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Autor Christina Duffner am 12. November 2009
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Kinder und Jugend

Schule und Schulsystem

Sehr geehrte Frau von der Leyen,

ich möchte Ihnen heute einmal schildern, wie mein leben von Schule und Schulsystem diktiert wird.
Tochter: 4. Klasse Grundschule; Sohn 6. Klasse Realschule. Beide Kinder haben für diese Woche je eine Schulaufgabe zu bewältigen. Für meine Tochter ist es zwingend notwendig die eine oder andere Zwei abzuliefern, um den mittleren Bildungsweg einzuschlagen. Eine Zwei ist aber für ein durchschnittlich begabtes Kind praktisch nicht erreichbar. Zumindest nicht mit der Unterstützung und Lernmethode, die sie allein aus der Schule mitbekommt. So ist auch meine Tochter, genau wie mein Sohn vor zwei Jahren, dringend auf meine nachmittaglichen Hilfen angewiesen.

Um es auf den Punkt zu bringen: am Nachmittag schlüpfe ich in die Funktion einer Lehrerin. Ich tippe Test-Schulaufgaben für beide Kinder, brüte über den Schulbüchern meiner Kinder, um mich wieder in die Materien einzulesen. Surfe im Internet nach Schülerhilfen und jage durch die Bücherläden, um für ziemlich viele Euro Material zu kaufen, damit meine Kinder zusätzliche Hilfe bekommen. Ein Glück, sind mein Mann und ich finanziell in der Lage dies zu bewerkstelligen.

Halbtags bin ich als Verwaltungsangestellte tätig. Ich verstehe unsere Politik auch so, dass der Wiedereinstieg ins Berufsleben erwünscht, gefördert, ja gefordert wird.
Den weiteren halben Tag bin ich praktisch als Lehrerin tätig. In meiner Freizeit würde ich mich gerne für soziale, kulturelle vielleicht sogar politische Projekte engagieren, mich weiterbilden usw. usw. Das alles muss jedoch zurückstehen, denn ohne Nachmittagsunterricht zuhause erleben meine Kinder nur Niederlagen in Form von schlechten Noten. Oft bin ich dann noch psychologisch tätig, in dem ich meine Kinder wieder aufbaue, denn trotz ihres Fleißes beim Lernen (natürlich nie genug), schaffen sie den gewünschten Erfolg nicht.

Liebe Frau von der Leyen, diese Schilderungen könnte ich in meinem ganzen Bekanntenkreis vorlesen. Jede Mutter würde diesen Brief für sich selbst unterschreiben. Und mein Bekanntenkreis besteht durchweg aus durchschnittlich intelligenten Leuten mit durchschnittlichem Bildungsabschluss. Sie alle bringen ihre Kinder nur mit extrem aufwändigen, außerschulischen Hilfen durch unser Schulsystem. Und zwar das auch in einer Realschule – einem sogenannten „mittleren Bildungsabschluss“. Den Kindern wird dort Lernstoff hingeworfen, die Vertiefung und das weitere Verstehen soll zuhause erarbeitet werden. Hat jemand im Unterricht etwas nicht verstanden: Pech! Glück, wenn man Eltern zuhause hat, die es einem noch mal erklären und helfen können. Junge motivierte Lehrer haben oft gar nicht die Chance oder die Möglichkeit mehr zu machen. Auch sie werden in ein System gepresst und werden ausgebremst.

Ich frage Sie jetzt: sind Sie immer noch der Ansicht, dass wir ein gutes Schulsystem haben und dieses System erfolgreiche, motivierte und positiv denkende Personen hervorbringt? Und zwar nicht nur in Akademiker- und Promoviertenkreisen. Ich bin es nicht. Waren Sie schon einmal an der Basis und haben mit Leuten gesprochen, die sich mit diesen Problemen wirklich auseinandersetzen müssen? Leuten wie mich – eine Durchschnittsbürgerin.

Die Art und Weise, wie in unseren Schulen unterrichtet wird, kommt NUR den von natur aus intelligenten und abstrakt denkfähigen Kindern entgegen.
Unser Schulsystem setzt auf Auslese!
Unser Schulsystem fördert die Elite und Elitedenken.
Diese Elite entscheidet in unserem Land über „das Fußvolk“. Auch Sie stammen aus dieser Elite, Ihre Kinder sind in diese Elite geboren, alle Entscheidungsträger unseres Landes sind aus dieser Elite. Wie soll sich da jemals etwas für die breite Masse oder den Durchschnittsbürger ändern? Wie soll man hier soziale Ungerechtigkeiten abbauen? Die soziale Schere in unserem Land wird weiter auseinandergehen, wenn nicht endlich umgedacht wird.

Mit den besten Grüßen und viel Vertrauen in Ihre Fähigkeiten

Christina Duffner

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