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Beantwortet
Autor Sindy Kirsch am 10. Januar 2009
11284 Leser · 84 Stimmen (-16 / +68)

Familie

Mutterschutz - 15 Wochen ohne Geld - "kinderfreundliches Deutschland"

Sehr geehrte Frau von der Leyen,
derzeit befinde ich mich im Mutterschutz, da am 14.12.2008 unser 2. Kind zur Welt gekommen ist und ich bekomme in dieser Mutterschutzfrist, in meinem Fall 15 Wochen, nicht einen einzigen Cent vom Staat!!!
Zu den Fakten: Da mein befristeter Arbeitsvertrag nahtlos genau am Stichtag vor dem Beginn des Mutterschutzes ausgelaufen ist, müssen weder die Arbeitsagentur (AA) noch die Krankenkasse (KK) das Mutterschaftsgeld zahlen. Sie argumentieren beide auf gesetzlichen Grundlagen.
Bei der KK muss zu Beginn des Mutterschutzes ein Arbeitsverhältnis bestehen, um einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld zu haben und bei der Agentur für Arbeit muss man zumindest einen Tag vermittelbar sein, um diesen Anspruch in Höhe von Arbeitslosengeld zu bekommen. Somit sind beide fein aus der Sache raus und man hat keine rechtliche Grundlage dagegen vorzugehen. Man wird einfach hängen gelassen und hat in der Zeit -wie Sie selbst am besten wissen- wichtige Aufgaben zu bewältigen. Alle sagten nur zu mir, so einen Fall haben wir auch noch nicht gehabt, aber wir können Ihnen nicht helfen.
Es ist skandalös, dass Vater Staat sich nicht selbst in die Pflicht nimmt und für die Ausnahme- /Grenzfälle die finanzielle Unterstützung übernimmt. Es wird immer propagiert, dass doch bitte mehr Kinder in die Welt gesetzt werden sollen, aber wenn es darum geht, für diese Kinder dann auch zu bezahlen, wird sich durch Gesetze erfolgreich "gedrückt". Ich werde ja wohl nicht die erste sein, der es so geht.
Hartz 4 Geld zu beantragen, brauchen Sie nicht vorschlagen, das ist nicht die gerechte Lösung, ich habe bis zum letzten Tag Steuern bezahlt und wäre ich nur einen Tag eher arbeitsuchend gewesen, würde ich die Unterstützung der AA bekommen, dieser Sachverhalt ist lächerlich.
Stellen Sie sich mal vor, ich wäre alleinerziehend. Das ist doch so schon ein katastrophaler Zustand. Man erfüllt jahrelang seine steuerliche Pflicht und wenn man (eigentlich) einen Anspruch darauf hat, übernimmt keiner die Verantwortung. Diese Gesetzeslücke ist -im doch selbst ernannten kinderfreundlichen Staat Deutschland -unserer Meinung nach eine riesengroße Ungerechtigkeit.
Wir erhoffen uns eine Antwort, die ein Zeichen setzt und etwas verändert.
Mit freundlichen Grüßen
Sindy Kirsch

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Antwort
von Ursula von der Leyen am 28. Januar 2009
Ursula von der Leyen

Sehr geehrte Frau Kirsch,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich möchte ganz offen bekennen, dass ich Ihre Kritik und Ihre Argumente gut nachvollziehen kann. Auch wenn der Fall im Gesetz nicht eindeutig geregelt ist, scheint es mir schwer vorstellbar, dass unsere Rechtsordnung (werdende) arbeitslose Mütter anders behandeln will als (werdende) erwerbstätige Mütter. Alle Mütter haben nach Artikel 6 Absatz 4 Grundgesetz im besonderen Maße Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft. Die Mutterschutzfristen vor und nach der Geburt sollen Mutter und Kind vor Überforderung und Überbeanspruchung im Arbeitsverhältnis schützen. Wenn es der Gesundheitszustand der werdenden Mutter zulässt, besteht für sie während der sechswöchigen Mutterschutzfrist vor der Entbindung allerdings die Möglichkeit, weiter beschäftigt zu werden. Allerdings muss sie sich hierzu ausdrücklich bereit erklären. Daher kann die werdende Mutter gegenüber der Bundesagentur für Arbeit ausdrücklich erklären, für Vermittlungsbemühungen verfügbar zu sein. In diesem Fall hat sie - trotz der eigentlichen Mutterschutzfrist - Anspruch auf Arbeitslosengeld nach SGB III, sofern auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Ihre Erklärung zur Bereitschaft kann die werdende Mutter jederzeit widerrufen. In diesem Fall hat sie als gesetzlich Krankenversicherte für die Dauer der Mutterschutzfristen vor und nach der Geburt sowie für den Entbindungstag Anspruch auf das Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes. Die Höhe des Krankengeldes entspricht hierbei der Höhe des Arbeitslosengeldes.

Ich habe mich auf Ihre Nachricht hin erkundigt und erfahren, dass das Hessische Landessozialgericht mit Urteil vom 20.Juli 2007 (Az.: L 9 AL 35/04)bei einer arbeitslosen Schwangeren mit einem Beschäftigungsverbot auf Grund eines ärztlichen Attests entschieden hat, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht. Das Gesetz ist im Sinne der Verfassung wohl so auszulegen, dass der Anspruch bei einem Beschäftigungsverbot nach § 3 Absatz 1 des Mutterschutzgesetz nicht an der fehlenden Verfügbarkeit scheitern muss. Mir ist auch bekannt, dass die Bundesagentur für Arbeit in vergleichbaren Fällen durchaus freiwillig gezahlt hat, ohne jedoch eine entsprechende Pflicht anzuerkennen.

Ich bitte um Verständnis, dass ich die missliche Lage nicht mit einem Federstrich ändern kann, obwohl sicher auch andere Frauen in unserem Land betroffen sind. Zuständig für die Praxis der Arbeitsagenturen ist die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Ich werde Ihren Fall zum Anlass nehmen, sowohl meinen Kollegen, Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, sowie Herrn Weise, dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, einen Brief zu schreiben und auf eine einheitliche Verwaltungspraxis zugunsten der schwangeren Frauen zu drängen. Ich halte es für geboten, die schwangeren Frauen in diesem Zusammenhang umfassend zu informieren. Meine Mitarbeiter werden Sie auf dem Laufenden halten.

Mit freundlichen Grüßen