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Abstimmungszeit beendet
Autor A. Lütje am 13. August 2008
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Innenpolitik

Vorratsdatensammlung

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

ich wüßte von Ihnen gern, inwieweit Sie die Bestrebungen des Herrn Schäuble unterstützen, die Vorratsdatenspeicherung voranzutreiben.

Terrorismus ist in unserer heutigen Zeit natürlich eine sehr ernstzunehmende Gefahr. Nur erschließt sich mir bei bestem Willen nicht, warum die gesamte deutsche Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt wird und Daten gesammelt, Protokolle erstellt, Raster und Profile der einzelnen ermöglicht und PCs und Telefone ohne das Wissen derjenigen "auf Verdacht" ausspioniert werden sollen.

Bei der ganzen Diskussion und vor allem der teilweise haarsträubenden Argumentation entsteht bei mir der Verdacht, dass die meisten Politiker gar keine Ahnung über die Möglichkeiten der Datennutzung und vor allem des Datenmissbrauchs haben - so wie viele "normale" Bürger auch.

Welcher Terrorist ist so - verzeihung - haarsträubend dumm, seine Pläne oder Absprachen über ein ungesichertes Netzwerk zu senden, so dass es den Bundesbehörden auffallen wird?? Meinen Sie nicht, dass diese Menschen fähig genug sind, sich gegen Viren, Spionagesoftware u.ä. absichern können oder schlicht und einfach gar kein Internet nutzen?

Übrig bleiben die "auf Verdacht hin" ausspionierten Bürger. Und die Konsequenzen einer "wer unschuldig ist, hat auch nichts zu verbergen"-Mentalität bedeuten, dass wenn z.B. eine IP-Nummer durch den Provider durch einen Fehler falsch weitergegeben wird, unschuldige in Verdacht kommen. Der Schaden, den so eine Fahndungspanne anrichtet, wird der Betreffende ein Leben lang nicht los (Verlust des Arbeitsplatzes, Trennung, Isolation aus dem Freundeskreis etc.). Und es bleibt immer der Hauch von "die Behörden würden ja nicht ermitteln, wenn da nicht doch was gewesen wäre".

Abgesehen von diesen Gefahren für den einzelnen Bürger wüßte ich gern Ihre Meinung dazu, dass nun auch "geschützte" Berufe abgehört werden sollen. Es ist vollkommen egal, ob der Inhalt des Gesprächs bekannt wird. Für manche beruflich anerkannte Personen ist es bereits ein Schaden, wenn ein 15 minütiger Anruf beim Psychiater, beim Steueranwalt oder sonstigen Berufsständen bekannt würde. Zahlen belegen im medizinischen Bereich bereits, dass viele Menschen über Internet und Telefon keine Hilfe mehr suchen würde - aus Angst, der Staat oder irgendein voreiliger Polizist fragt sie dann ein Jahr später im Zuge irgendeines Verfahrens oder einer "Routine-Untersuchung", warum sie einen Psychiater bräuchten. Über dem Anrufer beim Steueranwalt, der Hilfe bei der letzten Einkommenssteuer erfragte, schwebt rückwirken möglicherweise der Verdacht der Steuerhinterziehung.

1. Wie stehen Sie also dazu, dass mit minimaler Chance der Entdeckung von Terroristen eine maximale Einschränkung der Bürger erfolgt?

2. Wie stehen Sie dazu, dass hier die Beweislast zu ungunsten des Bürgers umgedreht wird, so dass er bei "passendem" Raster in Erklärungsnot gerät?

3. Werden nun auch die helfenden Berufe, die Anwälte und andere Berufe, deren Voraussetzung eine Vertrauensbasis ist, von Durchsuchungen betroffen sein?

4. Wie gedenken Sie, Datenpannen zu verhindern, die sich wahrscheinlich zwangsläufig ergeben, wenn Menschen so sensibles Material verwalten?

Ehrlich gesagt habe ich kein Vertrauen, dass genug Sensibilität vorherrscht. Immer wieder gibt es Vorfälle wie in Großbritannien, wo anscheinend wiedermal (am 07.08.) eine CD mit den Daten von 370.000 Kunden von der britische Großbank HSBC (Namen, Geburtsdaten und Versicherungsdetails der Kunden) verloren ging. Auch Daten-Cds aus öffentlichen Institutionen verschwanden ja auf mysteriöse Weise.

Wie will der Staat denn die zwangsgesammelten Daten seiner Bürger schützen?

Über eine Stellungsnahme zu den 4 Fragen würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

A. Lütje aus Magdeburg