Sehr geehrte Frau Reichling,
vielen Dank für Ihre E-Mail, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten. Vorab sei gesagt, dass wir mit Ihrem Grundanliegen voll übereinstimmen: Die Gesundheitskosten müssen auch in Zukunft bezahlbar bleiben.
Richtig ist leider auch, dass Deutschland sowohl bei der großen Zahl patentgeschützter Arzneimittel ohne Festbetrag als auch bei den neuen innovativen Arzneimitteln Preisführer in Europa ist. Das will die Bundesregierung ändern. Insgesamt stiegen die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahre 2009 um 5,3 Prozent. Dieser Kostenzuwachs ist insbesondere durch Arzneimittel ohne Festbetrag verursacht (2009: plus 8,9 Prozent). Die GKV-Umsätze mit Arzneimitteln, für die Festbeträge gelten, sind unterdessen gesunken (2009: minus 2 Prozent). Teure Spezialpräparate haben jährlich zweistellige Zuwachsraten. Ihr Anteil am GKV-Arzneimittelumsatz erreicht bereits rund 26 Prozent, obwohl ihr Verordnungsanteil nur 2,5 Prozent beträgt.
Deshalb verlangt Bundesgesundheitsminister Rösler, dass Pharmaunternehmen künftig den Nutzen neuer Arzneimittel nachweisen. Das Bundesinstitut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen soll dies prüfen. Auf der Basis dieser Studien können Krankenkassen und Pharmaunternehmen dann marktgerechte Preise aushandeln. Die guten Erfahrungen mit Preisverhandlungen lassen deutliche Einsparpotenziale erwarten. Bis diese Studien vorliegen, will die Bundesregierung die Preisabschläge für Arzneimittel ohne Festbetrag von 6 Prozent auf 16 Prozent erhöhen. Damit sowie durch ein so genanntes Preismoratorium sparen die Krankenkassen knapp 1,5 Milliarden Euro jährlich. Einen Gesetzentwurf dazu bereitet die Bundesregierung gerade vor.
Aber Arzneimittelkosten sind nur ein Teil unserer Gesundheitsversorgung, die insgesamt immer teurer wird. Der Gesundheitsfonds schloss 2009 mit einem Minus von 2,48 Milliarden Euro ab. Für 2010 rechnen die Fachleute sogar mit einem Defizit von 4 Milliarden Euro – trotz eines Sonderzuschusses aus Steuermitteln. Als Folge drohen weitere Zusatzbeiträge, die vor allem Geringverdiener stark belasten. Damit die exzellente medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger bezahlbar bleibt, brauchen wir eine Neustrukturierung des Finanzierungssystems. Auf den raschen demographischen Wandel ist unser heutiges Gesundheitssystem einfach nicht gut genug vorbereitet. Zudem führt der medizinische Fortschritt zu weiteren Ausgabensteigerungen.
Eine Regierungskommission soll Lösungsvorschläge zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens entwickeln. Einer der Gründe dafür ist, dass das heutige Gesundheitssystem Menschen mit hohen Miet- und Zinserträgen bei geringem Arbeitseinkommen begünstigt, da Miet- und Zinserträge bei der Festlegung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht berücksichtigt werden.
Bei einem Einstieg in eine einkommensunabhängige Prämie wäre allerdings die soziale Ausgestaltung entscheidend: Denn wer die Prämie alleine nicht zahlen kann, müsste einen Zuschuss aus Steuermitteln bekommen.
Dann übernähmen die Spitzenverdiener durch ihre Steuern solidarisch Verantwortung für Schwächere. Und auch Privatversicherte trügen über ihre Steuern zum Solidarausgleich bei.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Kommentare (0)Schließen
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.