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Beantwortet
Autor Bea Schmidt am 11. Juni 2010
13366 Leser · 0 Kommentare

Soziales

Abmahner - Bereicherung durch Abzockerei

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

ich habe eine Frage: Wann wird man obskuren Abmahnern, die sich auf Kosten anderer schamlos bereichern, endlich per Gesetz einen Riegel vorschieben?

Wie kann es angehen, daß beispielsweise profitgierige Juristen das Internet nach kleinen Fehlern von Privatanbietern oder Neugründern durchstöbern und massenweise Abmahnbriefe verschicken und sich dadurch so exorbitant bereichern können?

Wie kann es sein, daß solche Leute wegen kleiner Formfehler bei Ebay-Verkäufern Rechnungen über 550 Euro versenden, damit auch noch RECHT bekommen und kleinunternehmerische oder private Existenzen ruinieren dürfen?

Wir leben in einer Zeit, in der immer weniger normale und klassische Beschäftigungsverhältnisse wie noch vor 30 Jahren möglich sind - hat man dann evtl. eine Möglichkeit z.B. als Ebay-Händler gefunden, um sich und seine Familie über Wasser zu halten mit selbstverdientem Geld - und leistet sich nur einen kleinen Fehler, darf man anschließend u.U. solchen Abmahn-Abzockern viel Geld in den Rachen werfen!

Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal mit diesem Thema auseinandersetzen können? Wird diese Bundesregierung solchen unmoralischen Machenschaften evtl. bald einen Riegel vorschieben?

Mit besten Grüßen und vielen Dank,

Bea Schmidt

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 19. Juli 2010
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Schmidt,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Die Frage nach Abmahnungen betrifft verschiedene rechtliche Vorschriften, die sowohl dem Schutz des Verbrauchers als auch dem Schutz von Urhebern und sonstigen Rechteinhabern dienen. Wir können und dürfen an dieser Stelle keine Rechtsberatung vornehmen. Jeder Fall ist anders gelagert. Grundsätzlich gilt jedoch folgendes:

Bei den meisten Fällen von Abmahnungen, wie Sie sie beschreiben, handelt es sich um Verstöße gegen das Urheberrecht. Das Urhebergesetz (UrhG) schützt die Urheber von Werken aus Literatur, Wissenschaft und Kunst in ihren geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Bedient sich ein Dritter unbefugt des Werkes (z.B. durch Gebrauch eines Fotos bei einer Internetauktion), könnte er gegen diverse Rechte verstoßen, die dem Urheber zustehen (Veröffentlichungs-, Verwertungs- sowie Nutzungsrechte). Um dem entgegenzuwirken, sieht § 97 UrhG vor: Wer sein Urheberrecht verletzt sieht, kann vom „Täter“ verlangen, dass er diese Beeinträchtigung beseitigt; bei Wiederholungsgefahr kann der Rechteinhaber auf Unterlassung klagen, oft auch einen Schadensersatz verlangen.

Vor einem gerichtlichen Verfahren soll gem. § 97a UrhG eine Abmahnung erfolgen.
Bei diesen Maßnahmen kann sich der Rechteinhaber auch von einem Anwalt helfen lassen.

Weitere Rechtsgründe für Abmahnungen können auch Verstöße gegen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sein. Das UWG dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen – auch im Internethandel. Nach §§ 8, 12 UWG können zu diesem Schutz die betroffenen Mitbewerber sowie bestimmte Verbände, Einrichtungen und Kammern durch Abmahnung den Schädiger auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch nehmen.

In Ihrer Mail fragen Sie an, wann es ein Gesetz geben wird, das die Kosten für Abmahnungen regelt und beschränkt. Eine solche Regelung gibt es bereits: durch den neuen § 97a des Urhebergesetzes, der seit dem 1. September 2008 gilt. Da im Urheberrecht – im Gegensatz zum Wettbewerbsrecht, das eine Wettbewerbshandlung voraussetzt – auch Rechtsverletzungen durch Private vorkommen, sollen diese Privatpersonen vor überzogenen Kosten durch Abmahnungen geschützt werden.

Daher sind nach § 97a Abs. 2 UrhG die erstattungsfähigen Anwaltskosten für eine erstmalige Abmahnung auf 100 Euro begrenzt, um einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen.

Zu dieser Deckelung auf 100 Euro kommt es jedoch nur dann, wenn die Verletzungshandlung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs stattgefunden hat. Unter Handeln im geschäftlichen Verkehr ist jede wirtschaftliche Tätigkeit auf dem Markt zu verstehen, die eigenen oder fremden Geschäftszwecken dient. Wegen des weiten Begriffs können je nach Intensität ihres Internethandels viele Betroffene unter die Regelungen des Wettbewerbsrechts fallen. Hier gilt aber die Kostenbeschränkung auf 100 Euro nicht.

Im Wettbewerbs- wie im Urheberrecht ist der Aspekt der massenweisen Abmahnungen, die nur dazu dienen, sich zu bereichern, berücksichtigt: So regelt § 8 UWG in Absatz 4 die rechtsmissbräuchliche Abmahnung. Erfolgte die Abmahnung z.B. nur zu dem Zweck, die Kosten der Rechtsverfolgung zu kassieren, gilt dies als unzulässig und missbräuchlich. Außerdem können im Fall eines gerichtlichen Verfahrens nach § 12 Abs. 4 UWG die Prozesskosten verringert werden, wenn die Sache nach Art und Umfang einfach gelagert ist oder wenn die Belastung einer der Parteien mit den Prozesskosten nicht tragbar erscheint.

Weitere Informationen finden Sie hier:

Zum Gesetz zur Rechtsdurchsetzung im geistigen Eigentum
http://www.bmj.bund.de/enid/e5255ceac94189d415af492beac8d...

Zum Schutz für das geistige Eigentum
http://www.direktzu.de/s/hbetnb

Zu Informationspflichten nach bürgerlichem Recht und Musterbelehrungen
http://www.bmj.de/bgbinfovo

Leitfaden zur Impressums- / Anbieterkennzeichnungspflicht
http://www.bmj.de/musterimpressum

Zum Umweltgesetzbuch:
http://www.bmj.bund.de/enid/fe64d8e5a743adeb1f9498a776ddc...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung