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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Rainer H. am 30. April 2015
8536 Leser · 2 Kommentare

Wirtschaft

TTIP, Geheimniskrämerei und Amtseid der Bundeskanzlerin

TTIP, Geheimniskrämerei und Amtseid der Bundeskanzlerin

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

TTIP wird hinter verschlossenen Türen verhandelt und entzieht sich demokratischer Kontrolle. Warum soviel Geheimniskrämerei? Es gibt mittlerweile großes Misstrauen im Volk und auch der Widerstand in Europa wächst, denn was genau verhandelt wird, weiß die Öffentlichkeit immer noch nicht.

Ein geheimes Papier der chemischen Industrie setzt zum Ziel, dass USA und EU ihre Zulassungsstandards von chemischen Stoffen gegenseitig anerkennen. Zur Zeit gilt: In der EU muss die Industrie mit umfangreichen Tests nachweisen, dass ein Stoff ungefährlich ist. In den USA darf der Stoff nach wenigen Tests in den Handel. Was kommt auf uns zu, wenn in Europa viele gefährliche Stoffe nur aus dem Grunde in den Handel kommen, weil sie in den USA zugelassen sind und ausgerechnet im EU-Rat für Risikobewertung zukünftig neben den Wissenschaftlern auch noch Interessenvertreter mitwirken. Zum Wohle des Volkes?
Ich frage Sie:
1. Warum wird TTIP geheim verhandelt?
2. Können Sie mit Blick auf Ihren Amtseid, insbesondere auf die Worte (Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, ..., ..und...Schaden von ihm wenden..... werde), noch guten Gewissens vertreten, dass TTIP mit dem zuvor beispielhaft beschriebenen Szenario überhaupt wirksam wird oder können Sie garantieren, dass derart gefährliche Rückschritte, wie oben ausgeführt, ausgeschlossen sind?
3. Wenn sich abzeichnet (und das tut es ja zunehmend), dass sich nachweislich eine Mehrheit der deutschen und der europäischen Bevölkerung gegen TTIP wendet, wie würde sich das auf Ihre Haltung und Vorgehensweise, TTIP betreffend, als Bundeskanzlerin auswirken?

Freundliche Grüße

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 26. Mai 2015
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Hedden,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Für die TTIP-Verhandlungen gilt ein hohes Maß an Transparenz. So werden TTIP-Texte seit dem 1. Dezember 2014 für alle Abgeordneten des Europäischen Parlaments zugänglich gemacht, weniger TTIP-Verhandlungsdokumente als „EU restricted“ gekennzeichnet und mehr Verhandlungstexte veröffentlicht. Es kann allerdings nicht sein, dass die Gespräche der Delegationen auf dem offenen Markt ausgetragen werden. Damit würde man die eigene Verhandlungsposition schwächen. Gewerkschaften und Arbeitgeber verhandeln auch hinter verschlossenen Türen über ihre Tarifverträge.

Die Bundeskanzlerin betont immer wieder, dass die EU keines ihrer grundlegenden Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder Umwelt aufheben wird. Aus diesem Grund wird es auf keinen Fall zu einer Aufweichung von Standards in der Chemikaliensicherheit kommen. Eine gegenseitige Anerkennung ist nur möglich, wenn das angestrebte Schutzniveau vergleichbar ist. Die chemierelevanten Regulierungen, TSCA in den USA und REACH in Europa, dienen in erster Linie dazu, bestimmte Handelshürden auszuräumen, ohne den Schutzstandard zu senken.

Würde man die dieselben chemischen Stoffe mit identischen Warnhinweisen und -symbolen versehen, müsste man sie an der Grenze nicht mehr umverpacken oder umetikettieren. Das würde zu mehr Sicherheit und weniger Kosten führen. Durch den Wegfall von Zöllen und doppelten Standards soll es auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum geben. Zudem bietet das Abkommen die Möglichkeit, etwas für die Standardsetzung weltweit zu tun. Aus vielen guten Gründen setzt sich die Bundeskanzlerin deshalb für das Freihandelsabkommen ein.

Für die Bundesregierung ist die demokratische Legitimation des TTIP entscheidend. Am Ende ist für das Abkommen ein einstimmiger Beschluss der EU-Mitgliedstaaten im Rat nötig, ebenso eine Ratifizierung durch das Europäische Parlament sowie durch Bundestag und Bundesrat. Bei einem derart wichtigen Abkommen sollten nationale Parlamente befasst werden und das Abkommen demokratisch legitimieren.

Weiter Informationen:

http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Freihan...

http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandels... "

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (2)Schließen

  1. Autor Helmut Krüger
    am 12. Mai 2015
    1.

    "Zur Zeit gilt: In der EU muss die Industrie mit umfangreichen Tests nachweisen, dass ein Stoff ungefährlich ist. In den USA darf der Stoff nach wenigen Tests in den Handel."
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    Genau hierin, was Sie schrieben, sehe ich die Unvereinbarkeit der zwei völlig verschiedenen Prinzipien, Gefahrenvorsorge und Gefahrennachsorge zu betreiben.
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    Bis auf Gefahrenvorsorge beim geheiligten Automobil, bei dem die eingebauten Unzulänglichkeiten exakt nachgewiesen werden konnten - im Sinne des Ursache-Wirkungs-Prinzips -, ist es bei nahezu allen anderen Dingen völlig anders in den USA:
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    Vorsorge ist eine Hinderung des Handels, es gilt das Prinzip, dass bei Fälligkeit der Nachsorge die Abschreckung durch Strafzahlungen derart hoch sei, dass Derartiges zukünftig vermieden werde. - Dies mag dort greifen, wo die Schäden überschaubar sind und gleiche und gleichartige Waren in größer Stückzahl produziert werden, doch be Katastrophen allergrößten Ausmaßes halte ich dieses Denken und Handeln für fatal.
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    Genau dieser "Rubikon" lässt sich nicht glätten. Deshalb kann es auch kein Zusammenkommen außerhalb dessen geben, was zurzeit Geltung hat. Und as sollte aus wohlweislichen Gründen auch so bleiben.

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