Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Abstimmungszeit beendet
Autor Selma Goetz am 01. September 2014
9407 Leser · 11 Kommentare

Soziales

Akademisierung des Altenpflegeberufes-hin statt weg vom Patienten

Sehr geehrte Frau Merkel,
das Thema Pflegefachkraeftemangel wird auf vielen Ebenen diskutiert und ich weiss, dass Sie die Arbeit der Pflegenden schätzen.
Doch nun zur Problem Darstellung:
Gute Pflegefachkraefte geben ihren Beruf fruehzeitig auf.vgl. NEXT-Studie. Der Beruf wird nicht wert geschätzt, besonders das erworbene Fachwissen wird allzu oft unterschätzt und seitens der Aerzte nicht ernstgenommen. Viele fehlerhafte aerztliche Anordnungen konnten durch aufmerksame Pflegefachkraefte verhindert werden. Das ist die taegliche Berufspraxis.
Meine Frage nun: Koennte eine Akademisierung des Pflegeberufs hin zum Patientenbett nicht den Beruf attraktiver gestalten?
Meine Thesen: Eine Akademisierung hin zum Patienten spart langfristig Kosten durch: Buerokratieabbau durch hoehere Entscheidungskompetenzen und Bildung von interdisziplinaeren Teams, weniger Pflege-und Behandlungsfehler und deren Folgekosten.

Wäre es möglich, ein Forschungsprojekt Ihrerseits in Auftrag zu geben, die diese These beweist oder wiederlegt?
Mit freundlichen Gruessen,
Selma Goetz

Kommentare (11)Schließen

  1. Autor Helmut Krüger
    am 11. September 2014
    1.

    Geehrte Frau Goetz,

    ich kann Ihre Logik nachvolllziehen, ob das ein Lösungsvorschlag ist, kann ich nicht sagen, das sollte in der Tat untersucht werden, ohne Vorbehalte und möglichst ohne Vorfestlegung.

    Das Hauptproblem der Pflegeberufe ist das Überbordende an Dokumentation, dass jeder Handschlag und nahezu jedes Gramm an Essen und Trinken festgehalten werden muss. Um für eventuelle Klagen bzw. einen eventuellen Rechtsstreit gewappnet zu sein.

    Mit jeder technischen, computermäßigen Entlastung kommen neue Verpflichtungen mit neuen erforderlichen Angaben hinzu.

    Wie im guten alten Kriminalfilm:. Alles, was Sie jetzt sagen, kann im Zweifelsfall gegen Sie verwendet werden. War die Scheibe Brot, worauf denn die alte Dame noch Appetit hatte, nun richtig, weil sie die unbedingt wollte oder trägt das dazu bei, dass ihre Werte durch die Decke schießen?

    Wie ist verantwortliches Arbeiten möglich bei Unfreiheit der Bewohner, im Sinne des Allwissens der Pflegenden durch deren Dokumentation?

    Insofern würde ich das vorgeschlagene Forschungsprojekt gerne ausweiten wollen.

  2. Autor Selma Goetz
    Kommentar zu Kommentar 1 am 11. September 2014
    2.

    Grundsätzlich haben Sie recht, was das Uebermass an Dokumention betrifft. Doch ist es rein rechtlich zu einem großen Teil notwendig. Das Uebermass an Dokumentation rührt, denke ich, eher daher, dass das Qualifikationsniveau zu gering ist entgegen der heutigen Anforderungen an die Pflege. Es dient mit dazu, möglichst viele angelernte Hilfskraefte zu kontrollieren, und dass nach Plan. Ich habe also die Wahl: angelerntes Personal und ein Konrollwerkzeug so dass rechtluch nichts passieren kann, oder nur auf das notwendigste beschraenkte Dokumentation durch besser ausgebildete Pflegefachkraefte. Beispiel: Eine ungelernte Kraft kann ebenso die Pflege praktisch durchführen wie eine Fachkraft. Der Unterschied: Eine Fachkraft ist in der Lage, Früh Symptome einer Veraenderung zu erkennen und entscheidet selbst, wenn spezielle pflegerisvhe Massnahmen erforderlich sind. Diese Entscheidungen beim ganzen an-oder ungelerntem Personal durchzusetzen, erfordert Zeit und Nerven und ein Kontrollmechanismus. Deshalb sollte das Gesamte Niveau angehoben werden. Dann braucht das jetzige Fachpersonal nicht mehr zusätzlich zu den Pflegebeduerftigen auch noch auf das geringer qualifizierte Personal aufpassen. Obwohl es darunter auch einige gibt, die gut sind und gefördert werden koennten.

