Sehr geehrte Nutzer von direktzu.de/vonderleyen. Diese Plattform ist aufgrund des Wechsels an der Spitze des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) archiviert. Sie können daher keine Beiträge veröffentlichen oder bewerten. Bereits veröffentlichte bzw. beantwortete Beiträge stehen Ihnen jedoch weiterhin zu Ihrer Information zur Verfügung. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Beantwortet
Autor Klaus Abend am 05. Januar 2009
14502 Leser · 153 Stimmen (-49 / +104)

Familie

Kindergelderhöhung

Sehr geehrte Frau von der Leyen,

im Alter von 68 Jahren schreibe ich zum erstenmal in meinem Leben eine Nachricht (voller Empörung) an eine(n) Politiker(in).

Der Sachverhalt:
Meine Tochter hat vier wunderbare Kinder im Alter zwischen 8 und 14 Jahren. Die beiden ältesten gehen ins Gymnasium, die beiden jüngeren sind die besten Schüler ihrer Grundschulklassen und werden auch ins Gymnasuim gehen.
Meine Tochter lebt in Trennung und ist Alleinerziehende. Die fünfköpfige Familie hat ein monatliches Gesamteinkommen (inkl. Kindergeld) von etwa 2100 Euro.
Seit wenigen Monaten bemüht sich meine Tochter um einen (halbtäglichen) Arbeitsplatz; seitdem zahlt ihr die ARGE noch zusätzliche 150 Euro Arbeitslosenhilfe für zunächst 6 Monate.

Was hat sich meine Tochter gefreut als durch Ihre Veranlassung der Bundestag kürzlich die Erhöhung des Kindergeldes beschlossen hat !!!
Diese Erhöhung macht in Ihrem Fall um die 50 Euro monatlich aus, was sie dringend gebrauchen würde.

Kurz vor Weihnachten bekam sie nun einen Brief von der ARGE, in der ihr mitgeteilt wird, dass ihre Arbeitlosenhilfe entsprechend der Kindergelderhöhung gekürzt wird.

Wenn es nicht so traurig wäre, man müsste lachen !
Diejenigen, die am dringensten auf die KG Erhöhung angewiesen sind bekommen gar nichts zusätzlich!!!
Was hat denn der Kindesbedarf mit Arbeitslosenhilfe zu tun ??

Mit Verlaub: Das ist eine seltsame, unverständliche Art von Familienpolitik !! Mit "sozial" hat das mit Sicherheit überhaupt nichts zu tun!!
Nicht nur ich mit meiner Familie, auch alle Bekannten denen wir die Story erzählen sind empört!

Mit freundlichen Grüssen
Klaus Abend

+55

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Ursula von der Leyen am 28. Januar 2009
Ursula von der Leyen

Sehr geehrter Herr Abend,

vielen Dank für Ihre Frage, die viele Eltern und Kinder in unserem Land betrifft. Ich kann die Enttäuschung Ihrer Tochter gut nachempfinden. Ich weiß sehr gut, dass gerade viele alleinerziehende Mütter jeden Cent mehrmals umdrehen müssen, um mit ihren Kindern über die Runden zu kommen. Dass Eltern, die ALG II beziehen, nicht von der zum Jahreswechsel erreichten Kindergelderhöhung profitieren, hat jedoch einen klaren Grund: Sie erhalten für ihre Kinder nicht das "Kindergeld" (wurde von 2002 bis Ende 2008 nicht erhöht), sondern das "Sozialgeld", das an alle Bezieher für Arbeitslosenhilfe zusätzlich für ihre Kinder bezahlt wird.

Mit dem Sozialgeld fahren sie auch nach der jüngsten Erhöhung nicht schlechter als mit dem Kindergeld. Das 2005 eingeführte Sozialgeld beträgt heute pro Kind 211 bzw. 281 Euro. Das Kindergeld liegt mit seinen 164 Euro für das erste und zweite Kind noch deutlich unter diesem Betrag. Außerdem ist das Sozialgeld seit der letzten vorausgegangenen Kindergelderhöhung im Jahr 2002 zweimal angehoben worden: 2007 und 2008. Für Kinder bis zum vollendeten 6. Lebensjahr hat es beispielsweise eine Steigerung um fast 50 Prozent von 147 Euro auf jetzt 211 Euro gegeben, während das Kindergeld in dieser Zeit immer 154 Euro für das erste bis dritte Kind betrug. Bei diesen beiden Sozialgeld-Anhebungen sind die Kindergeld-Bezieher leer ausgegangen.

Eine Anpassung ist dennoch notwendig, weil inzwischen die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Nach den Daten des aktuellen Existenzminimumberichtes ist absehbar, dass das Sozialgeld im kommenden Jahr erneut angehoben wird. Auf Basis der im Bericht vorausgesagten Steigerungsraten kann man bis spätestens zur zweiten Jahreshälfte 2010 von einer Erhöhung der Regelleistungen für Kinder auf 220 Euro (Kinder bis 14 Jahre) bzw. 294 Euro (Jugendliche ab 14 Jahre) ausgehen.

Die Familie Ihrer Tochter kann aber schon viel früher auf finanzielle Entlastung bauen: Sie wird wie viele andere Familien mit niedrigem Einkommen und jüngeren Schulkindern in besonderem Maße vom Konjunkturprogramm der Bundesregierung profitieren. Sie erhält für jedes Kind einen einmaligen Kinderbonus von 100 Euro, der ausdrücklich nicht auf Sozialleistungen angerechnet wird. Gleichzeitig werden die Bedarfssätze in Hartz IV für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren um 35 Euro im Monat erhöht. Dies wird ab 1. Juli 2009 gelten. Hinzu kommt, dass Ihre Tochter mit den vier Kindern zwischen 6 und 14 Jahren vom neuen Schulbedarfspaket der Bundesregierung profitieren wird. Ab dem Schuljahr 2009/10 steht ihr laut neuem Familienleistungsgesetz eine zusätzliche Leistung zu: Jedes Kind erhält von der ersten Klasse bis zum Ende des 10. Schuljahres 100 Euro zu jedem Schuljahresbeginn. Bei vier Kindern im Alter von 8 bis 14 Jahren gibt es also mit Kinderbonus, Schulbedarfspaket und höheren Sozialleistungen für Kinder in diesem Jahr gut 900 Euro zusätzlich vom Staat.

Zum Schluss möchte ich Ihnen erläutern, was Sie so empört hat, nämlich warum es grundsätzlich in Ordnung ist, dass das Kindergeld auf das Sozialgeld angerechnet wird: Vereinfacht gesagt, weil beide staatlichen Unterstützungsleistungen demselben Zweck dienen. Sie sollen den Eltern helfen, den Lebensunterhalt des Kindes zu finanzieren. Wenn das Amt im Fall Ihrer Tochter nicht das (erhöhte) Kindergeld vom ohnehin höheren Sozialgeld abziehen würde, würde es zweimal für dieselbe Sache zahlen. Auch, wenn Ihre Tochter das Geld sicher gut gebrauchen könnte - gegenüber anderen Bürgern, die ebenfalls auf staatliche Hilfe angewiesen sind, wäre es nicht fair.

Bitte richten Sie Ihrer Tochter von mir aus, dass ich ihr bei ihrer Jobsuche alle Daumen drücke. Vielleicht hat sie Interesse an unserem Bundesprogramm "Perspektive Wiedereinstieg", das insbesondere Müttern die Rückkehr in den Beruf erleichtern soll, die mehrere Jahre für die Erziehung ihrer Kinder aus dem Erwerbsleben ausgestiegen sind. Sie findet alle Infos auf der Internetseite meines Ministeriums.

Ihre Ursula von der Leyen