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Beantwortet
Autor Sabine Scheffer am 12. Februar 2010
8954 Leser · 0 Kommentare

Soziales

Benachteiligung der Alten, Kranken und Nutzlosen

Sehr geehrte FRAU BundeskanzlerIN!

Meine Frage an Sie:

Die aktuellen Regelsätze von Hartz IV richten sich gegen die Menschenwürde. Da muss nachgebessert werden.
Außerdem sollen die Zuverdienstgrenzen für arbeitsfähige Hartz4 Bezieher vermutlich erhöht werden.

Die Menschenwürde der Alten in Altersarmut, der Kranken und Behinderten, die zwangsweise in die Grundsicherung/Sozialhilfe gezwungen werden, ist in diesem Land anscheinend kein Thema.

Diese Menschen haben noch weniger Geld als Hartz4 Empfänger zur Verfügung, weil sie als Nutzlose, keine Zuverdienstgrenze haben und fast alles, was sie verdienen, an das Amt abgeben müssen.

Ein Mensch unter Hartz4 darf von 100 Euro Zuverdienst 100 Euro behalten, ein Mensch, der unter Grundsicherung gezwungen wurde, nur 30 Euro!
Ein Mensch unter Hartz4 darf von 200 Euro 120 Euro behalten, ein Mensch in Zwangsgrundsicherung nur 60.

Millionen von Altersarmen, Kranken und Behinderten unter Grundsicherung leben weit unterhalb der Menschenwürde.
Viele Millionen Menschen werden in den nächsten Jahren unter Zwangsgrundsicherung fallen, wenn sie ihre Minirente erhalten und können sich nicht dagegen wehren.
Es rollt eine Welle der Altersarmen auf das Land zu, die nicht für immer hinnehmen werden, dass sie weniger wert sind als alle anderen in diesem Land!

Warum haben die Nutzlosen kein Recht auf Menschenwürde?
Warum werden Kranke und Alte weit schlechter gestellt, als Hartz4 Empfänger?

WANN und WIE werden Sie dafür sorgen, dass die Menschenwürde der Ärmsten, der Alten und Schwachen nicht mehr mit Füssen getreten wird?

Bitte antworten sie so verbindlich und konkret wie möglich.
Danke!
Das auch Nutzlose theoretisch ein Recht auf Menschenwürde haben, tatsächlich aber schlechter gestellt sind als alle anderen, würde meine Frage beispielsweise nicht beantworten.

Auch Opfer schwerer Verbrechen werden zwangsweise in die Grundsicherung/Sozialhilfe verbracht. Diese Menschen, die körperlich durch Verbrechen schwer beschädigt wurden, werden gezwungen im Rinnstein der Gesellschaft zu vegetieren. Der Hinweise, Krüppel durch Verbrechen bekämen theoretisch eine Entschädigung ist nicht zielführend, wenn die Täter nicht verurteilt wurden, bekommen die Geschädigten nichts.
Man stellt sie mit Altersarmen, Behinderten und anderen Kranken auf eine Stufe.

Warum wird die Menschenwürde der Altersarmen, Kranken und Behinderten mit Füssen getreten?
Wann werden diese Menschen dazuverdienen dürfen, ohne das ihnen der Staat fast alles wegnimmt? WANN?

Und nochmal:
Meine Frage lautet: Wann werden diese Menschen mindestens so viel wie Hartz4 Empfänger dazuverdienen dürfen?

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 11. März 2010
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Scheffer,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.
Die Verhinderung von Altersarmut ist ein zentrales Anliegen der Bundesregierung. Deshalb gibt es die „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“. Sie hilft vor allem älteren Menschen ab 65 Jahren. Auch wer dauerhaft voll erwerbsgemindert, insbesondere von Geburt oder früher Jugend an schwerstbehindert ist, erhält ab Volljährigkeit die Leistungen dieser Grundsicherung. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist das Sozialgesetzbuch Zwölf. Sie ist zu unterscheiden von der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“, die sich an Erwerbsfähige zwischen 15 und 65 Jahren richtet. Hiermit ist das „Arbeitslosengeld II“ gemeint, auch als „Hartz-IV“ bezeichnet. Gesetzliche Grundlage ist das Sozialgesetzbuch Zwei. Sozialhilfe und Grundsicherung werden aus Steuern finanziert und sichern das Existenzminimum für die jeweiligen Personengruppen.

Sie erwähnen mehrfach das Wort „Zwangsgrundsicherung“. Dieser Begriff existiert nicht. Im Gegenteil: Menschen, die in eine Notlage geraten, die sie aus eigener Kraft nicht bewältigen können, sind auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesen. Jeder Mensch, der sich also nicht selbst helfen kann und auch nicht auf andere Unterstützung zählen kann, hat in Deutschland einen gesetzlich garantierten Anspruch auf Sozialleistungen. Sozialhilfe und Grundsicherungsleistungen sollen deshalb nicht nur Armut verhindern, sondern dem Leistungsberechtigten auch eine Lebensführung ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht.

Andererseits muss jeder, der mit dem Geld der Steuerzahler in einer Notsituation unterstützt wird, mithelfen, seine Situation zu verbessern. Sozialhilfe und Grundsicherung leisten daher Hilfe zur Selbsthilfe.

Hiervon zu trennen sind staatlich finanzierte Zahlungen für Opfer von Gewalttaten. Für sie sorgt der Staat im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes (OEG). Die Leistungen des OEG richten sich nach dem sogenannten Bundesversorgungsgesetz. Mehr Informationen dazu finden sie beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Zu den geforderten Korrekturen an den Regelsätzen in der Grundsicherung lesen Sie bitte auch die Antwort auf die Frage von Frau Gruber vom 25. Januar (http://www.direktzu.de/kanzlerin/messages/24679#id_answer...).

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung