Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Helmut Hummel am 19. Februar 2009
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Wirtschaft

Wettbewerb im SPNV des VBB

Betrifft: Wettbewerb im SPNV des VBB

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Matthias Platzeck,

Mit dem Regulierungsgesetz aus dem Jahr 1996 ist die Aufgabe der öffentlichen Daseinfürsorge für die Nahverkehrsleistungen auf die Bundesländer übergegangen, die dafür vom Bund Regionalisierungsmittel überwiesen bekommen.

Grundsätzlich entscheiden die Bundesländer seitdem autonom welche Art von SPNV sie bestellen. Dabei entscheiden sie auch über eine Direktvergabe oder ob sie die Leistungen ausschreiben wollen.
Um mehr Wettbewerb durchzusetzen werden die Länder durch die Eisenbahnpolitik der Europäischen Union bedrängt die Vergabe der Verkehrsleistungen durch öffentliche Ausschreibungen vorzunehmen.

Grundsätzlich ist gegen diese Art von Wettbewerb auch nichts einzuwenden, wenn er dem wirtschaftlichen und sozial gerechtfertigtem Einsatz der dafür vom Bund und den Ländern aus Steuermitteln bereitgestelltem Geld entspricht.
Es nützt niemandem, auch nicht den ausschreibenden Bundesländern, wenn vergleichsweise gut bezahlte Arbeitsplätze durch schlechter bezahlte und schlechter abgesicherte Arbeitsplätze ersetzt werden sowie wenn vorhandene Infrastruktur infolge der Ausschreibungen ungenutzt bzw. sogar durch neue geförderte Infrastruktur ersetzt wird.

Bei den, durch den Verkehrsverbund Berlin Brandenburg und die Länder Brandenburg und Berlin mit Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gegenwärtig laufenden Ausschreibungen des Stadtbahnnetzes Berlin in vier Losen, wobei die Lose eins und zwei jeweils nicht an den gleichen Anbieter gehen dürfen, kann aber von realem Wettbewerb keine Rede mehr sein.

Hier wird der Wettbewerb selbst durch die Ausschreibung unterlaufen und ist ggf. auch gegenüber dem europäischen Eisenbahnrecht bzw. Vergaberecht rechtswidrig.

Auch fließen ja auch nicht unerhebliche Mittel in die Förderung des SPNV, so der Anschaffung von Schienenfahrzeugen und beim Ausbau der Infrastruktur und der Werkstätten.
Die gegenwärtige Ausschreibung ignoriert durch ihre Vergabebedingungen, das schon erhebliche Mittel in die vorhandene Infrastruktur geflossen sind, so zu Beispiel nach Neuruppin, Cottbus und Wittenberge.

Die Auslastung und wirtschaftliche Nutzung dieser Infrastruktur und der Arbeitskräfte ist durch diese Vorfestlegungen auf das Äußerste gefährdet.

Die Vergabe in Losen, die von vornherein an verschiedene Anbieter ohne Betrachtung der ökonomischen und sozialen Bedingungen gehen soll, zieht fast zwangsläufig soziale Verwerfungen bei Arbeitskräften, bei der Auslastung von Werkstätten und den Einsatz zusätzlicher Fördermittel nach sich.

Ich bin ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Reichsbahn und der DB AG und würde mich nicht als Laie auf diesem Gebiet bezeichnen und ich spreche mit meinem Anliegen als Leiter einer Seniorengruppe der TRANSNET mit ca. 580 Mitgliedern in deren Auftrag.

Ich bitte Sie, Ihren Einfluss geltend zu machen und diesem unsinnigen Vorhaben eine klare politische Absage zu erteilen.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Hummel

+85

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Antwort
von Matthias Platzeck am 14. April 2009
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Hummel,

die von Ihnen angesprochene Ausschreibung für den regionalen Schienenverkehr in Berlin-Brandenburg beschäftigt seit vielen Wochen die Gemüter. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die vier beteiligten Bundesländer – neben Brandenburg sind das Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt - wollen mit dieser Ausschreibung, die sehr viele attraktive Linien erstmalig in den Wettbewerb bringt, eine gute Qualität für die Bahnkunden zu günstigeren Preisen im Interesse des Steuerzahlers erreichen.

Überall in Deutschland wird sich durch zunehmenden Wettbewerb die Bahnlandschaft weiter verändern. Neue Anbieter werden verstärkt als Arbeitgeber auftreten. Nach meiner festen Überzeugung wird es tendenziell nicht weniger Arbeit für Eisenbahner geben, da günstigere Preise für die Bundesländer die Chance zur Bestellung von mehr Eisenbahnverkehr eröffnet.

Dennoch, sehr geehrter Herr Hummel, habe ich natürlich Verständnis für die Sorge der Beschäftigten, die Veränderungen ihres Arbeitsumfeldes und auch Lohndumping befürchten. Gerade in Zeiten einer harten Finanz- und Wirtschaftskrise wächst die Sorge um Auskommen und Beschäftigung. Die Bahnbeschäftigten haben ein Recht darauf, dass diese Sorgen ernst genommen werden. In den letzten Monaten haben deshalb unser Verkehrsminister Reinhold Dellmann, der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Clemens Appel, und ich selbst mehrere Gespräche mit Vertretern der Gewerkschaften und mit Betriebsräten geführt. Wir haben zugehört und die Sorgen aufgenommen. Ich sage hier ganz klar: Um einen einseitigen Wettbewerb zu Lasten der Mitarbeiter der DB Regio zu verhindern, spricht sich unser Land Brandenburg nachdrücklich für einen einheitlichen Branchentarifvertrag aus. Hierzu gibt es erste ermutigende Signale von den Beteiligten.

Wie Sie richtig schreiben, ist das Land Brandenburg gemeinsam mit Berlin dafür verantwortlich, dass es auf den Schienen in unserer Region schnelle, zuverlässige Verbindungen gibt und zugleich mit den bereitgestellten Finanzmitteln gut und effizient gearbeitet wird. Dieses Ziel verfolgen die beteiligten Bundesländer mit der Ausschreibung. Wir hier in Brandenburg werden unserer Verantwortung gerecht und fordern sowohl Zuverlässigkeit als auch Qualität im Schienenverkehr ein. Unser Ziel ist es dabei, neue Monopolstrukturen zu vermeiden und das wirtschaftliche Risiko auf mehrere Unternehmen zu verteilen. Unter dem Strich stärkt das Land dadurch das Eisenbahnsystem.

Ihre Einschätzung, sehr geehrter Herr Hummel, dass mit der Ausschreibung viele Arbeitsplätze unsicherer werden, teile ich nicht, nehme sie aber ernst. Richtig ist auf jeden Fall, dass eventuell einige Arbeitsplätze zu anderen Unternehmen verlegt werden. Dort wird jedoch die gleiche gute Qualifikation des Personals benötigt. Sehr geehrter Herr Hummel, Sie heben in Ihrer Frage auf Vorgaben der Europäischen Union und die deutschen Gesetze zur Vergabe und zum Wettbewerb ab. Eben diese Vorgaben sind auch Richtschnur des brandenburgischen Handelns in dieser Frage. Denn sie geben den strikten Rahmen vor, alle Bieter gleich zu behandeln, ein transparentes Verfahren durchzuführen und nach eindeutigen Kriterien einen Zuschlag zu erteilen.

Noch ein Wort: Ich schätze und achte Menschen wie Sie, die sich gewerkschaftlich engagieren und sich für Arbeitnehmerinteressen einsetzen. Ohne die Gewerkschaften wäre unsere Gesellschaft ärmer. Ich gebe aber zu bedenken, dass Gewerkschafter sich nicht nur für Arbeit und soziale Gerechtigkeit in einem Unternehmen engagieren sollten. Auch andere Einsenbahnverkehrsunternehmen bemühen sich mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um hohe Qualität und Zuverlässigkeit. Das testen Fahrgäste bereits auf einigen Strecken in Brandenburg; und es wird sowohl in Fahrgastbefragungen als auch in Qualitätszahlen bestätigt. Darüber hinaus wurden von den neuen Wettbewerbern auf der Schiene schon viele Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG übernommen. Auch das jüngste Beispiel der Übernahme von Personal vom vorherigen Betreiber durch einen neuen Anbieter in der Lausitz zeigt, dass es auch für den Einzelnen nicht zu einem Arbeitsplatzverlust kommen muss, wenn ein anderes Eisenbahnunternehmen die Verkehrsleistungen übernimmt.

Mit freundlichen Grüßen