29. April 2014
    2.

    Sehr geehrter Herr Müller,

    so wie Sie es empfinden, empfinde ich es zu großen Teilen auch und auch warmherzige und weitsichtigere Menschen werden da oft auf eine Probe gestellt. U- und S-Bahnhöfe werden reviermäßig nach Papierkörben und Pfandflaschenreservaten aufgeteilt, die vierte gleiche oder ähnliche Obdachlosenzeitung nacheinander im gleichen Waggon mal mit lauter, mal mit leiser Stimme doch immer im gleichen Tonfall angeboten, trifft dann nur auf taube Ohren.

    Das offensive (soll ich sagen: aggressive) Betteln bzw. Verkaufen hat fünf- und zehnfach zugenommen, doch es betrifft bei weitem nicht den Bevölkerungsteil der Sinti und Roma. Ich sage, das Betteln fällt bei Sinti und Roma aufgrund ihres äußeren Aussehens vermutlich eher auf.

    Ich sehe zweierlei Gründe:

    1. Die tatsächlich weiter voranschreitende Verarmung bei astronomisch steigendem Einkommen auf der anderen Seite. Die Bevölkerung driftet also einkommensmäßig immer weiter auseinander. In den Betrieben beträgt die Entgeltkluft nicht etwa 1 : 20, sondern schon mal schlappe 1 : 1.000.

    2. Ein tatsächlich zunehmendes Verhalten, dass jeder "sein Ding machen kann". Das betrifft eine nassforsche bis brutale Fahrweise bei einigen Autofahrern ebenso wie bei jenen, die eingezwängt in ein wespenförmiges Outfit und einen markanten Schutzhelm auf dem Kopf miitels Rad - pardon: Bike - durch Fußgängerzonen rasen. Davon sind von außen kommende Bevölkerungsgruppen selbstverständlich nicht ausgespart.

    Warum sollten sie?
    Was ist die Klammer einer Gesellschaft? Nicht Einklammerung und Verklammerung meine ich, sondern die innere Klammer.

  3. Autor Bea Schmidt
    am 04. Mai 2014
    3.

    Leider erlebe ich dies auch immer wieder in Berlin vor dem Reichstag, systematisch sind es immer die gleichen Kinder zu jeder Tageszeit, die Touristen anbetteln ("Do you speak english....?"), statt eine Schule zu besuchen. Den Kindern wird so jede Grundlage für eine Zukunft in Arbeit mit gutem Einkommen genommen. In den S-Bahnen sammeln Kinder im Alter von 10 Jahren oder jünger mit einstudiertem und künstlichen Lächeln Bettelgeld für z.B. ein... sagen wir mal: sehr gewöhnungsbedürftiges Ziehharmonikaspiel von einem älteren Verwandten ein, statt eine Schule zu besuchen. Als ich einen Polizisten am Bahnhof Zoo fragte, wieso diese Kinder nicht in der Schule sind, sagte er mir, ihm seien die Hände gebunden. Eine Schulpflicht sollte europaweit gelten und EU-Länder betreffen. Wenn Kinder hier als Betteltouristen tätig sind, sollte man sich von Seiten der Behörden (Ordnungsamt) nach den Ferienzeiten des Herkunftlandes bei der endsprechenden Botschaft (oder im Internet) erkundigen. Ist dort gerade Schulzeit, dann haben diese bettelnden Kinder auch bei uns in einer Schule zu sitzen und am Unterricht teilzunehmen. Meine Meinung.

  4. Autor Erhard Jakob
    am 05. Mai 2014
    4.

    Hallo Ulf und Helmut,
    ich schließe mich voll und ganz
    eurer Meinung an.

    Nur, auf meine Frage in Kommentar Nr. 1
    habt ihr auch keine Antwort gegeben.
    .
    Ich wüßte keine und ihr
    sicher auch nicht.

  5. Autor Helmut Krüger
    Kommentar zu Kommentar 4 am 06. Mai 2014
    5.

    Die Pflicht zur Arbeit sehe ich außerordentlich skeptisch, führt(e) zu doch zu einer Aussonderung derer, die von vornherein nicht in der Lage sind, aus körperlichen oder geistigen Gründen einer beruflichen Arbeit nachzugehen. Nicht umsonst gab es - ich bitte, das nicht misszuverstehen - Parallelen zwischen NS-Herrschaft und Stalinismus, wenn wir an die allerletzte Konsequenz dieser "Denkfigur" denken. Auch hat die Denkfigur, dass arbeitsscheue und windige Gesellen innerhalb bereits vorher bestehender Konzentrationslager zum Arbeiten angehalten werden müssten, Nazis, Konservative, Liberale, Sozialdemokraten bis hin zu den Kommunisten geeint.

    Nicht umsonst gab es Verfolgung vn Sinti und Roma in beiden unterschiedlichen Systemen.

    Mensch ist der Mensch nicht durch Arbeit, Mensch ist der Mensch durch sich selbst. Durch Eigenreflektion und Widerspiegelung im Schöpferischen, gleich erstmal, ob das als Berufsarbeit begriffen wird oder nicht. Auch muss ein Mensch nicht unbedingt nützlich sein, sollen vergangene, von mir beschriebene Denkmuster, nicht wiederholt werden.

    Die Qualität einer Ordnung messe ich allerdings daran, inwieweit sie Menschen eine schöpferische Tätigkeit zumisst, die mehr ist als Handlangertum und verlängerter Arm einer Maschine, anstatt dass Maschinen der verlängerte Arm des Menschen wäre. Und im Zweifelsfall auf eine technische MÖGLICHkeit auch mal verzichtet wird.

    DA liegt für mich der Hase im Pfeffer.

  6. Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.