Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Abstimmungszeit beendet
Autor Matthias Hanspach am 10. Juni 2009
9575 Leser · 0 Kommentare

Soziales

Azubis unter Existenzminium

Sehr geehrter Frau Bundeskanzlerin Merkel,

ich möchte Sie auf diesem Weg fragen, ob es wirklich Sinn macht, junge, bildungswillige Menschen unter dem Existenzminimum leben zu lassen. Durch das Beispiel meines Sohnes wurde ich mit diesen Fällen konfrontiert und weiß nun, dass er keineswegs ein Einzelfall ist. Habe ich bislang immer geglaubt, das soziale Netz sei so gestrickt, dass wirklich niemand durchfällt, schon gar niemand, der sich müht, auf eigenen Beinen zu stehen, belehrt mich das Beispiel meines Sohnes eines besseren. Auch Sätze wie Ausbildung bewahrt vor der Sozialfalle etc. kann ich nicht mehr hören. Denn in der Praxis scheint das Gegenteil der Fall zu sein.
Mein Sohn, noch 24 Jahre, begann nach dem Abitur 2005 ein Studium für Lehrer an berufsbildende Schulen. Nach knapp fünf Semestern entschloss er sich,das aufzugeben, da er erkannte, dass seine Zukunft doch eher in der Sozialpädagogik liegt. Er hat lange mit sich gerungen, die Uni abzubrechen. Offensichtlich zu lange, um weiter ein einigermaßen finanziell tragbares Leben zu führen. Denn zunächst absolvierte er nach dem Studienabbruch ein Jahr Praktika in sozialen Einrichtungen, um den oftmals für die Ausbildung in der Sozialpädagogik geforderten praktischen Einblick nachweisen zu können. Dann folgte die Bewerbung für einen Studienplatz. Das war wegen des Andrangs in dieser Studienrichtung nicht von Erfolg gekrönt. Er begann die für Abiturienten mögliche verkürzte schulsiche Ausbildung zum Sozialassistenten, um das Wartejahr bis zur nächsten Studieneinschreibung sinnvoll zu verbringen.
Sein Einkommen in dieser Zeit: 350 Euro Minijob
150 Euro Kindergeld
macht: 500 Euro.
Die Ausgaben: Miete 200 Euro
Schulgeld: 110 Euro
bleiben 190 Euro für Essen, Kleidung, Fahrtkosten, Telefon, Schulmaterial, etc.
Es kommt aber noch besser: Er wird jetzt 25 Jahre und beginnt nun ab August die dreijährige Ausbildung zum Erzieher, da es mit dem Studienplatz wieder nicht geklappt hat. Kindergeld bekommt er nicht mehr, dafür muss er sich selbst in der Krankenkasse versichern. Nun die Rechnung:
Sein Einkommen: 350 Euro Minijob
Seine Ausgaben: Schulgeld: 110 Euro
Miete 200 Euro
Krankenkasse rund 60 Euro
macht unterm Strich ein Minus von 20 Euro im Monat.
Die Ausbildung ist Bafög-berechtigt. Doch Bafög bekommt mein Sohn nicht mehr (er hatte im Erststudium über 400 Euro, nur damit Sie sich auch ein Bild von unseren Vermögensverhältissen machen können), weil er das Erststudium laut Gesetz zu spät abgebrochen hat. Hartz IV bekommt er während der Ausbildung auch nicht, weil er dem Anspruch nach Bafög berechtigt wäre und als Azubi dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Endkonsequenz wäre: als intelligenter junger Mann, mit richtig Interesse an Pädagogik und dem Beruf des Sozialpädagogen, die Ausbildungsmöglichkeiten nicht wahrnehmen, sondern alles hinschmeißen und sich beim Amt melden. Sofort wäre er Hartz IV-berechtigt, würde die Miete bezahlt und 351 Euro Unterstützung bekommen, bräuchte also nach der Schule nicht mal mehr bis 22 Uhr an der Supermarktkasse sitzen und könnte schauen, was denn die staatliche Jugendförderung so anbietet. Das kann doch nicht im Sinne des Erfinders sein. Ich bin wirklich kein Verfechter der Versorgungsmentalität. Doch hier gibt es offensichtlich deutliche Lücken. Solche jungen Menschen, wie die Frau, die ihnen geschrieben hat oder auch mein Sohn, sind bei weitem keine Einzelfälle. Hier müsste nachgebessert werden. Von mir aus, sollen diese JUgendlichen, sich die Berechtigung auf die Förderung verdienen müssen. Gerade in den konkreten Fällen böte sich die Verpflichtung zu Arbeit in sozialen Einrichtungen und die Setzung eines Mindestleistungsabschlusses an. Mein Sohn arbeitet übrigens ehrenamtlich bereits in der freien Jugendarbeit - so weit geht das Engagement ,und sicher nicht nur bei ihm. Doch wie lange halten junge Menschen mit dieser Zielsetzung das aus, wenn sie erleben, dass teilweise Faulpelze ein zumindest materiell abgesichertes Leben führen können?
Mit freundlichen Grüßen C. Hanspach