Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Harald Heck am 29. Oktober 2008
14468 Leser · 0 Kommentare

Wirtschaft

Bürger entschulden

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

auch ich habe mir Gedanken gemacht, wie man unsere Wirtschaft bzw. die der gesamten EU stärken könnte.
Was ist denn mit all den überschuldeten Haushalten in Deutschland (ca.7 Millionen) ! Und Europaweit ?! 25-40 Millionen?

Warum erläßt man Schuldnern nicht viel früher Ihre Schuld (bisher 6 Jahre). Unglaublich auf welche Kaufkraft hier verzichtet wird.

Klar wenn man den Gläubigern zuhört...geht die Welt unter. Aber ich bin sicher das wenn wir es nicht bald schaffen den eigenen Binnenmarkt anzukurbeln...brauchen wir überhaupt nichts mehr ....denn dann ist es zu spät.

In diesen Zeiten sollte man nichts unversucht lassen den Markt anzukurbeln. Denn wenn man am Abgrund steht sollte man nach jedem Strohhalm greifen Fragen sie doch einmal ihre Experten!

MfG Harald Heck

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 27. November 2008
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Heck,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Zur Gesamtzahl der überschuldeten Haushalte in Deutschland gibt es unterschiedliche Angaben. Das hängt auch damit zusammen, was man unter „Überschuldung“ versteht. Fundierte Informationen zu diesem Thema finden Sie unter anderem beim Statistischen Bundesamt, beispielsweise im „STATmagazin“:

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis...

Dem Material des Statistischen Bundesamtes können Sie auch entnehmen, dass Arbeitslosigkeit als mit Abstand häufigster Grund für finanzielle Schwierigkeiten genannt wird: Schuldnerberatungsstellen haben bei fast jedem dritten Beratungsfall Arbeitslosigkeit als Grund der finanziellen Schwierigkeiten angegeben.

Hier setzt die Politik der Bundesregierung an: Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten ist eines der wichtigsten politischen Anliegen – auch in Zeiten der Finanzkrise, wie die Bundeskanzlerin vor kurzem in Ihrem Video-Podcast erläutert hat.

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Podcast/2008/200...

Die Bundesregierung setzt gezielte Impulse, damit Unternehmen, private Haushalte und Kommunen schnell investieren können – und so die Krise überbrücken. Bund, Länder und Gemeinden wollen in den nächsten zwei Jahren Investitionen in Höhe von rund 50 Milliarden Euro anschieben. Gezielte Steuerentlastungen sollen den privaten Konsum ankurbeln. So bekommen Familien mehr Geld: Das Kindergeld und die Kinderfreibeträge steigen. Der Steuerbonus für Handwerkerleistungen in privaten Haushalten verdoppelt sich. Käufer von Neuwagen müssen bis zu zwei Jahre lang keine Kfz-Steuer zahlen.

Außerdem hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Reform der Verbraucherinsolvenz beschlossen. Das Gesetz, das noch vom Parlament verabschiedet werden muss, soll dem Verbraucherschutz im besonderen Maße Rechnung tragen. Insbesondere soll es völlig mittellosen Verbrauchern eine umfassende Entschuldung auch ohne Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ermöglichen.

Dabei gilt es aber nicht nur, ein Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und seiner Gläubiger zu finden. Sondern es ist auch das allgemeine Interesse des Wirtschaftsverkehrs zu berücksichtigen.

Beispielsweise darf für ein funktionierendes Wirtschaftssystem der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind, nicht vollständig entwertet werden. Könnte jeder Schuldner, der seine Schulden nicht begleicht, bereits nach kurzer Zeit wieder uneingeschränkt am Geschäftsverkehr teilnehmen, gäbe es kaum mehr Anreize, Verträge einzuhalten. Gläubiger würden dann regelmäßig leer ausgehen und in der Folge keine Vereinbarungen mehr schließen. Unser Wirtschaftssystem und den Markt, auf den Sie sich in Ihrer Frage beziehen und den Sie ankurbeln möchten, würde es dann nicht mehr geben.

Daher kann eine Entschuldung nur dem redlichen Schuldner zuteil werden. Er muss seine wirtschaftliche Zuverlässigkeit erst wieder beweisen – sich beispielsweise um Arbeit und Begleichung zumindest eines Teils der Schulden bemühen. Dafür gibt es unter anderem die Wohlverhaltensfrist, die in der Regel sechs Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens beträgt.

Der Gesetzentwurf zur Reform der Verbraucherinsolvenz sieht hier in Einzelfällen eine deutliche Abkürzung der Wohlverhaltensfrist vor. Dafür muss es ein Schuldner während der Frist schaffen, einen besonders großen Anteil der noch offenen Forderungen der Insolvenzgläubiger zu begleichen.

Weitere, umfangreiche Informationen zur Verbraucherinsolvenz finden Sie hier:

http://www.bmj.bund.de/enid/8bf607a3f6f2c65c30bf66e9c9ed7...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung