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seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Brigitte Schmid am 17. Mai 2010
11583 Leser · 0 Kommentare

Arbeitsmarkt

Kapitalismus vs. Gesundheit

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

Auf der einen Seite kann man nur staunen was wir in den letzten 200 Jahren für Fortschritte gemacht haben. Andere Länder mögen uns dafür beneiden, dass wir sooo viel Geld verdienen und unsere Fabriken immer laufen. Ich sehe es mittlerweile eher mit Angst, Wut und Trauer. Ich bin 28 Jahre, habe eine Ausbildung zur Kunststoff-Formgeberin erfolgreich abgeschlossen, mit 20 meinen Sohn bekommen und nun beziehe ich ALG2, weil ich die Schichtarbeit nicht ausüben kann. Die Industrie kann aber ohne Schicht mit mir nichts anfangen. Ich beobachte es schon seit Jahren, dass die Menschen durch diese Arbeitszeiten körperlich früher oder später zusammenklappen.
Ich frage mich ob es das wert ist?
Es ist doch so, dass die Arbeit, die auf Handwerk beruht in unserer Gesellschaft schlichtweg nicht 1. anständig entlohnt wird und 2. kein Ansehen besitzt. Auf der anderen Seite würde ohne all die "Kleinen" hier nichts mehr laufen. Anstatt da mal was dran zu ändern, werden nur die Steuern auf die eine oder andere Weise erhöht und im Endeffekt hat man nur noch weniger in der Tasche.
Und dann gibts ja noch das Paradoxon der Rente. Wir sollen mit 65/67 in Rente gehen, damit wir völlig fertig mit 70 ins Gras beissen. Das es wohl kaum einer schafft und freiwillig sagt:"Lieber verzichte ich auf nen Teil der Rente, ich kann nicht mehr!" Und darauf baut ihr wiederum auf-so wenig Geld wie möglich ausgeben. Wo bleibt der Respekt vor dem Alter?
Ich frage mich wie lange das noch gut geht? Alle rennen nur dem Geld nach, je größer um so schlimmer die Gier.

Und nun meine Frage: Können Sie noch in den Spiegel schauen? Können Sie noch ruhig schlafen in der Nacht?

Ihr habt die Verantwortung für Deutschland! Wir haben genug Probleme hier, warum müssen wir erst anderen helfen?

Ich erwarte Ihre baldige Antwort.

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 25. Juni 2010
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Schmid,

vielen Dank für Ihren Beitrag, den wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Die Tatsache, dass die Konjunktur wieder anzieht, immer mehr Firmen die Kurzarbeit beenden und Betriebe wieder neue Mitarbeiter einstellen, sollte Sie zuversichtlich stimmen. Wirtschaftswachstum führt zu mehr Beschäftigung.

Die erfreuliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und die Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung erhöhen auch Ihre Chancen, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Fachkräfte werden gebraucht, Firmen machen daher auch immer mehr Angebote für familienfreundliche Arbeitszeiten. Sprechen Sie aber auch mit Ihrem Sachbearbeiter im Jobcenter und lassen sich über Maßnahmen der Förderung beraten. Denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehört zur aktiven Arbeitsförderung.

Zum Thema Steuern: Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren die Bürgerinnen und Bürger entlastet, beispielsweise durch die Senkung der Lohnnebenkosten. Auch die Beiträge zu Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung sind stabil auf niedrigem Niveau geblieben.

Dass das Renteneintrittsalter steigen muss, hat mit der Alterung unserer Gesellschaft zu tun. Es werden immer weniger Kinder geboren. Die Zahl der Erwerbstätigen nimmt ab. Kommen heute drei Erwerbstätige auf einen Rentner, wird das Verhältnis 2030 höchstens zwei zu eins sein. Gleichzeitig haben die Menschen in Deutschland eine viel höhere Lebenserwartung als früher. Das hat Folgen für die Rentenkasse.

Ziel muss es sein, die Zahl der Erwerbstätigen und Beitragszahler im Verhältnis zu den Rentenbeziehern zu erhöhen. Mit der Rente mit 67 hat Deutschland auf die Herausforderungen reagiert, die der demografische Wandel für Gesellschaft und Arbeitswelt mit sich bringt. Zugleich sind natürlich gesundheitsfördernde Maßnahmen notwendig, damit die Menschen auch länger arbeiten können. Immer mehr Unternehmen erkennen dies.

Das Paket zur Stabilisierung des Euro liegt in unmittelbarem deutschen Interesse. Wir tun das für uns selbst und für die nachfolgenden Generationen. Als Exportnation ist Deutschland daran interessiert, dass gerade der europäische Binnenmarkt durch die gemeinsame Währung vor Wechselkursschwankungen geschützt ist. Deutschland sendet damit ein klares Signal für Europa ­ verbunden auch mit einem klaren Signal für künftig mehr Stabilitätskultur in der Eurozone.

Zugleich ist es wichtig zu betonen, dass wir in Deutschland nicht wegen unserer europäischen Nachbarn sparen müssen, sondern im eigenen Interesse. Wir müssen, auch im Interesse der nachfolgenden Generationen, unsere Verschuldung zurückführen.

Zur Griechenland-Hilfe haben wir in diesem Forum bereits in den vergangenen Wochen ausführlich Stellung genommen. Wichtig zu wissen ist, dass die Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm nur unter bestimmten Bedingungen fließen. Dazu zählen eigene Sparleistungen der Empfängerländer, aber auch die scharfe Kontrolle durch den Internationalen Währungsfonds (IWF). Einen Automatismus bei den Krediten gibt es nicht. Es fließt kein Geld, bevor nicht der Zweck geklärt ist.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung