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Abstimmungszeit beendet
Autor A. Lütje am 16. Juli 2008
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Arbeitsmarkt

Diskrimierung im sozialen Bereich durch christliche Arbeitgeber

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

bei meiner Arbeitssuche im sozialen Bereich setzte ich mich auch mit den ausgeschriebene Stellen katholischer oder evangelischer Arbeitgeber auseinander. Gerade im sozialen Bereich sind christliche Einrichtungen sehr stark vertreten. Trotz einer Ausbildung z.B. als Dipl. Sozialpädagogin oder Dipl.Psychologin wird dort oft folgendes verlangt :

"Die Zugehörigkeit zur katholischen Glaubensgemeinschaft setzen wir voraus." oder

"Wir erwarten die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche und das Mittragen diakonischer Zielsetzung. "

Hierbei handelt es sich weder um sensible Themen wie Schwangerschaftsberatungen, sondern z.B. um Coaching, Begleitung in Arbeit, Testdiagnostik usw.

Eine Einschränkung auf den Glauben bedeutet für einen Agnostiker wie mich bzw. für Atheisten oder Angehörige anderer Religionen ein Berufsverbot in sämtlichen von christlichen Institutionen getragenen sozialen Projekten, Lebensberatungen, Präventionsbereichen, Kindergärten, Schulen etc. Diese Praxis verstößt gegen das Grundgesetz, das die Diskriminierung aufgrund des Glaubens verbietet. "Weltliche" Arbeitgeber würden in Teufels Küche kommen, wenn sie derartige Anzeigen schalten würden. Anrufen bei den ausschreibenden christlichen Arbeitgebern sowie Umfragen bei sich ebenfalls bewerbenden Kolleginnen und Kollegen ergeben folgendes Bild:
Obwohl derjenige oder diejenige den geforderten Berufsabschluss sowie die geforderte Berufserfahrung hat, werden "Andersgläubige" teilweise bereits am Telefon davon abgebracht, sich zu bewerben. Bewerbungen werden ignoriert und nicht kommentiert. Dieselben Stellenangebote bleiben jedoch bis 6-12 Monate und länger unbesetzt, da sich nicht die Person mit "dem richtigen Glauben" anfindet.

Vor diesem Hintergrund habe ich folgende Fragen:

1. Wie verträgt sich die Ausgrenzung andersgläubiger Bewerber mit der Tatsache, dass dieselben christlichen Institutionen und Einrichtungen vom Staat und damit meinen Steuergeldern getragen werden und eben NICHT durch die Gelder ihrer Mitglieder finanziert werden?

2. Warum wird nicht ein deutliches Signal gesetzt, dass sich christliche Arbeitgeber nicht anders zu verhalten haben als die "weltlichen" und auch hier das Grundgesetz gilt? Warum wird nicht der Ausnahmefall, z.B. Schwangerschaftsberatung, klar definiert, so dass man sich nicht mehr in die Grauzonen retten und damit gleichqualifizierte, aber andersgläubige Bewerber diskriminieren kann?

3. Wie ist dies mit dem Ethos der "helfenden" Berufe vertretbar? In meiner Profession hat der Mensch an erster Stelle zu stehen . Ich habe Religion, Geschlecht, Staatszugehörigkeit etc. nur zu beachten, sofern es für die momentane Lebenssituation meines Klienten wichtig ist. Ich habe für jeden Klienten oder jede Klientin mit meiner Energie und Kompetenz da zu sein. Wenn also in einer öffentlichen Einrichtung den Menschen Hilfe angeboten wird, sämtliche Angestellten jedoch aufgrund des Glaubens vorselektiert wurden, welches Signal gibt das den Hilfesuchenden über die Offenheit und Vielfalt der Einrichtung? Besteht da nicht auch die Gefahr, dass andersgläubige Hilfesuchende ebenfalls ausgegrenzt werden?

4. Provokant gefragt: Kann mich die Arbeitsagentur demnächst mit Sanktionen bedrohen, weil ich mich noch nicht dem christlichen Glauben angeschlossen habe und damit meine Vermittlungschancen verringere? Und wie verhält es mit der freien Wahl der Religion, wenn ein Arbeitnehmer aus der Kirche austritt und ihm die Arbeitsagentur eine Strafe auferlegt, weil er damit seine Entlassung provoziert haben könnte? Gilt dann "Arbeit" über "echter" Glaubensüberzeugung?

Sollte ein Christ nicht aus Überzeugung (und möglicherweise nach jahrelangem Irren) zu seinem Glauben finden und nicht den "bequemen" Weg wählen und sich der allgemeinen Norm anschließen? Wie authentisch und glaubhaft und damit auch heilend kann ich den Menschen gegenübertreten, wenn ich aufgrund meines Arbeitsvertrages "glaube" und mir keinerlei Glaubenskrisen erlauben dürfte, obwohl gerade diese in der christlichen Geschichte oft zu Stärkung und positiven Entwicklungen führten?

Sollten auf dem Arbeitsmarkt mit ganz wenigen Ausnahmen nicht vor allem Kompetenz und Engagement zählen und das Grundgesetz für ALLE, d.h. auch christliche Arbeitgeber, gelten?

Ich würde mich sehr über eine Stellungnahme Ihrerseits freuen und wünsche mir, dass die Gesetze zukünftig keine Schlupflöcher mehr für die Diskriminierung Andersgläubiger bieten.

Mit freundlichen Grüßen

Astrid Lütje aus Magdeburg