Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Abstimmungszeit beendet
Autor Lothar Schwarz am 01. November 2007
10781 Leser · 1 Kommentar

Soziales

Behindertenpolitik

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

ich bin Pfleger und Lebenspartner einer zu 100 % schwerstbehinderten, querschnittsgelähmten jungen Frau. Ich schreibe dies nicht, um Mitleid zu erheischen. Wir wollen keine Sonderrechte, sondern nur die Möglichkeit, wenigstens in anständigen Verhältnissen leben zu können ohne Luxus. Dies ist aber nicht möglich.

Immer wieder hört man von Politikern, auch von Ihnen, daß die Pflege für Kranke, Alte aber auch Behinderte von Angehörigen übernommen werden soll. Klar ist warum: Würden alle Pflegebedürftigen in Heimen und anderen Institutionen untergebracht werden wäre das für die Gemeinschaft eine nicht zu lösende Aufgabe in finanzieller Hinsicht. So wurde also vor geraumer Zeit die Pflegekasse eingeführt. Was so gut von aussen aussieht, ist im Detail eine Ungeheuerlichkeit. Seit 1999 pflege ich meine Lebenspartnerin. Da Arme und Hände mitbetroffen sind, ist sie in Pflegestufe 3 eingestuft worden, der höchsten Pflegestufe, die vergeben wird ! Darüber hinaus gibt es zwar die Pflegestufe 3 mit Härtefallregelung, die aber per Gesetz so gestaltet ist, daß sie kaum erreichbar ist. Würde eine Pflegeeinrichtung die selben Arbeiten verichten wie ich das tue, würde dies auch den Steuerzahler nicht unter 3 000 € kosten. Ich erhalte monatlich ca. 5 20 Euro !!!! Wohlgemerkt für die gleichen Tätigkeiten !!!!!

Ich arbeite jeden Tag 14 bis 16 Stunden. Auch wochenends und an Feiertagen. Ohne Urlaub und ausreichender sozialer Absicherung z.B. für die Altersicherung. Umgerechnet erhalte ich in der Stunde 2,12 Euro !!! Nun wird ja die Auszahlung aus der Pflegekasse nicht als Lohn begriffen und deklariert , sondern als "Anerkennung" für Angehörige ! Wie in unserem Fall bedeutet dies aber eine Katastrophe !! Da hinter den Zahlungen aus der Pflegekasse wohl eine zeitlich begrenzte, für ältere Menschen gedachte "Anerkennung" gemeint war und nicht wie in unserem Fall daran gedacht wurde, daß auch sehr junge Menschen zeitlebens pflegebedürftig sein können, ist das was uns umgibt wirklich als Katastrophe zu bezeichnen. Nach nunmehr 8 Jahren Pflege ohne Urlaub, ohne Freizeit bin auch ich erkrankt. Es gibt sehr wohl Untersuchungen, daß die Erkrankung der Pflegepersonen in vielen Fällen dazukommt. Reagiert hat man darauf aber in keinster Weise. In der neuerlichen Änderung der Pflegekassen Verordnung jedenfalls werden solche Fälle einfach nicht beachtet !!! Es gibt weder Gewerkschaft noch Lobby für Menschen wie uns !

Zudem kommt ein ungeheuerlicher Bürokratismus in allen Bereichen und wie bei uns haben z.B. Behörden nachweisbar eine Behinderte versucht massiv abzuzocken !!! In langwierigen Prozessen vor Sozialgerichten konnte das zu einem Teil zwar verhindert werden. Das ging aber an die Substanz und heraus kam nur ein Abmildern der sowieso vorhandenen Katastrophe in vielen Bereichen des täglichen Lebens.

Unter Rotgrün wurden einige Härtefallregeln für solche Schwerstbehinderten im Zuge der Hartz IV Gesetze abgeschafft. Das kommt erschwerend hinzu !

Ich als Unterzeichner bitte Sie und dies mit Nachdruck, sich dem Thema zu widmen ! Es gäbe so viel Möglichkeiten, in diesem Bereich sogar wirtschaftlich sinnvolle Projekte zu erarbeiten. Denn diese Schwerstbehinderte ist trotz ihrer Behinderung arbeitsfähig !!! Im Übrigen "amtlich" festgestellt !! Seit geraumer Zeit sind auch wegen Kompetenzverschiebungen und nicht geregelter Zuständigkeiten weitere Hürden aufgebaut worden. Integrationsmöglichkeiten und Hilfen werden zwar immer wieder genannt. Bei Nachfrage sind dann aber keine Mittel vorhanden u.v.m. - Karl Hermann Haack, der ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Behindertenfragen nannte Hartz IV für Behinderte verheerend. Leider hatte er bei Äusserung dieser Aussage vergessen zu erwähnen, daß auch er damals für die Gesetze gestimmt hat !

Ich bitte um Rücksprache, Stellungnahme. Ggf. kann ich ein paar Anregungen geben, die nicht teuer, aber bestimmt wirkungsvoll sein könnten....

Mit freundlichen Grüssen

Lothar Schwarz

Kommentare (1)Schließen

  1. Autor Waltraud Tüllmann
    am 03. November 2007
    1.

    Da gebe es noch mehr zu sagen und zu schreiben. Ich habe den Eindruck das man Behinderte Menschen gerne als Dumm bezeichnet, denn in diesen Land darf man nicht Behindert sein. Weiß einer das gerade behinderte Menschen arbeiten und doch noch auf Sozialgeld angewiesen sind? Beschäftigen in behinderten Werkstätten. Ist genau so ein Ding wo man die Tür nicht mehr zu bekommt.

  2. Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.