Sehr geehrter Herr Holland-Cunz,
selbstverständlich gibt es Bereiche, die der öffentlichen Verantwortung unterliegen und aus denen sich der Staat im Interesse des Allgemeinwohls nicht zurückziehen sollte. Dennoch ist immer wieder zu prüfen, wie die staatliche Verantwortung wahrzunehmen ist – dies gilt auch für die Bahn. Die Privatisierung soll u.a. dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bahn AG (DB AG) zu verbessern. Dabei ist auch deren besondere Wettbewerbssituation ins Kalkül zu ziehen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der europäische Güterverkehr bereits seit diesem Jahr liberalisiert ist und es ab 2010 auch im Personenverkehr einen grenzüberschreitenden Wettbewerb geben wird.
Nach dem Grundgesetz (Artikel 87e Absatz 4) hat der Bund allerdings zu gewährleisten, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, Rechnung getragen wird. Das betrifft insbesondere den Ausbau und Erhalt der Schieneninfrastruktur. Der am
24. Juli 2007 im Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf sieht daher u.a. vor, dass der Bund auch weiterhin Investitionen zum Erhalt des Schienennetzes bereitstellen wird. Netzumfang, Netzqualität und Bundeszuschüsse sollen in einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung geregelt werden. Jedes Jahr hat die DB AG zudem einen Zustands- und Entwicklungsbericht über die Infrastruktur vorzulegen, in dem dargestellt wird, ob die Instandhaltungs- und Ersatzinvestitionsverpflichtungen erfüllt wurden. Werden die Qualitätsmaßstäbe nicht eingehalten, kann der Bund Zuschüsse ganz oder teilweise zurückfordern.
Darüber hinaus ist im Gesetzentwurf ausdrücklich festgelegt, dass die steuerfinanzierte Eisenbahninfrastruktur (Schienennetz, Bahnhöfe) – auch im Falle einer Teilprivatisierung – im Eigentum des Bundes verbleiben wird. Zwar soll der DB AG das Eisenbahnnetz für zunächst 15 Jahre zur Nutzung übertragen werden, und sie soll es bilanzieren dürfen, es soll aber juristisch nicht in ihrem Eigentum stehen. Einer Verlängerung dieser Regelung müsste der Bundestag erneut zustimmen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Nutzung des Eisenbahnnetzes nach dieser Zeit im vollen Umfang revidierbar ist, wenn die Erfahrungen negativ sein sollten. Insofern kann man auch nicht von einem „Ausverkauf“ öffentlichen Eigentums sprechen, wie dies in der öffentlichen Diskussion gelegentlich geschieht.
Ob und inwieweit der vorliegende Gesetzentwurf zur Teilprivatisierung der DB AG in dieser oder einer geänderten Fassung beschlossen wird, bleibt abzuwarten. Denn Bundestag und Bundesrat müssen dem Gesetzentwurf erst noch zustimmen. Derzeit gibt es in den Bundestagsfraktionen und in den Bundesländern noch erhebliche Kritikpunkte an der von der Bundesregierung vorgesehenen Ausgestaltung der Privatisierung, die im Gesetzgebungsverfahren noch ausführlich zu erörtern sein werden.
Mit freundlichen Grüßen