Der Betrieb der Plattform wurde eingestellt. Es können daher leider keine weiteren Beiträge veröffentlicht oder bewertet werden. Bereits veröffentlichte bzw. beantwortete Beiträge stehen jedoch auch weiterhin zur Information zur Verfügung.

Beantwortet
Autor Katrin Behr am 27. Februar 2008
17158 Leser · 72 Stimmen (-8 / +64)

Gesetzgebungsverfahren

Abschaffung der Abstammungsurkunde zum 01.01.2009

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Dr. Lammert,

ich schrieb Ihnen schon einmal am 02.11.2007.
Ich nahm mir Ihre Antwort von http://www.direktzu.de/bundestagspraesident/messages/13499 sehr zu Herzen und fing an, intensive Öffentlichkeitsarbeit zu leisten.

Im Dezember 2007 gründete ich die Internetseite www.zwangsadoptierte-kinder.de, damit ich durch diese Plattform einen Teil der Öffentlichkeit erreichen kann. Medien wurden auf meine Seite aufmerksam und sprachen mich an. Es gab bisher verschiedene Interviews in Zeitungen, TV und Rundfunk. Die Zahl der Suchenden erhöht sich stetig und ich bekomme viele Schicksale berichtet.

Durch uns, meinen Mithelfern und mich, wurde ein Verein „Hilfe für Opfer von DDR-Zwangsadoptionen“ am 01.02.2008 in Gera gegründet.
Wir kommen sehr gut voran und ich bin froh Ihren Ratschlag befolgt zu haben.

Viele Menschen melden sich, weil sie anhand ihrer Abstammungsurkunde die Namen ihrer leiblichen Eltern wissen und sich auf die Suche begeben. Das macht unsere Arbeit sehr viel leichter.

Allerdings gibt es bald ein Problem. Die Abstammungsurkunde wird am 1. Januar 2009 durch das Personenstandsrechtsreformgesetz abgeschafft. Grund hierfür ist, dass der Hauptzweck der Abstammungsurkunde, Ehehindernisse bei adoptierten Kindern festzustellen, eine marginale praktische Relevanz hat.

Somit fällt leider für unsere Arbeit ein wichtiger „Zufalls“-Faktor weg. Adoptierte Erwachsene werden nicht mehr zufällig ab dem 01.01.2009 erfahren, dass sie nicht wie bisher gedacht, die leiblichen Kinder ihrer Eltern sind. Nach wie vor sind die Adoptiveltern nicht verpflichtet, ihren adoptierten Kindern von der Adoption zu berichten. Somit enthalten sie bewusst ihren Kindern das Recht auf die Kenntnis der eigenen Abstammung. Doch diese gibt dem Einzelnen wichtige Informationen zum Verständnis der eigenen Persönlichkeit und genetischer Grundlagen. Das ist wichtig bei der Gesundheits- bzw. Krankenanamnese der betroffenen Person. Nicht zu vergessen ist die Gefahr der Inzucht.

Selbstverständlich kann ich die Verlustsängste der Adoptiveltern nachvollziehen. Allerdings geht es dabei an 1. Stelle um das „Kind“, welches sie adoptierten und zu lieben anfingen.

Derzeitig sind 3 Selbsthilfegruppen i.G., wo auch die Adoptiveltern herzlich willkommen sind. Die Herkunftsmütter wollen keinen Keil in die bestehenden Familien treiben, denn immerhin sind die Adoptiveltern wichtige Bezugspersonen für ihre Kinder.
Erklären Sie mir bitte, wie sich das Eine mit dem Anderen verbinden kann? Warum gibt es immer noch nicht ein entsprechendes Gesetz, wo Adoptivfamilien ihren Kindern diese wichtige Wahrheit sagen müssen? Wie kann man eine geeignete Ebene finden, um weder den einem, noch dem anderen, zu schaden?

Wie sollen wir ALLES zu dem Thema "DDR-Zwangsadoptionen" öffentlich machen, wenn es keine eindeutigen gesetzlichen Regelungen über die Bekanntgabe einer erfolgten Adoption, durch Adoptiveltern oder den Jugendämtern, gibt? Aus diesem Grund wissen viele nichts über ihre Adoption und dementsprechend werden auch keine Jugendamtakten angeschaut, es kann kein Kontakt zu den leibl. Eltern hergestellt werden und man wird nicht heraus finden können, was die wahren Gründe der Adoptionen waren.

Somit werden wir wieder einen Teil der dunklen Geschichte der DDR nicht aufdecken können. In meinen Augen ist das Augenwischerei und entspricht nicht wirklich einer korrekten Aufklärungsarbeit in Bezug auf die Aufdeckung dieser speziellen DDR-Geschichte.

Herzlichen Dank für Ihre Hilfe.

Katrin Behr

+56

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
aus dem Bundestag am 20. März 2008
Bundestagspräsident

Sehr geehrte Frau Behr,

in der Tat wird es ab dem 1. Januar 2009 keine Abstammungsurkunde mehr geben – was Kosten einspart und ein Beitrag zum Bürokratieabbau ist. Tatsächlich hat die Abstammungskurkunde in der Praxis nämlich so gut wie keine Bedeutung. Deshalb wird künftig außer der beglaubigten Abschrift des Geburtseintrags nur noch die Geburtsurkunde aus dem Geburtenregister ausgestellt. Aus dem Geburtseintrag können Adoptierte nach wie vor die Personalien der leiblichen Eltern erfahren.

Das heutige Adoptionsrecht versucht zwischen den Interessen der Beteiligten einen bestmöglichen Kompromiss zu erreichen: Einerseits besteht das Ziel einer Adoption darin, dass das Kind in die neue Familie voll eingegliedert wird. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber verschiedene Vorschriften erlassen, die das Kind und seine Familie nach außen hin schützen. Außenstehende sollen über die Herkunftsfamilie des Kindes und die Tatsache der Adoption so wenig wie möglich erfahren. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung festgestellt. Das heißt: Adoptierte können sich auf die Suche nach ihren leiblichen Eltern begeben und die zuständigen Stellen dürfen vorhandene Informationen nicht vorenthalten. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung beinhaltet jedoch nicht, dass die zuständigen Stellen jede erdenkliche Nachforschung anstellen müssen, um die Abstammung zu klären.

Die Aufarbeitung von politisch motivierten Zwangsadoptionen in der DDR stellt eine noch weitaus schwierigere Aufgabe dar. Über die bestehenden Möglichkeiten zur Aufklärung in diesen besonderen Fällen haben wir in der Ihnen bereits bekannten Antwort vom 26. Oktober 2007 ausführlich informiert.

Mit freundlichen Grüßen

Abteilung Presse und Kommunikation