Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Michael Seeber am 07. Februar 2008
13770 Leser · 0 Kommentare

Familienpolitik

Verbot eines aufklärerischen Kinderbuches

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

mit großer Betroffenheit habe ich gestern im Internet erfahren, dass das Familienministerium offenbar plant, das Kinderbuch "Wo bitte geht´s zu Gott? fragte das kleine Ferkel" als angeblich jugendgefährdende Schrift indizieren zu lassen.

Darüber bin ich sehr empört, da aus meiner Sicht keine Rede davon sein kann, dieses äusserst intelligente und humorvolle Buch des Autors Dr. Michael Schmidt-Salomon (dem Vorsitzenden der gemeinnützigen Giordano-Bruno-Stiftung) sei in irgendeiner Weise "jugendgefährdend".

In dem hervorragend und witzig illustrierten Buch wird Kindern vermittelt, dass dogmatische und intolerante Religiosität in der Tat ein schlimmes Problem darstellt. Dabei wird aus der logischen Absurdität und teilweise auch ethischen Perversion (sic) bestimmter religiöser Anschauungen kein Hehl gemacht. Keineswegs werden jedoch religiöse Menschen pauschal abgewertet.

Als Psychiater und Psychotherapeut hatte ich schon oft mit Menschen zu tun, die durch dogmatisch-intolerante Religionserziehung in ihrer seelischen Entwicklung in schwerster Weise gestört wurden, - mit oft genug fatalen Konsequenzen für deren psychische Gesundheit.

Aus diesem Grunde würde ich mir wünschen, dass ein Buch wie das "kleine Ferkel", welches Kinder dazu befähigt, sich von ebenso haltlos-unsinnigen wie seelisch destruktiven Behauptungen bestimmter Religionsvertreter (Stichwort: "Hölle") kritisch abzugrenzen, eine viel weitere Verbreitung fände.

Ein Verbot hingegen wäre aus meiner Sicht ein schlimmer und für jeden humanistisch denkenden Menschen unakzeptabler Affront!

Meine Frage an Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, lautet deshalb: Wie ernst ist es der Bundesregierung mit dem Ideal aufgeklärter Mündigkeit für die nachwachsende Generation?

Über eine Beantwortung meiner Frage und Stellungnahme zu meinem Anliegen würde ich mich sehr freuen.

Hochachtungsvoll und mit freundlichen Grüßen,

Dr. med. Michael Seeber Dip RS (Religious Studies)
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 03. März 2008
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Dr. Seeber,

vielen Dank für Ihr Schreiben, das wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Für die Entscheidung über die Jugendgefährdung von Medien ist die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPJM) zuständig. Nähere Informationen über Verfahren und Entscheidungsgremien erhalten Sie unter http://www.bundespruefstelle.de/.

Im Falle des von Ihnen angesprochenen Kinderbuches hat das Bundesfamilienministerium eine Anfrage, die es erhalten hat, an die Prüfstelle weitergeleitet. Eine Entscheidung ist, soweit wir wissen, noch nicht gefallen.

Die Bundesprüfstelle leistet mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Jugendschutz und nimmt hier in verantwortungsvoller Weise die Schutz- und Wächterfunktion des Staates wahr. Denn Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen für den richtigen Umgang mit Medien aller Art sensibilisiert werden.

Die Verantwortung für den Jugendschutz wie auch für Bildung und Erziehung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Erziehung bedeutet, Kinder stark für das Leben zu machen, ihnen zu helfen, ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden und eigenverantwortlich zu handeln. Die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, ist Aufgabe des Staates. Denn mündige und verantwortungsbewusst handelnde Menschen sind die Grundvoraussetzung für unsere Gesellschaft, die auf Freiheitlichkeit, Toleranz und Pluralität gründet.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung