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seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Thomas Montag am 18. Oktober 2016
9380 Leser · 1 Kommentar

Soziales

Ist unser Sozialsystem solidarisch oder unterstützt es nur die Nehmerkultur?

Sehr geehrte Kanzlerin,

ich würde Ihnen gerne eine Frage stellen.

Unser Sozialsystem ist eines der teuersten Systeme in der westlichen Welt und verschlingt Milliarden Euro. Gleichzeitig mögen wir aber auch nicht auf die sozialen Errungenschaften verzichten. Sie sind eine Evolutionsstufe in der Entwicklung unserer Systeme und nicht zu revolutionieren, sondern zu reformieren.

Im Hinblick auf den demografischen Wandel und die sich einschleichende Nehmerkultur in breiten Teilen des Sozialsystems, stellt sich mir immer wieder die Frage, warum die Politik es nicht leistungsbetonter macht. Konkret versuchen wir mit einer Umfrage zum Thema zu ermitteln, ob z.B. die Erwerbsminderungsrente mit leistungsverpflichtenden Anreize und weniger Sanktionierung ein Weg aus dieser Situation sein kann.

Die Umfrage:
www.q-set.de/q-set.php?sCode=UKDMDHKWDKPQ

Warum verpflichten Sie Leitungsempfänger nicht einen Beitrag zu leisten, z.B. den erwerbsgeminderten Rentner tatsächlich 3-6 Stunden zu arbeiten oder Hartz IV an Arbeitgeber bei Beschäftigung von diesen Personengruppen auszuzahlen, damit eine gesellschaftliche Gegenleistung des Bedürftigen erfolgen kann?

Im Hinblick auf die kommenden Generationen ist eine Reform dringend notwendig, damit ich meinen Kindern dieses System als sinnvoll darlegen kann und nicht nur als teuer.

Vielen Dank für die Beantwortung.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas G. Montag

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 28. November 2016
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Montag,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Wer in der Bundesrepublik in Not gerät, soll dennoch ein menschenwürdiges Leben führen können. Wer das nicht aus eigener Kraft schafft, erhält Sozialhilfe oder Grundsicherung. Sozialhilfe ist kein Almosen für die betroffenen Menschen, sondern eine gesetzlich verankerte Unterstützung für ein menschenwürdiges Dasein. Sie ist zu unterscheiden von der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“, die sich an Erwerbsfähige zwischen 15 und 65 Jahren richtet. Als erwerbsfähig gilt, wer täglich mindestens drei Stunden arbeiten kann.

Mit „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ist das „Arbeitslosengeld II“ gemeint, auch als „Hartz-IV“ bezeichnet. Gesetzliche Grundlage ist das Sozialgesetzbuch II. Sozialhilfe und Grundsicherung werden aus Steuern finanziert und sichern das Existenzminimum für die jeweiligen Personengruppen.

Jeder, der mit dem Geld der Steuerzahler in einer Notsituation unterstützt wird, muss mithelfen, seine Situation zu verbessern. Menschen, die arbeitsfähig sind, müssen - nach geltender Rechtslage – alles unternehmen, um ihren Lebensunterhalt wieder selbst zu verdienen. Das ist das vorrangige Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mit diesem Ziel unterstützen und beraten die zuständigen Job-Center Menschen in der Grundsicherung.

Empfänger von Arbeitslosengeld II müssen jedes zumutbare Job-Angebot annehmen. Zumutbar ist auch eine Erwerbtätigkeit, die im Hinblick auf die Ausbildung als geringwertiger anzusehen ist. Wer in der eigenen Region keine Beschäftigung finden kann, muss gegebenenfalls umziehen. Wer eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Eingliederungsmaßnahme ohne wichtigen Grund ablehnt, obwohl sie zumutbar ist, muss mit Kürzungen des Arbeitslosengeldes II rechnen. Das gilt für alle Arbeitsuchenden, die von den Leistungen der Grundsicherung leben.

Zu Leistungsanspruch und Sanktionsmöglichkeiten bei der Grundsicherung:
http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/...
Sie sehen: Schon heute stehen nicht Sanktionen im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, Menschen dabei zu unterstützen, dass sie aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Anders verhält es sich bei der Erwerbsminderungsrente. Diese Rente erhält nur, wer wegen Krankheit oder Behinderung dauerhaft außerstande ist zu arbeiten. Und natürlich nur derjenige, der in die Rentenversicherung eingezahlt hat. Wer trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch wenige Stunden arbeiten kann, kann eine „Teilweise Erwerbsminderungsrente“ erhalten. In jedem Fall muss ärztlich anerkannt sein, dass die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist. Außerdem müssen alle Möglichkeiten, durch Rehabilitationsmaßnahmen wieder arbeiten zu können, ausgeschöpft sein. Denn es gilt der Grundsatz: Reha vor Rente. Die Höhe der Erwerbsminderungsrente bemisst sich übrigens an der Höhe der Beiträge, die die Betroffenen während ihres Arbeitslebens eingezahlt haben.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung