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Beantwortet
Autor Doris Reichling am 08. März 2010
9983 Leser · 0 Kommentare

Gesundheit

Teure Medikamentenkosten der Pharmaindustrie

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

unser marodes Gesundheitssystem macht mir große Sorgen! Warum werden in Deutschland keine Höchstbeträge für Medikamente festgelegt wie in unseren europäischen Nachbarländern?

In Zeiten leerer Kassen bei den Krankenkassen wäre das für mich ein sinnvoller Weg, um die Gesundheitskosten weiterhin bezahlbar zu machen.....

Zum Thema überteuerte Medikamentenkosten möchte ich auf nachfolgenden Beitrag hinweisen:

Sendung Plus-Minus, Dienstag, 02.03.2010, 21.50 Uhr
Rückschau: Gesundheitskosten - Wo viel Geld verschwendet wird

Für mich war es wieder mal ein interessanter Beitrag. Die Gesundheitskosten explodieren, die Bundesbürger werden immer wieder erneut zur Kasse gebeten.
Warum sind Medikamente bei uns doppelt so teuer wie in unserem benachbarten europäischen Ausland? Mit welcher akzeptablen Begründung kann die Pharmaindustrie ihre Preise willkürlich festlegen? Warum schreitet die Politik nicht regulierend ein?

Wie in dem Monitor Beitrag berichtet, hatte Fr. Ulla Schmidt im Jahr 2001 in einem Gesetzentwurf, Artikel 2, für Arzneimittelpreise festgelegt, dass diese für die Jahre 2002 und 2003 jeweils um 4 % sinken sollten. Im Gesetz selbst war diese Passage dann nicht mehr enthalten – dafür hatte die Pharmaindustrie € 200.000.000,-- bezahlt – eine beachtliche Summe, oder? Wo sind die Gelder geblieben, wurden sie für die „Sanierung der Krankenkassen“ verwendet?

Ein Beispiel aus der Monitor-Sendung, das Rheuma-Medikament Humira kostet in
Großbritannien € 798,--
Schweden € 1.058,--
Deutschland € 1.919,--

Lebt in unserem Land die Pharmaindustrie nicht in paradiesischen Zuständen?

Kopfpauschale:

Was mir auch große Sorgen macht ist die Umgestaltung unseres Gesundheitssystems. WARUM werden die Wünsche der Bürger nicht berücksichtigt? Es geht doch um uns!

Prinzipiell hätte ich kein Problem mit einer Kopfpauschale, allerdings unter der Voraussetzung, dass ALLE BUNDESBÜRGER in unser Gesundheitssystem einbezahlen. Dass sich auch die Privatversicherten an unserem Solidarsystem beteiligen müssen!!!

Heute denkt die Politik (FDP) über einkommensunabhängige Kopfpauschalen nach, für viele Versicherte wieder unbezahlbar, wieder müssen die Menschen einen Zusatzbeteiligung vom Staat ERBITTEN………..

Ich empfinde es als eine große Ungerechtigkeit, dass die FDP weiterhin die privat Versicherten schützt; sie nicht an den Kosten unseres sozialen Krankensystems beteiligen möchte.

Die Regierung berät und berät und berät, gründet eine neue Gesundheitskommission……
Ich habe die Befürchtung, dass wieder mal alles hinter verschlossenen Türen entschieden wird und die Bundesbürger mit Tatsachen konfrontiert werden. Wieso haben wir als betroffene Bürger keinerlei Mitbestimmungsrecht?

Wann gehen wir gesetzlich Krankenversicherte zu Tausenden auf die Straßen??? WER vertritt unsere Interessen bei der Politik?

In Frankreich zahlen ALLE Bürger in eine staatliche Sozialversicherung „Sécurité Sociale“, die auch die Krankenkasse mit einschließt. Warum kann das für Deutschland keine mögliche Alternative sein???
Haben wir nicht schon genug experimentiert in unserem Gesundheitswesen und das immer wieder zu Lasten der Versicherten!

Als ich Herrn Bahr bei Anne Will gestern wieder erlebte, war ich ganz frustriert. Bei mir entstand mal wieder der Eindruck, dass auch diesmal die kleine Frau/der kleine Mann die Kosten tragen muss.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 09. April 2010
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Reichling,

vielen Dank für Ihre E-Mail, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten. Vorab sei gesagt, dass wir mit Ihrem Grundanliegen voll übereinstimmen: Die Gesundheitskosten müssen auch in Zukunft bezahlbar bleiben.

Richtig ist leider auch, dass Deutschland sowohl bei der großen Zahl patentgeschützter Arzneimittel ohne Festbetrag als auch bei den neuen innovativen Arzneimitteln Preisführer in Europa ist. Das will die Bundesregierung ändern. Insgesamt stiegen die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahre 2009 um 5,3 Prozent. Dieser Kostenzuwachs ist insbesondere durch Arzneimittel ohne Festbetrag verursacht (2009: plus 8,9 Prozent). Die GKV-Umsätze mit Arzneimitteln, für die Festbeträge gelten, sind unterdessen gesunken (2009: minus 2 Prozent). Teure Spezialpräparate haben jährlich zweistellige Zuwachsraten. Ihr Anteil am GKV-Arzneimittelumsatz erreicht bereits rund 26 Prozent, obwohl ihr Verordnungsanteil nur 2,5 Prozent beträgt.

Deshalb verlangt Bundesgesundheitsminister Rösler, dass Pharmaunternehmen künftig den Nutzen neuer Arzneimittel nachweisen. Das Bundesinstitut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen soll dies prüfen. Auf der Basis dieser Studien können Krankenkassen und Pharmaunternehmen dann marktgerechte Preise aushandeln. Die guten Erfahrungen mit Preisverhandlungen lassen deutliche Einsparpotenziale erwarten. Bis diese Studien vorliegen, will die Bundesregierung die Preisabschläge für Arzneimittel ohne Festbetrag von 6 Prozent auf 16 Prozent erhöhen. Damit sowie durch ein so genanntes Preismoratorium sparen die Krankenkassen knapp 1,5 Milliarden Euro jährlich. Einen Gesetzentwurf dazu bereitet die Bundesregierung gerade vor.

Aber Arzneimittelkosten sind nur ein Teil unserer Gesundheitsversorgung, die insgesamt immer teurer wird. Der Gesundheitsfonds schloss 2009 mit einem Minus von 2,48 Milliarden Euro ab. Für 2010 rechnen die Fachleute sogar mit einem Defizit von 4 Milliarden Euro – trotz eines Sonderzuschusses aus Steuermitteln. Als Folge drohen weitere Zusatzbeiträge, die vor allem Geringverdiener stark belasten. Damit die exzellente medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger bezahlbar bleibt, brauchen wir eine Neustrukturierung des Finanzierungssystems. Auf den raschen demographischen Wandel ist unser heutiges Gesundheitssystem einfach nicht gut genug vorbereitet. Zudem führt der medizinische Fortschritt zu weiteren Ausgabensteigerungen.

Eine Regierungskommission soll Lösungsvorschläge zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens entwickeln. Einer der Gründe dafür ist, dass das heutige Gesundheitssystem Menschen mit hohen Miet- und Zinserträgen bei geringem Arbeitseinkommen begünstigt, da Miet- und Zinserträge bei der Festlegung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht berücksichtigt werden.

Bei einem Einstieg in eine einkommensunabhängige Prämie wäre allerdings die soziale Ausgestaltung entscheidend: Denn wer die Prämie alleine nicht zahlen kann, müsste einen Zuschuss aus Steuermitteln bekommen.

Dann übernähmen die Spitzenverdiener durch ihre Steuern solidarisch Verantwortung für Schwächere. Und auch Privatversicherte trügen über ihre Steuern zum Solidarausgleich bei.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung