Sehr geehrte Frau Siegle,
Artikel 38 des Grundgesetzes bestimmt, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in der Ausübung ihres Mandats frei sind. Sie sind allein ihrem Gewissen unterworfen und nicht an Aufträge oder Weisungen gebunden. Für die parlamentarische Praxis bedeutet dies, dass der Präsident des Deutschen Bundestages gerade nicht – um bei Ihrem Bild der Schulklasse zu bleiben – wie ein Lehrer das Verhalten der Abgeordneten bestimmen kann. Denn der Bundestagspräsident repräsentiert zwar den Bundestag nach außen und leitet die Plenarsitzungen, er ist aber nicht der Vorgesetzte der Abgeordneten. Wenn Sie Kritik am Verhalten einzelner Abgeordneter oder Regierungsmitglieder haben, sollten Sie sich deshalb immer direkt an den oder die Betreffende wenden. Die jeweiligen Kontaktdaten finden Sie auf der Internetseite des Deutschen Bundestages unter www.bundestag.de in der Rubrik „Abgeordnete“ bzw. auf der Internetseite der Bundesregierung, www.bundesregierung.de.
An dieser Stelle noch einige Informationen über die Rolle des Sitzungspräsidenten bei Plenardebatten: In seiner Funktion als Sitzungspräsident ist der Bundestagspräsident (bzw. einer seiner sechs Stellvertreter) dafür zuständig, gerecht und unparteiisch den reibungslosen Verlauf der Sitzung zu ermöglichen. Dafür stehen ihm nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages verschiedene Mittel zur Verfügung. So kann er Abgeordnete während der Plenarsitzung zur Ordnung rufen, sie des Saales verweisen oder sogar die Sitzung unterbrechen. Allerdings wird davon in der Regel nur bei gravierenden Verstößen gegen die Würde des Parlaments oder gegen die Ordnung Gebrauch gemacht, die in der parlamentarischen Praxis äußerst selten sind. Jeder Sitzungspräsident bzw. jede Sitzungspräsidentin entscheidet selbst, wann und mit welchen Maßnahmen er bzw. sie gegen solche Verstöße vorgeht. Grundsätzlich gilt, dass das Plenum ein Forum des lebendigen Meinungsaustauschs sein soll, lebendige Debatten sind deshalb sehr erwünscht. Nur in Scheinparlamenten herrscht absolute Ruhe. Eine Plenardebatte verträgt durchaus Zwischenrufe, Gelächter und zugespitzte Redebeiträge. Unabhängig davon wird kritikwürdiges Verhalten von Abgeordneten nicht immer gleich während der Debatte gerügt, sondern häufig später im Ältestenrat besprochen, um unnötige Unterbrechungen einer insgesamt fairen und sachlichen Debatte zu vermeiden. Dabei fließen kritische Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern – wie die Ihre – ebenfalls mit ein.
Mit freundlichen Grüßen
Abteilung Presse und Kommunikation