Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Abstimmungszeit beendet
Autor Heiko Spieß am 03. Januar 2008
11481 Leser · 0 Kommentare

Familienpolitik

Wahlrecht für Kinder

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

Der FDP-Politiker Markus Löning forderte dieser Tage ein Wahlrecht für Kinder, meiner Ansicht nach absolut zu Recht.
Viele bisherige Kommentare z.B. im Internet auf Focus.de zeigen mir leider, dass die Forderung missverstanden wird: Es geht darum, ein Wahlrecht für jeden betroffenen Bürger zu haben. Und Kinder sind auch Bürger. Sie sind durch aktuelle Entscheidung der Politik durchaus mit betroffen - z.B. 'dürfen' sie später Transferzahlungen wie Renten für Vorgänger-Generationen übernehmen. Diejenigen, die ihnen am nächsten stehen, also ihre Eltern, sollten daher ihr Wahlrecht übernehmen, um die Wahlentscheidung im Sinne ihrer Kinder zu beeinflussen. Das ist nur recht und billig. Leider wurde Herr Lönings Vorschlag vielfach als Unsinn abgetan, was mir nicht innovativ erscheint.

Persönlich favorisiere ich folgendes Modell:
Ab wann ist man zur Wahl mündig, also wirklich entscheidungsfähig? Es gibt viele Menschen, die es mit 40 noch nicht schaffen, eine Position zu einer politischen Frage sauber zu formulieren, mit Pro- und Contra-Argumenten, und einer Schlussfolgerung. Ehe dies als 'überspitzte Anforderung' kritisiert wird: Diese Fähigkeit lernt man in der Schule etwa ab der 8.Klasse, wenn im Fach Deutsch die Aufsatzform 'Erörterung' durchgenommen wird.
Es gibt viele, die mit 14 Jahren bereits sauber politische Argumente formulieren können. Warum sollte man deren Entscheidungsfähigkeit weniger trauen können, als 40-Jährigen, die dies nicht können? Folglich fände ich eine Art Politikverständnis-Prüfung sinnvoll, ablegbar ab dem 14.Lebensjahr. Wer die Prüfung nicht schafft, oder es nicht versucht, erhält das Wahlrecht dann mit 25 (oder einem andere sinnvollen Alter, welches genauso wie das aktuelle Wahlalter von 18 subjektiv zu bestimmen ist) automatisch - denn eine Demokratie sollte niemanden dauerhaft aktiv ausschließen.
Eine Stimme sollte es für jeden Menschen geben, nicht nur für die Volljährigen, sondern aus Gründen der Praktikabilität (Kindersterblichkeit, rechtzeitige genaue Bestimmung der zu einer Wahl Berechtigten) ab dem 1. Lebensjahr. Das Wahlrecht wird bis zum Bestehen der o.g. Poliktverständnis-Prüfung von den Eltern wahrgenommen. Damit gibt man Familien erheblich mehr Einfluss, was unserem Land in Anbetracht des aktuellen und langfristig wirksamen Demografieproblems gut täte.

Manche Bürger meinen, dass man mit einem Wahlrecht für Kinder sozial benachteiligte Bürger (im Volksmund Hartz-IV-Empfänger genannt) dafür belohnen würde, ohne Reflexion ihrer eigenen Situation wahllos Kinder in die Welt zu setzen. Diese Angst kann ich verstehen, halte es allerdings für sinnvoll, sie mit Zahlen zu hinterlegen: Wieviele sozial benachteiligte sind de facto kinderreich, und wie entwickeln sich jene Kinder? Sind jene Schichten der Bevölkerung überhaupt am Wahlrecht interessiert, d.h. wie wahrscheinlich ist es, dass man mit solchen Effekten überhaupt rechnen muss? Die Beanwortung dieser Fragen erfordert mit Sicherheit Expertenwissen - ein Grund mehr, Sie Ihnen bzw. Ihrer Administration zu stellen.

Erwähnen möchte ich auch, dass es Durchführungs-Argumente gegen ein Wahlrecht für Kinder gibt. Dinge wie: Wer wählt stellvertretend, solange das Kind noch nicht Wahlmündig ist? Dies ist meiner Ansicht allerdings klar regelbar, z.B. wie folgt: Bei Unverheirateten die Mutter, welche jenes Recht allerdings an den Vater abtreten darf. Bei Verheirateten wird beim ersten Kind per Los entschieden, danach geht das Wahlrecht bei jedem weiteren Kind wechselweise an einen der beiden Partner. Sicher kann es Detail-Probleme geben, aber diese müssten in einem Gesetzgebungsverfahren lösbar sein.

Mich interessiert nun Ihre Position zu dieser Thematik sehr, sowohl als
Bundeskanzlerin, als auch als CDU-Vorsitzende. Würden Sie einen solchen Vorschlag unterstützen, und gegebenenfalls eine entsprechende Verfassungs-Änderung bzw. -Erweiterung anstoßen?

Mit freundlichem Gruß

Heiko Spieß