Sehr geehrter Herr Vogt,
als Deutschland nach der Kapitulation 1945 geteilt war, sollte die Verfassung des freien, westlichen Teils nicht den Eindruck erwecken, als wäre sie eine endgültige, die die Teilung festschreibt. Der Begriff Grundgesetz betonte den offenen, provisorischen Charakter. Ausgearbeitet wurde das Grundgesetz vom Parlamentarischen Rat, einer von den elf Landtagen in den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands gewählten Versammlung. Das Grundgesetz wurde von den drei Westmächten genehmigt und von den Landtagen in den westlichen Besatzungszonen ratifiziert.
Im Zuge der Wiedervereinigung stellte sich die Frage, ob diese auf dem Weg eines Beitritts nach dem damaligen Art. 23 des Grundgesetzes erfolgen sollte oder ob es einen Verfassungsbeschluss im Sinne von Art. 146 des Grundgesetzes geben sollte. Aus unterschiedlichen Gründen, die nicht zuletzt in der Beschleunigung des Vereinigungsprozesses lagen, wurde der erstgenannte Weg beschritten. Auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung wurde verzichtet, die notwendigen Veränderungen wurden im Rahmen des Grundgesetzes vorgenommen.
Damit ist das Grundgesetz zu einer gesamtdeutschen Verfassung geworden. Die Beibehaltung der ursprünglichen Bezeichnung "Grundgesetz" ist historisch bedingt und lässt sich auch als Respekt vor der Arbeit des Parlamentarischen Rates deuten. Gewiss konnte das Grundgesetz ursprünglich nur ein Provisorium sein, weil es zunächst lediglich für den westlichen Teil Deutschlands Geltung beanspruchen konnte; heute ist es aber die unbestrittene Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft ganz Deutschlands.
Eine ganz ähnliche Frage haben wir bereits im Juli 2007 beantwortet; Frage und Antwort sind nachzulesen unter
http://www.direktzu.de/bundestagspraesident/messages/12573
Mit freundlichen Grüßen
Abteilung Presse und Kommunikation