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Beantwortet
Autor Christian Stein am 30. Mai 2011
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Soziales

Mehrklassiges Steuersystem ausweiten

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

Ich habe mir Gedanken zu den Kostenexplosionen in nahezu jedem Lebensbereich, die insbesondere Einkommensschwache Haushalte hart treffen, gemacht, und möchte Ihnen vorschlagen, unser mehrklassiges Steuersystem auf andere Steuern, wie zum Beispiel die Mehrwertsteuer auszuweiten.

Mir schwebt vor, dass Kunden, eine Chipkarte bekommen, auf der eine Steuerklasse, abhängig vom Einkommen vermerkt ist und entsprechend beim Bezahlen an einer Kasse ein je nach Steuerklasse verringerter oder erhöhter Preis bezahlt werden muss.

Insbesondere bei Kraftstoffen oder Strom/Heizung wäre dieses System sinnvoll, da ich immer häufiger, in Internetforen, etc. von Menschen lese, dass sie sich den Weg zur Arbeit bald nicht mehr leisten können, oder nicht wissen, wie sie im nächsten Winter heizen sollen.

Ich habe die Befürchtung, dass Sie und die allermeisten Politiker durch den Luxus, in dem man als Politiker lebt, zu realitätsfremd geworden ist, um die Situation vieler Menschen/Geringverdiener (Herr Gysi spricht von einem fünftel aller Berufstätigen, hinzu kommen die verdeckten Armen) wirklich zu sehen. Ganz wie vor der französischen Revolution, wo Ludwig XVI gesagt hat: "Das Volk hat kein Brot? Dann soll es halt Kuchen essen!"

Wie stehen Sie zu meinem Vorschlag?

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 05. Juli 2011
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Stein,

vielen Dank für Ihre Anregungen, auf die wir Ihnen im Auftrag der Bundeskanzlerin antworten.

In der Sozialen Marktwirtschaft findet ein sozialer Ausgleich über die Steuerprogression bei Lohn und Einkommen statt. Wer mehr Geld verdient, zahlt auch – prozentual ansteigend – einen höheren Steuersatz. Das ist sozial ausgewogen und gerecht. Für ein und dasselbe Produkt unterschiedliche Preise zu verlangen, würde nicht zu mehr Gerechtigkeit führen, sondern zum Gegenteil. Zudem würde eine Steuer-Chipkarte für den Einkauf mit unterschiedlichen Preiszahlungen Missbrauch Tür und Tor öffnen und erhebliche administrative, technische und finanzielle Hürden schaffen.

Im Übrigen: Wer geringere Einkünfte hat, führt auch weniger ab. So bleibt das Existenzminimum durch den Grundfreibetrag grundsätzlich steuerfrei. Beide werden regelmäßig überprüft. Der Grundfreibetrag stieg seit 2000 von 6.902 Euro / 13.804 Euro (Ledige/Verheiratete) auf inzwischen 8.004 Euro / 16.008 Euro (Ledige/Verheiratete).

Die Einkommensteuer berücksichtigt unter anderem auch die Mehrbelastungen für Berufspendler. So tragen die unteren 50 Prozent der Steuerpflichtigen (Einkommen bis zu 26.750 Euro/Jahr) nur etwa 6 Prozent der gesamten Einkommensteuer.

Ein Hinweis: Die Bundesregierung hat vor allem Familien mit Kindern in den letzten Jahren steuerlich entlastet. Einkommensschwachen Haushalten hilft beispielsweise das Wohngeld.

Bei der Mehrwertsteuer sorgt der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent dafür, dass wichtige Güter des täglichen Bedarfs geringer belastet werden – beispielsweise Lebensmittel.

Seit 1980 ist der Anteil der Sozialausgaben im Bundeshaushalt von 16 auf über 50 Prozent gestiegen. Unser Staat garantiert jedem Bürger mit Steuergeldern notfalls ein Leben lang ein erträgliches Auskommen. Wer krank ist, wird versorgt wie in wenigen anderen Saaten. Wer will, bekommt in Deutschland eine solide Schul- und Berufsausbildung.

Sicherlich werden Sie uns zustimmen, dass ein Vergleich der sozialen Lage in Deutschland mit dem vorrevolutionären Frankreich des 18. Jahrhunderts, vorsichtig ausgedrückt, unpassend ist.

Weitere Informationen erhalten Sie hier: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_618/DE/BMF__Star...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung