Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Harry Schütze am 11. April 2012
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Vorhaben, Vorschläge und Ideen

Vorschlag des Justizministers zum Hafturlaub für Schwerkiminelle nach fünf Haftjahren

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

wie in diesen Tagen aus den Medien zu erfahren war und heftig diskutiert wird, beabsichtigen einige Bundesländer, schwerkriminelle Straftäter wie Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder bereits nach fünf Jahren Haft, Hafturlaub zu ermöglichen.

Ganz voran wird hier der Justizminister Brandenburgs, Dr. Volkmar Schöneburg zitiert, der sich für diesen Gesetzentwurf einsetzt.

Ist es wirklich die politische Zielrichtung Brandenburgs, kriminelle Straftäter bereits schon nach fünf Jahren wieder auf die Menschheit loszulassen und diese damit in Gefahr zu bringen?. Nicht selten werden Straftäter im Hafturlaub rückfällig, etliche Beispiele hierfür gibt es zu genüge. Gerade das Bundesland Brandenburg sollte hier doch ein besonderes Interesse haben solche gravierenden Fehler zu vermeiden, sind doch vor noch nicht allzu langer Zeit drei Straftäter in Brandenburg auf Hafturlaub geflohen.

Sollte nicht Ihnen als Ministerpräsident das Wohl der Bürger Brandenburgs am Herzen liegen, vor den Interessen von Menschen die Normen und Werte, das Leben andere mit Füßen treten und wegen solcher Verbrechen zurecht verurteilt wurden?

Wie wollen Sie so einen Gesetzentwurf guten Gewissen gegenüber Familien und Angehörige vertreten die durch solche Straftäter zu Opfern wurden, im Regelfall ein Leben lang?

Steht hier wirklich das Interesse solche Straftäter nicht vollständig von der Gesellschaft zu isolieren und ihnen eine Wiedereingliederung in die selbige zu ermöglichen, vor dem berechtigten Interesse der Gesellschaft, zumal diese Straftäter weiß Gott nicht wegen Kavaliersdelikte inhaftiert sind?

Wie unfähig die Justiz zuweilen zu seien scheint, zeigt der Fall der ermordeten 11jährigen Lena. Nach Meinung der Mehrheit hätte dieser Mord verhindert werden können, wäre der Täter, der als pädophil bekannt war, gegen den bereits mehrere Monate vor dem abscheulichen Mord Strafanzeigen vorlagen, inhaftiert worden.

Vertritt das Bundesland Brandenburg mit Ihnen als Ministerpräsident die Auffassung des lockeren Umgangs mit schwerkriminellen Straftätern?

Es wäre schön wenn Sie hierzu ihre Meinung und Sichtweise darlegen könnten, wie Sie zu diesem Vorschlag ihres Justizministers stehen und ob Sie einen solchen befürworten und sogar mittragen würden.

MfG

H. Schütze

+74

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Antwort
von Matthias Platzeck am 28. Juni 2012
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Schütze,

um es gleich vorweg zu sagen: Ich nehme die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung hinsichtlich schwerer Kriminalität und des Umgangs mit Täterinnen und Tätern sehr ernst. Es steht außer Frage, berechtigter Kritik auch an Entscheidungen zum Umgang mit Verdächtigen oder bereits Verurteilten muss nicht nur nachgegangen, sondern es müssen auch Konsequenzen gezogen werden. Zugleich wird das von Ihnen angesprochene Thema – eben weil es oft um harte persönliche Schicksale der Opfer geht – sehr emotional debattiert. Auf diese Art und Weise geraten mitunter Fakten aus dem Blick und es entsteht eine nicht selten einseitige Sicht auf die Dinge.

Deshalb nehme ich sehr gerne die Gelegenheit wahr, nicht nur Ihnen, sondern allen interessierten Leserinnen und Lesern meines Portals das System der Vollzugslockerungen im besagten Musterentwurf für ein Strafvollzugsgesetz zu erläutern. Diesen Entwurf haben zehn Bundesländer gemeinsam erarbeitet. An der Erarbeitung waren neben Brandenburg die Justizressorts von Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen beteiligt. Also wenn Sie so wollen, präsent war die gesamte politische Bandbreite in Deutschland.