  3. Autor Helmut Krüger
    am 12. September 2014
    3.

    Sicher gilt das eine UND das andere, Frau Goetz, ohne sich zu widersprechen. Allerdings glaube ich nicht, dass der ganze Kontrollaufwand ausschlaggebend darher rührt, dass aus die geringer Qualifizierten aufgepasst werden muss, vielmehr etnspringt es vor allem der typisch deutschen Gepflogenheit, alles, alles und wirklich alles organisatorisch in den Griff zu bekommen. Bis zum letzten Krümel Toastbrot und bis zum allerletzten Tropfen Flüssigkeit, die den Bewohnern weit mehr verabreicht werden, als dass das GENUSS für sie sein könnte.

    Stärkere Qualifikation, wie Sie sie im Auge haben, könnte wirklich Freiraum schaffen, wenn denn Menschen GELASSEN würden. In mehrererlei Hinsicht und Bedeutung des Wortes.

  4. Autor Selma Goetz
    Kommentar zu Kommentar 3 am 17. September 2014
    4.

    Ja, dem kann ich auch nur zustimmen. In der Ausbildung zur Pflegefachkraft wird in der Regel auch eine berufliche Handlungskompetenz erreicht. Mit der Berufserfahrung und stetigen Fortbildungen/Weiterbildung haben Pflegefachkraefte sich schon ein erhebliches Mass an Know-How angeeignet. Doch Ihnen sind die"Haende gebunden", was eigenen Freiraum und Entscheidungsmoeglichkeit betrifft. Ich glaube, dass mit einer Akademisierung auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene einiges in diesem Beruf veraendern koennte. Das waere zum Beispiel die Anerkennung in der Gesellschaft, qualitativ bessere Pflege, Raum fuer Entbuerokratisierung und politischer Einfluss. Diese 4 Aspekte als sich gegenseitig beeinflussende Systeme zu betrachten und die Akademisierung als Stellschraube "zu betrachten, koennte langfristig das Problem Pflegefachkraeftemangel und zu hohe Kosten im Gesundheitswesen loesen.Es ist ein Rechenexempel.

  5. Autor Helmut Krüger
    am 18. September 2014
    5.

    Dass eine Akademisierung und damit selbstverständlich auch höhere Bezahlung zu hohe Kosten im Gesundheitswesen lösen könnte, scheint ja - wer denn nur oberflächig blickt und abgehetzt an derlei vorbeigeht - erst einmal ein Widerspruch zu sein.

    Dabei ist es genauso richtig. Nicht der bloß verlängerte Arm abstakter Regelungen, die von woanders stammen, können situationsadäquate Lösungen herbeiführen, sondern Menschen, die aus fundiertem Wissen heraus handeln. Auch und gerade, wenn sie teurer sind.

    Nicht der Mensch ist zu teuer, das Denken, das so etwas kurzsichtig behauptet, ist zu billig.

  6. Autor Erhard Jakob
    am 19. September 2014
    6.

    Helmut,
    .
    in dieser Situation sollten wir aber auch daran denken, dass es viele
    Menschen gibt, denen das Lernen nicht leicht fällt. Und vorallem
    gilt das für das >für das Lernen mit dem Umgang des PC<.
    .
    Aber auch diese Menschen wollen und können arbeiten
    und zwar sehr gut und vor allem mit den Händen.
    .
    Diesen Menschen sollten wir nicht aus dem
    Bereich >Arbeiten< ausschließen
    bzw. wegdrängen.

  7. Autor Selma Goetz
    Kommentar zu Kommentar 5 am 19. September 2014
    7.

    Wir Menschen neigen dazu, unseren Blick auf die "Ereignisse" zu fokussieren. So uebersehen wir die langsamen Prozesse. Dass ein demografischer Wandel kommt, ist seit den geburtenstarken Jahrgaengen bekannt, mit allen seinen moeglichen Folgen fuer unsere Rentenversicherung und unser Gesundheitssystem. Vorausblickende Menschen werden vielleicht gehoert, jedoch fuehlt man sich sicherer, wenn man an einem bekannten Zustand festhaelt. Angst vor Veraenderungen sind normal. Was man hat, weiss man. Was kommt, verunsichert uns. Jetzt aber muss eine Veraenderung im Pflegebereich rasch stattfinden, auch wenn diese zunaechst Investitionen benoetigt, die sich spaeter wieder bezahlt machen. Geld in Anwerbung von Pflegepersonal zu stecken ist nur allzu kurzsichtig und eine Notloesung, die das Grundproblem nicht loest. Ich kann Herrn Krueger auch nur zustimmen.

  8. Autor Selma Goetz
    Kommentar zu Kommentar 6 am 19. September 2014
    8.

    Die Aufgaben im Pflegebereich sind so umfangreich, dass auch diese Menschen auf keinen Fall herausgedraengt wuerden. Es ist eine Sache des klugen Personalmanagements, Mitarbeiterpotentiale zu erkennen und an der fuer ihn geeigneten und zufriedenstellenden Stelle einzusetzen. Was teilweise in Sachen Mitarbeiterpotential und Foerderung in der Industrie schin umgesetzt wird, haengt der Pflegebereich hinterher. Hier bedeutet Personalmanagement immer noch hauptsaechlich "Personalschluessel". Sicherlich gibt es vereinzelt schon Einrichtungen, die darunter mehr verstehen und auch umsetzen wollen. Doch gestaltet sich diese Aufgabe, den richtigen Mitarbeiter am fuer ihn passenden Ort immer schwieriger, weil die Auswahl knapp ist. Momentan muss man" nehmen, was man bekommt"

  9. Autor Helmut Krüger
    Kommentar zu Kommentar 6 am 19. September 2014
    9.

    Gewiss braucht es ja immer Beides, Erhard Jakob, Menschen mit Herzenswärme, die gar nicht viel (abstraktes) Wissen brauchen und Menschen, die eben rundum mit Wissen ausgebildet sind und gezielt Hilfestellung leisten können und auch zu einer Pflegeplanung imstande sind.

    Ich glaube, dass das den eigentlichen Mißstand im Pflegebereich ausmacht: dass aus einer personellen Mangelsituation heraus von BEIDEM zu wenig da ist. Die Ersteren stumpfen ab und werden mitunter sogar zynisch und die Zweiten kommen mit dem Wust abverlangter Dokumentation gar nicht mehr hinterher.

    Ihnen auf jeden Fall Danke für die Initiative und auch für die Antworten, Frau Goetz.

    Helmut Krüger

  10. Autor Jessika Brinkmann
    am 02. Oktober 2014
    10.

    Wer sagt denn, dass es immer mehr Pflegebedürftige geben wird? Es gibt immer mehr Singles. Wer zu Hause umfällt und keinen Partner hat, wird sehr wahrscheinlich kein Pflegefall mehr werden. Wer nach einer Krebsbehandlung aus dem Krankenhaus kommt, kann froh sein, wenn ihn der Transporter nach Hause fährt. Wird der Single-Patient von ihm in der Wartehalle vergessen, vermisst ihn keiner. Im schlimmsten Fall rollt er im Stuhl versehentlich die Treppe runter und keiner bemerkt es.
    .
    Warum soll der Pfleger nach höherer Bildung streben? Bezahlen will das keiner und mehr lernen auch nicht. Glaubt hier ernsthaft jemand, dass ein gebildeter Pfleger in Anzug und Kravatte jemanden den Po abwischen wird?

  11. Autor Selma Goetz
    am 03. Oktober 2014
    11.

    Genau diese zukünftige Situation, die Sie hier beschreiben, könnte durch Bildung vermieden werden. Das Klischee, im Anzug und Krawatte den Po abzuwischen, zeigt deutlich, wie minderwertig sich Pflegepersonal sich gegenüber Leitungskraeften fühlt und wie ohnmächtig wir uns gegenüber den Kontrollorganen, z.B.:MDK und Politik verhalten. Niedriges Selbstwergefuehl verpaart mit mangelnder Bildungsbereitschaft ist in sozialen Berufen durch unsere strenge hierarchische Organisation bei den Leistungs erbringern weit verbreitet. Es herrscht das Denken: "Die da oben, die da unten ". Deshalb sollten wir mal über den Teller Rand schauen und den Transfer wagen, wie sieht es in anderen Branchen aus und wie sieht es in anderen Ländern aus. Was können wir lernen und was können wir fuer unser Land Deutschland positiv nutzen?
    Liebe Frau Brinkmann, ich kann Ihren Frust verstehen. Ich war selbst oft genug an diesem Punkt, genau so zu denken.

  12. Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.