Sehr geehrter Herr Vidaud,
Ihre Frage betrifft das Verhältnis von Bund und Ländern und damit den Kern der föderalen Ordnung Deutschlands. Lassen Sie mich dazu im Zusammenhang mit den Grundrechten Folgendes erläutern:
Der Bund und die Länder besitzen jeweils eine eigene Staatsqualität. Die Länderverfassungen müssen den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats entsprechen (Artikel 28 Grundgesetz). Die Länder können in diesem Rahmen eigene Grundrechte in ihren Verfassungen formulieren. So enthalten einige Länderverfassungen – wie von Ihnen angesprochen – sogenannte „soziale Grundrechte“, zum Beispiel das Recht auf Arbeit oder das Recht auf Wohnung in der bayrischen Landesverfassung. Dabei handelt es sich jedoch weitgehend nicht um klassische Grundrechte, sondern um Staatszielbestimmungen. Das heißt, diese Grundrechte begründen kein subjektives Recht und sind somit nicht einklagbar. Sie müssen durch konkrete Gesetze ausgestaltet und konkretisiert werden.
Ob der Bundestag Belange regeln kann, die in einer Landesverfassung als „soziales Grundrecht“ Erwähnung finden, hängt grundsätzlich davon ab, in wessen Gesetzgebungskompetenz diese jeweils fallen. Beispielsweise kann der Bund auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 12 Grundgesetz entsprechende gesetzliche Regelungen im Arbeits- und Sozialrecht treffen. Dagegen obliegt es in Bereichen, in denen dem Bund keine Gesetzgebungsbefugnisse zustehen, dem Landesgesetzgeber, die in der Landesverfassung festgeschriebenen Garantien durch eigene Gesetze auszugestalten.
Mit freundlichen Grüßen
Abteilung Presse und Kommunikation