Doch nun zu den Einzelheiten: Der Gesetzentwurf legt - wie bisher - als Vollzugsziel fest, die Gefangenen zu einem Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu befähigen. Die gesamte Vollzugsgestaltung hat sich an diesem Ziel auszurichten. Das ist im Übrigen auch in unserer Landesverfassung verankert. Und deren Annahme in einer Volksabstimmung vor 20 Jahren haben wir gerade gefeiert. Anders gesagt: Die Resozialisierung der Gefangenen hat bei uns Verfassungsrang. Zudem hat auch das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont, dass auch zu lebenslangen Freiheitsstrafen Verurteilte nicht stärker von der Außenwelt isoliert werden dürfen, als es für den Freiheitsentzug und die Behandlung notwendig ist.

Als Lockerungen des Vollzuges kennt der Entwurf wie bisher Ausgang, Freigang und Langzeitausgang, der im Strafvollzugsgesetz des Bundes bisher Urlaub aus der Haft heißt. Eine Sonderregelung für zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte Strafgefangene enthält der Gesetzentwurf - wie schon das Strafvollzugsgesetz des Bundes - lediglich für den Langzeitausgang. So können „Lebenslängliche“ Langzeitausgang erst erhalten, wenn sie sich einschließlich einer vorhergehenden Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung fünf Jahre im Vollzug befunden haben oder im offenen Vollzug untergebracht sind. Das Strafvollzugsgesetz des Bundes sieht hier eine Wartezeit von zehn Jahren vor. Die Sperrfrist gilt auch dort nicht für die sich im offenen Vollzug befindenden Verurteilten.

Nach Auskunft des Justizministers wird diese Praxis dem Anspruch nicht gerecht. Aktuell befinden sich 71 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilte im brandenburgischen Justizvollzug. Lediglich zwei von ihnen erhalten Urlaub nach dem bisherigen Strafvollzugsgesetz. Und obwohl dies nach zehn Jahren möglich wäre, wurde diesen Gefangenen Urlaub erst nach über 15 beziehungsweise über 17 Jahren Haft gewährt. Die 13 Gefangenen, die bislang so genannte Ausführungen erhalten - das sind in der Regel die ersten Lockerungen unter Aufsicht von Vollzugsbediensteten -, haben diese erst nach durchschnittlich 19 Jahren Haft erhalten.

Nach Auffassung der zehn oben genannten Justizressorts ist eine Absenkung der Sperrfrist geboten, damit künftig die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilten zeitgerecht im Rahmen der Vollzugsplanung Langzeitausgang erhalten. Das sehen offenbar auch im Bereich der Strafrechtspflege tätige Vereine so, wie die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelfer oder der Deutsche Anwaltsverein. Auch Vertreter der Wissenschaft haben den Entwurf begrüßt.

Wichtig ist mir, sehr geehrter Herr Schütze, abschließend deutlich zu machen, dass die Gefangenen nach dem Entwurf keinen Rechtsanspruch auf einen Langzeitausgang haben, sondern auf Antragstellung. Lockerungen dürfen nur gewährt werden, wenn es auch verantwortet werden kann. Dazu ist eine sehr sorgfältige Prüfung der Flucht- und Missbrauchsgefahr Voraussetzung. Einer solchen Entscheidung liegen in der Praxis immer ausführliche Stellungnahmen der zuständigen Psychologen, in vielen Fällen sogar Gutachten von Sachverständigen zugrunde. Überdies wird jede einem zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilten geplante Vollzugslockerung dem Justizministerium vorgelegt. Dessen Zustimmung ist zwingend vorgeschrieben.

Wie Sie sehen, sehr geehrter Herr Schütze, geraten auch bei dem in Rede stehenden Entwurf die Interessen der Allgemeinheit, ihr Anspruch auf Schutz vor Kriminellen nicht aus dem Blick. Zudem misst das Land Brandenburg dem Opferschutz weiterhin eine sehr hohe Bedeutung bei. So fördert das Land aus Haushaltsmitteln die Opferhilfe Land Brandenburg e. V. jährlich mit 207.500 Euro.

Mit freundlichem Gruß

Matthias Platzeck


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