Sehr geehrte Frau Wagner,
in der Tat gibt es eine wachsende Skepsis gegenüber der Politik und der Leistungs- und Lösungsfähigkeit der politischen Institutionen. Bürgerinnen und Bürger klagen vor allem über politischen Zwist und zähe Entscheidungsprozesse. Kurz: Es dauert ihnen oft zu lange, bis Lösungen auf dem Tisch liegen. Aber Demokratie ist nun einmal kein Verfahren zur Vermeidung von Streit, sondern zur öffentlichen Herbeiführung von Mehrheitslösungen. Die Ungeduld der Wähler ist nachvollziehbar, aber in einem transparenten Verfahren tragfähige Lösungen für hochkomplexe Probleme zu finden, braucht einfach Zeit. Was dies angeht, gibt es sicher noch manches in der Kommunikation zwischen Politik und Bürgern zu verbessern.
Bundestagspräsident Dr. Lammert empfiehlt, das Phänomen der Politikverdrossenheit ernst zu nehmen, aber auch nicht zu dramatisieren. Die Deutschen mögen – jedenfalls zum Teil – politikverdrossen sein – demokratieverdrossen sind sie jedenfalls nicht, und das ist der entscheidende Befund. Selbst die schärfsten Kritiker, die mit Parteien, Regierungen und Parlamenten hadern, kommen glücklicherweise nicht auf die Idee, andere als demokratische Strukturen allen Ernstes für besser zu halten.
Sie sprechen mit Ihrer Frage ein sehr facettenreiches Thema an, mit dem sich Dr. Lammert immer wieder auseinandersetzt. Deshalb empfehle ich Ihnen einen vertiefenden Artikel des Bundestagspräsidenten, den er Anfang des Jahres in der Zeitschrift „Cicero“ veröffentlicht hat. Dort hat sich Herr Dr. Lammert auch zur Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene geäußert.
Sie finden diesen Artikel unter folgendem Link im Internet: http://www.cicero.de/97.php?item=1589&ress_id=4
Mit freundlichen Grüßen