Sehr geehrter Herr Gößling,
ohne Zweifel besteht dringender Bedarf, die Haushalte von Bund und Ländern zu konsolidieren. Die erforderlichen Kriseninterventionen des Staates in den vergangenen zwei Jahren haben erfolgreich dazu beigetragen, unsere Wirtschaft zu stabilisieren, Mittelstand und Handwerk zu stützen, Arbeitsplätze zu sichern. Sie haben andererseits aber zur Rekordneuverschuldung geführt. Nicht ohne Grund haben Bundestag und Bundesrat im Zuge der Finanzmarktkrise die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz verankert.
Wie Sie vielleicht wissen, hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem jährlich etwa 10 Milliarden Euro eingespart werden sollen, um den Bundeshaushalt gemäß den verfassungsrechtlichen Vorgaben auszugleichen. Die parlamentarischen Beratungen zu den einzelnen Vorschlägen werden im Herbst beginnen. Unter anderem ist vorgesehen, dass der Bund seine Verwaltungsausgaben um rund 4 Milliarden Euro pro Jahr senkt. So sollen in den kommenden vier Jahren 10.000 Stellen eingespart werden. Verglichen mit 1991 arbeiten schon heute fast ein Drittel weniger Beschäftigte in der Bundesverwaltung. Detaillierte Angaben enthält eine Veröffentlichung des Bundesinnenministeriums zum öffentlichen Dienst, die abrufbar ist unter: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschuere....
Auch der Bürokratieabbau schreitet voran. Seit 2006 wurden allein die Unternehmen um etwa 7 Milliarden Euro entlastet. In der vergangenen Wahlperiode ist die Gesamtzahl der geltenden Bundesgesetze und -verordnungen um 16 Prozent gesunken. Über die laufenden Arbeiten zum Bürokratieabbau informiert das Bundeswirtschaftsministerium unter: http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/Wirtschafts....
Der Staat ist also längst „verwaltungsmäßig schlanker“ aufgestellt als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Selbstverständlich gilt für die Haushaltsführung von Bund und Ländern das Gebot von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Die Bundesrepublik Deutschland ist aber keine Firma. Ein Unternehmen verfolgt im wesentlichen ein Ziel: wirtschaftlichen Erfolg, also Gewinn. Ein Staat bildet dagegen mit seinen Institutionen, Regeln und Gesetzen das „gemeinsame Haus“, in dem die Menschen einer Gesellschaft leben – mit ihren vielen verschiedenen, zum Teil widerstreitenden Zielen, Standpunkten und Interessen. Es ist gerade das Kernprinzip der parlamentarischen Demokratie, diese verschiedenen Interessen abzuwägen und sachgerechte wie mehrheitsfähige Lösungen zu finden. Deshalb ist auch die Entscheidung darüber, an welcher Stelle wie viel und wodurch gespart werden sollen, eine politische Entscheidung, die die Parlamente zu treffen haben.
Es waren übrigens die Länder, die die Bundesrepublik gegründet haben, wie ein Blick in die Präambel des Grundgesetzes zeigt. Ihre eigene Geschichte reicht oft viele hundert Jahre zurück. Die Hoheitsrechte der Länder abzuschaffen, wie Sie vorschlagen, würde das Ende der langen föderalen Tradition in Deutschland und der Bundesrepublik als Bundesstaat bedeuten. Der Föderalismus sollte daher nicht allein nach Kosten- und Effektivitätsgesichtspunkten beurteilt werden. Zumindest sollte man dabei berücksichtigen, dass es nicht zuletzt dem im Grundgesetz festgeschriebenen föderalen System zu verdanken ist, dass sich in Deutschland nach 1949 eine stabile Demokratie entwickelt hat. Lesen Sie dazu auch eine unserer früheren Antworten: http://www.direktzu.de/bundestagspraesident/messages/25882.
Mit freundlichen Grüßen
Abteilung Presse und Kommunikation