Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Hedwig Friedrich am 07. Februar 2009
15950 Leser · 0 Kommentare

Arbeitsmarkt

Gehaltsrückzahlung bei Insolvenz

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

findige Insolvenzverwalter haben herausgefunden, das nach dem von der Politik beschlossenem Insolvenzgesetz Gehälter wieder zurückgefordert werden können, wenn die Angestellten und Arbeiter Kenntnis von einer drohenden Insolvenz hatten.

Im Klartext: wenn ein Arbeitnehmer seine Zustimmung dazu gibt, verspätet sein Gehalt ausbezahlt zu bekommen, um seine Firma zu retten, hat ein Insolvenzverwalter das Recht, dieses zurückzufordern.

Eine Entscheidung des Lg Coburg.

Andererseits kann sich dieser Arbeitnehmer nicht arbeitslos melden, da ihm 3 Monate das Arbeitslosengeld gestrichen wird.

Im Hinblick auf zu erwartende Insolvenzen werden die Arbeitnehmer in eine Lage gebracht, die sie weder zu vertreten haben noch ändern können. Und für viele wird es der finanzielle Ruin bedeuten.

Meine Frage:

wann werden Sie dieses unsoziale Gesetz ändern?

Mit freundlichen Grüssen

Hedwig Friedrich

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 23. März 2009
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Friedrich,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Nach Erkenntnissen der Bundesregierung handelt es sich bei Anfechtungen von Lohnnachzahlungen nach wie vor um Einzelfälle. Die Arbeitnehmer sind zudem nicht schutzlos, vielmehr haben sie starke Rechte. Jüngst hat der Bundesgerichtshof sie nochmals grundlegend gestärkt, indem er die Anfechtungsklage eines Insolvenzverwalters abgewiesen hat.

Die Rechtslage sieht folgendermaßen aus:

• Grundsätzlich gilt bei Insolvenz des Arbeitgebers: Regelmäßige Lohn- und Gehaltszahlungen lassen sich nicht anfechten. Hat jedoch der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber den fälligen Lohn über einen längeren Zeitraum hin gestundet (ihm damit quasi einen „Kredit“ gewährt), so sind allenfalls die Lohnnachzahlungen von einer Anfechtung betroffen. Eine Anfechtung ist auch dann regelmäßig ausgeschlossen, wenn die Lohnnachzahlung innerhalb von 30 Tagen nach der Dienstleistung erfolgt.
• Auch muss ein Arbeitnehmer bei Nichtzahlung des Lohns nicht mehr seine Arbeitskraft einbringen und er hat ein Kündigungsrecht. Kündigt ein Arbeitnehmer, weil der Arbeitgeber ihm den Lohn schuldet und eine Insolvenz droht, so tritt grundsätzlich keine Sperrzeit beim anschließenden Bezug von Arbeitslosengeld ein. Denn hier kann dem Arbeitnehmer die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden.
• Zugleich hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld für offene Gehälter der letzten drei Monate vor der Insolvenz. Wird eine Lohnnachzahlung durch den Insolvenzverwalter angefochten und muss der Arbeitnehmer den entsprechenden Betrag zurückzahlen, so hat der Arbeitnehmer wieder Anspruch auf Insolvenzgeld für Lohnansprüche, die in dem Drei-Monats-Zeitraum entstanden sind.

Insofern ist auch hier noch einmal dem Eindruck zu widersprechen, die Arbeitnehmer seien nach der gegenwärtigen Rechtslage nahezu schutzlos. Sollte sich dennoch weiterer Handlungsbedarf ergeben, wird die Bundesregierung schnell reagieren und geeignete Regelvorschläge unterbreiten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung