Sehr geehrte Nutzer von direktzu.de/vonderleyen. Diese Plattform ist aufgrund des Wechsels an der Spitze des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) archiviert. Sie können daher keine Beiträge veröffentlichen oder bewerten. Bereits veröffentlichte bzw. beantwortete Beiträge stehen Ihnen jedoch weiterhin zu Ihrer Information zur Verfügung. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Archiviert
Autor Dr. Antje Draheim am 22. Januar 2009
10126 Leser · 112 Stimmen (-21 / +91)

Kinder und Jugend

Verlust von Betreuungsplätzen in der Kindertagespflege

Thema: Kindertagespflege

Sehr geehrte Frau von der Leyen,

in Nürnberg haben Tageseltern und Eltern einen Verein gegründet, um ihre Interessen gegenüber der Politik besser vertreten zu können. Anlass war die Einführung der Steuer- und Sozialversicherungspflicht für die Tageseltern.
Tageseltern und Eltern fühlen sich von der Bundespolitik "im Stich gelassen", denn die Steuer- und Sozialversicherungspflicht hat dramatische Folgen:

1.) Tageseltern arbeiten derzeit schon im absoluten Mindestlohnbereich (3 Euro/h und Kind). Da Tagespflege oft Teilzeit oder Randzeitenbereich abdeckt, sind die durchschnittlichen Gesamtstundenlöhne geschätzt zwischen 7-9 Euro pro Stunde.
2.) Die Stadt Nürnberg möchte – wie Bund und Länder – eine qualitativ hochwertige Tagespflege. Qualität hat jedoch ihren Preis, es gibt aus unserer Sicht keine nachvollziehbaren Argumente, wie der hohe Qualitätsanspruch durch 3 Euro brutto abgegolten sein kann. (Nach Steuern und Sozialversicherung bleibt einer Tagespflegeperson ein Netto-Stundenlohn von 0,80 – 1,30 pro Kind und Stunde!)
3.) Hinzu kommt, dass Tageseltern nicht nur Kinder betreuen (die sonst keinen anderen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen könnten), sondern zugleich auch die Arbeitsplätze der Eltern sichern.
4.) Schließlich gibt es auch Argumente aus Gender-Mainstreaming-Sicht: Betroffene sind in der Regel
•Frauen mit geringen oder nicht mehr „modernen“ (Aus)Bildungsabschlüssen oder
•Frauen, die nach eigener Babypause aufgrund mangelnder Betreuungsangebote für eigene Kinder nicht wieder in ihren eigentlichen Beruf zurück kehren können
•Frauen, die einer Teilzeittätigkeit nachgehen müssen
Diesen Frauen nimmt man nun die Möglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, die zum Familieneinkommen tatsächlich beiträgt.

Der Bund hat das Problem jedoch einfach auf die Kommunen "abgewälzt". Die Kommunen legen nämlich die Tagesentgelte fest. Und wenn sich eine Stadt weigert, die bisherigen Entgelte zu erhöhen, haben die Tageseltern dort eben "Pech gehabt".
Der Bund verschließt die Augen, wenn er glaubt, alle Kommunen erhöhen nun kräftig die Entgelte. Woher sollen diese denn das nehmen? Zumal die Geldmittel des Kinderförderungsgesetzes vor allem für Investitionen institutioneller Angebote sprudeln…

Wie sollen Verhandlungsprozesse auf Landesebene oder mit Kommunen gelingen, wenn Gesetze bereits zwei Monate nach Beschluss in Kraft treten und weder Finanz-, Jugend-, Versicherungsämter noch Krankenkassen wissen, wie sie umgesetzt werden?

Warum denkt man im Bund nicht über einheitliche Rahmen nach? (Und bitte kein Verweis auf den Föderalismus, denn das Ziel: Ausbau der Kinderbetreuung ist schließlich erklärtes Ziel des Bundes!)

In unserer Stadt führt die neue gesetzliche Lage zu einem Verlust an Betreuungsplätzen! Allein in Nürnberg sind 40% des gesamten Angebots an Betreuungsplätzen durch Tagespflege abgedeckt.

Wissen Sie, was es bedeutet, als Mutter/Vater den Arbeitsplatz zu verlieren, weil die Tagesmutter/der Tagesvater aufhört und man auch keinen Krippenplatz bekommt?

Und schließlich: Warum werden explizit immer nur Investitionen in institutionelle Kinderbetreuung (Kinderkrippen, Kindergärten) mit Geldmitteln unterstützt und nicht auch der Ausbau der Tagespflege?

Uns ist auch nicht klar, warum Tageseltern nun Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung sein müssen. Sie sind Selbständige - wie passt das zusammen? Zumal der Bund noch 2005 eine private Altersvorsorge vorgeschrieben hat. Wie sollen Tageseltern, die zum Teil seit mehreren Jahrzehnten privat vorsorgen, nun die doppelten Beiträge aufbringen?

Und warum behandelt der Bund die privaten Tageseltern anders als die, die über das Jugendamt arbeiten? Solange es keine einheitlichen Standards über die Jugendämter gibt, ist das doch nur „Augenwischerei“. Auch Private tragen zur Kinderbetreuung bei und zahlen Steuern und Sozialabgaben.

Sie wissen, dass dies kein Problem der Stadt Nürnberg ist. Bundesweit haben sich seit dem Sommer Initiativen gegründet, die verzweifelt versuchen, Betreuungs- und Arbeitsplätze zu sichern. Über den Ausbau der Kindertagespflege nachzudenken, bleibt da keine Zeit.

Als zuständige Bundesministerin bitten wir Sie daher um eine substantiierte Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Antje Draheim
„Kinder in Tagespflege Nürnberg“ e.V.

+70

Die Abstimmung ist geschlossen, da der Beitrag bereits archiviert wurde.