Sehr geehrter Herr Stempel,
der Atomausstieg ist von Union und SPD im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Auch auf dem G8-Gipfel hat Deutschland die Position vertreten, dass die Zukunft der Energieversorgung nicht allein in der Atomenergie liegen kann. Zu berücksichtigen ist zum einen das Problem der Endlagerung der in Atomkraftwerken anfallenden Rückstände, zum anderen aber auch, dass mit der Kernenergie eine klimafreundliche Alternative zur Energiegewinnung durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe besteht, die uns helfen kann, absehbare Lücken in der Energieversorgung zu schließen. Mittel- und langfristig müssen neue Konzepte zur Energieversorgung, aber auch zum sparsamen Umgang mit Energie entwickelt werden.
Die von Ihnen zudem angesprochene Fraktionsdisziplin, die – nicht immer, aber zumeist – im Abstimmungsverhalten der Abgeordneten zum Ausdruck kommt, ist wichtig für die Funktionsfähigkeit des Parlaments und der parlamentarischen Demokratie. In der Demokratie müssen Mehrheiten gebildet werden, auch innerhalb von Fraktionen. Eine Fraktion kann daher sehr wohl den Anspruch stellen, dass das, was sie mehrheitlich beschließt, auch am Ende von allen vertreten wird – sonst wären Fraktionen überhaupt nicht handlungsfähig. Gerade bei knappen Mehrheitsverhältnissen ist die Regierungsfähigkeit einer Koalition nur dann gesichert, wenn sie sich auf eine einheitliche Stimmabgabe der sie tragenden Fraktionen verlassen kann.
Weil Fraktionsdisziplin aber eben kein Fraktionszwang ist, bleibt es letztlich der freien Entscheidung des Abgeordneten überlassen, ob er sich der Fraktionsdisziplin unterwirft. Er kann nicht gezwungen werden, der Mehrheitsmeinung seiner Fraktion zu folgen. Ein solcher Zwang widerspräche der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der Mandatsausübung, derzufolge die Abgeordneten an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind (Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz).
Abschließend dürfen wir darauf hinweisen, dass die Abgeordneten im Gegensatz zu den Mitgliedern der Regierung keinen Amtseid leisten.
Mit freundlichen Grüßen
Abteilung Presse und Kommunikation