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Beantwortet
Autor L. Fernández Vidaud am 18. August 2009
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Gesetzgebungsverfahren

Gültigkeit der Wahl des 17. Bundestages in Gefahr?

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,

im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 03.07.08 unter 2 BvC 1/07 und 2 BvC 7/07 steht im 2. Leitsatz folgendes:

„Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung [des Wahlrechts] zu treffen.“

Das heißt für mich, daß der Bundestag vor diesem Termin eine verfassungsfreundlichere Regelung des Wahlrechts treffen darf. Manche Konservative in der CDU, der SPD und der FDP legen diesen Satz anders aus. Sie meinen, der Bundestag müsse frühestens einige Tage vor dem 30.06.2011 gesetzgeberisch tätig sein.

Ferner wurde in diesem Urteil die Frage erörtert, ob der 16. Bundestag sofort aufgelöst werden soll. Das Gericht hat dagegen entschieden, weil durch die Auflösung der Bundestag nicht die Gelegenheit erhält, sich selbst durch eine Gesetzesnovelle zu korrigieren, indem er ein verfassungskonformeres Wahlgesetz erläßt. Die nächste Wahl findet am 27.09.09 statt.

In der Pressemitteilung 68/2008 vom 03.07.08 steht folgendes:

„Dieser Effekt des negativen Stimmgewichts verletzt die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl. Die Regelung ist daher, soweit hierdurch der Effekt des negativen Stimmgewichts ermöglicht wird, verfassungswidrig. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 3. Juli 2008. Der Wahlfehler wirkt sich zwar auf die Zusammensetzung des 16. Deutschen Bundestages aus, führt aber nicht zu dessen Auflösung, da das Interesse am Bestandsschutz der im Vertrauen auf die Verfassungsmäßigkeit des Bundeswahlgesetzes zusammengesetzten Volksvertretung überwiegt. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.“

Der gleiche Wahlfehler wird sich möglicherweise auf die Zusammensetzung des 17. Deutschen Bundestages, welcher am 27.09.09 gewählt wird, ganz anders auswirken. Er kann u.U. zu dessen Auflösung führen.

Karlsruhe hat dem Bundestag für den Wahlfehler in der Wahl zum 16. Bundestag großmütig "verziehen", aber ob es dies ein zweites Mal für die Wahl zum 17. Bundestag tun wird? Das ist hier die Frage, und die Antwort scheint u.U. "nein" zu sein. Was meinen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen

Luis Fernández Vidaud

+164

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Antwort
aus dem Bundestag am 06. Oktober 2009
Bundestagspräsident

Sehr geehrter Herr Vidaud,

Prof. Dr. Lammert sieht in dem von Ihnen zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts keinerlei Anknüpfungspunkte für Wahlanfechtungen. Er hält es auch weder für redlich noch für überzeugend, dass im Vorfeld der Bundestagswahlen von mancher Seite der Anschein erweckt wurde, Überhangmandate seien verfassungswidrig.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2008 beanstandet, dass unter bestimmten Umständen im Zusammenhang mit den Überhangmandaten der Effekt des so genannten negativen Stimmgewichts auftreten kann. Das Gericht hat – wie Sie selbst anführen – dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2011 gesetzt, um diesen verfassungswidrigen Effekt unseres Wahlrechts auszuräumen. Für die diesjährige Bundestagswahl waren also nach Ansicht der Richter die bisherigen Regeln noch verfassungsgemäß. Es gibt somit keinen Anlass, wegen möglicher Auswirkungen des negativen Stimmgewichts an der Gültigkeit der Bundestagswahl vom 27. September 2009 zu zweifeln.

Sie haben aber Recht: Eine Neuregelung hätte früher erfolgen können. Prof. Dr. Lammert hatte sich dafür bereits unmittelbar nach dem Urteil im vergangenen Jahr auch persönlich mit Nachdruck eingesetzt. Er ist nach wie vor der Überzeugung, dass – bei gutem Willen aller Beteiligten – eine verfassungskonforme Änderung des Wahlrechts rechtzeitig zur Wahl des 17. Deutschen Bundestages möglich gewesen wäre.

Nun werden sich die Abgeordneten des neugewählten Parlaments über die gesetzlichen Änderungen verständigen müssen – die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag wird dann nach einem novellierten Wahlrecht erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen
Abteilung Presse und Kommunikation